Rüthen. . In Rüthen im Kreis Soest gibt es nur Lob für die Notunterkunft. Schließlich ist das Schwesternhaus Maria vom Stein ein idyllisch gelegenes Haus am Stadtrand von Rüthen. Dennoch denken die Flüchtlinge über einen Hungerstreik nach. Ihnen fehlt ein Behördenakt: die Registrierung.

Das Schwesternhaus Maria vom Stein ist ein idyllisch gelegenes Haus am Stadtrand von Rüthen. Hohe Bäume säumen die Zufahrt zu dem seit zwei Jahren leerstehendem einstigen Wohnheim des St.-Vincenz-Ordens. Das Gebäude wirkt gut erhalten, innen macht es einen sauberen Eindruck. Seit vier Wochen leben hier inzwischen fast 400 Flüchtlinge aus 28 Nationen, viele Serben und Mazedonier, auch 56 Syrer, die dem Krieg in ihrem Heimatland, dem Terror der IS-Miliz entkommen sind.

Doch hinter der Idylle verbirgt sich ein weiteres Drama, dass die Flüchtlinge, besonders die syrischen, erleiden müssen. Sie warten sehnlichst auf ihre Registrierung durch deutsche Behörden. Amer Kouli zum Beispiel. Der 56-Jährige stammt aus Aleppo; die zweitgrößte Stadt Syriens ist immer noch schwer umkämpft. Koulis Frau, seine beiden Töchter und deren Familien leben noch dort; Kouli, der fließend Englisch spricht, ist in großer Sorge um die Familie, möchte sie nachholen so schnell es geht.

Im Bus nach Rüthen

Es geht aber nicht schnell. Im Moment geht es gar nicht. Schuld ist eine fehlende Registrierung. Ohne Registrierung kann Kouli, kann keiner der Flüchtlinge einen Antrag auf Nachholung der Familie oder etwa einen Asylantrag stellen.

Amer Kouli erzählt: Am 26. September spätabends kam er im Flugzeug nach Köln, vom Flughafen wurde er nach Dortmund gebracht. Dort, in der Erstaufnahmeeinrichtung (EAE), werden die Flüchtlinge üblicherweise medizinisch untersucht, ihre Daten erfasst, die Fingerabdrücke genommen, dann erhalten sie eine „Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchende“. Das Procedere dauert in der Regel drei bis fünf Tage.

Bei Amer Kouli ist all das nicht passiert. In Köln wurde ihm ein für drei Tage gültiger Pass ausgestellt, in Dortmund lediglich eine Karteikarte mit seinem Namen und seinem Geburtsdatum überreicht. „Ich war eine Stunde in Dortmund, da wurde ich im Bus nach Rüthen gebracht“, erzählt der Syrer.

Warum gab es keine Registrierung? „Aufgrund der Vielzahl der Flüchtlinge ist derzeit der ordnungsgemäße Ablauf auf den Kopf gestellt“, stellt Hans-Joachim Skupsch, Pressesprecher der Stadt Dortmund, die für die EAE zuständig ist, nüchtern fest. Die Flüchtlinge in Rüthen hätten eigentlich schon am 1. Oktober, vor drei Wochen also, nach Burbach gebracht werden sollen; dort wäre die Registrierung durch die Zentrale Ausländerbehörde Köln erfolgt, teilt das Ordnungsamt der Stadt fest. Das sei aber nicht geschehen.

„Für alle Betroffenen unbefriedigend“ 

Amer Kouli und die anderen Syrer in Rüthen wussten von diesem Plan nichts. Sie wussten gar nichts, man hat ihnen nichts gesagt. Sie warten seit vier Wochen, haben immer wieder nachgefragt, fühlen sich vergessen. Und sind verzweifelt: „Meine Familie lebt unter Bomben“, sagt Kouli, „ich vermisse sie sehr“, und: „Die deutschen Behörden tun viel, aber es reicht nicht!“ Kouli hat deshalb bereits „über so etwas wie einen Hungerstreik nachgedacht“, sagt er: „Zwei bis drei Tage nichts essen, vielleicht reagieren die Behörden dann?“

Die Situation sei „für alle Betroffenen unbefriedigend“ und Folge der hohen Flüchtlingszahlen, räumt Christoph Söbbeler für die Bezirksregierung Arnsberg ein. Man suche gemeinsam mit der Einrichtung in Dortmund nach einer schnellen Lösung.

Auf die hoffen auch Amer Kouli und seine syrischen Freunde wieder. Kurz vor dem Gespräch mit dem Reporter sei er informiert worden, dass es morgen zwei Busse nach Dortmund geben werde. Dort würden dann die Syrer und weitere Flüchtlinge aus Rüthen endlich registriert. „Das sind gute Neuigkeiten“, sagt Kouli, aber so ganz scheint er ihnen noch nicht zu trauen.

Er will arbeiten

Wie es dann weitergehen soll? Amer Kouli will die Familie nachholen, und dann schnell eine Arbeit finden, wie die anderen Syrer hier auch, viele darunter Ärzte, oder Ingenieure. „Ich will etwas für die Gesellschaft tun“, sagt Kouli. In Syrien war der Medizin-Ingenieur Unternehmer, hat Röntgengeräte und Dialyseprodukte aus Südkorea oder der Schweiz verkauft. „Ohne Arbeit kann ich nicht hierbleiben“, stellt er fest, eine Rückkehr nach Syrien indes komme auch nur infrage, wenn das Land befriedet sei. Die Aussichten sind also ungewiss, aber Amer Kouli will die Hoffnung nicht aufgeben.

Über die Notunterkunft in Rüthen, die von den Johannitern betreut wird, kann der Syrer im Übrigen nur das beste sagen. „Gut. Nein: Sehr gut“ sei es hier, in allen Bereichen. Die Menschen ungemein freundlich und sehr hilfsbereit, die Unterkunft und auch die Stadt sehr schön. Ich fühle mich hier wie zu Hause“, sagt Kouli. Wenn nur die Sache mit der Registrierung nicht wäre.