Werl.. Geiselgangster Dieter Degowski träumt nach fast 25 Jahren Haft von der Freiheit. 2013 läuft für ihn die “Schwere der Schuld“ ab. Dass der 55-jährige Geiselnehmer von Gladbeck dann freikommt, glaubt der Direktor der JVA Werl nicht. Er stellt dem 55-Jährigen ein verheerendes Zeugnis aus.

Schmal, Halbglatze, Bart, ausdruckslose Augen: Es gibt nur wenige Kriminelle, deren Gesicht man Jahrzehnte nach ihrer Tat noch wie am ersten Tag vor Augen hat. Dieter Degowski, einer der Geiselnehmer von Gladbeck, gehört dazu. Der 55-Jährige, der im August 1988 mit seinem Komplizen Hans-Jürgen Rösner ganz Deutschland in Atem hielt, sitzt in der JVA Werl ein - und träumt von seiner Entlassung. Nach 25 Jahren Haft läuft im kommenden Jahr die „Schwere der Schuld“ ab. Michael Skirl, der Werler Gefängnisdirektor, glaubt nicht, dass Degowski frei kommt. „Nicht 2013 . . .“

Skirl ist ein Mann, der mit seiner Meinung nicht hinterm Berg hält und zu dem die inflationär gebrauchte Tugendbezeichnung „Klare Kante zeigen“ tatsächlich passt. Wenn der 61-Jährige aber nach einem Interview, das er dem „Focus“ gegeben hat, Sätze wie „Degowski ist menschlich gesehen eine Null“ zu lesen bekommt, dann ärgert ihn das gewaltig. Der Journalist habe die Behauptung aus dem Kontext gerissen, berichtet er unserer Zeitung. „Gesagt habe ich es schon, aber wenn sie den Satz nicht in einen Zusammenhang stellen, dann bleibt ein menschenverachtendes Zerrbild übrig - und das war nicht in meinem Sinn.“ Ausgesprochen habe er es mit einem Brückenschlag zur Menschenwürde, die auch den schlimmsten Verbrechern nicht aberkannt werden dürfte und zum freiheitlichen Rechtsstaat, dessen Resozialisierungsgedanke ein zentraler Bestandteil der Demokratie sei.

Trotzdem steht Skirl zu dem, was der „Focus“ fragmentarisch aus dem Interview gebrochen habe. „Es ist meine ganz persönliche Einschätzung.“

Therapien nur angekratzt

Degowski, so Skirl, habe sämtliche Therapien „nur angekratzt“. Er bezeichnet den 55-jährigen Häftling als dissozial. Das Wort umschreibt gestörte Impulskontrolle, fehlende Schuldgefühle und das ignorieren sozialer Regeln. Der Geiselnehmer von Gladbeck, an dessen Händen das Blut zweier Menschen klebt, sei einer, der in Haft nur wehleidig vor sich hin vegetiere, der fast ausschließlich als Hofreiniger gearbeitet habe, weil er für andere Jobs nicht geeignet gewesen sei. Die Kochlehre habe man ihn nur wegen des Erfolgserlebnisses bestehen lassen. „Degowski ist nun mal wenig intelligent, ein klassischer Mitläufer“, berichtet Skirl. Daran habe sich auch hinter Gittern nichts geändert.

Degowski in Freiheit zu entlassen, mache nur Sinn, bringt es Skirl auf den Punkt, wenn man flankierende Maßnahmen ergreife. „Dazu zählt zum Beispiel die Unterbringung in einem Heim. An seine Seite gehört eine Führungsperson im positiven Sinne.“ Jemand, der ihm sage, was er zu tun und zu lassen habe. Die Frau, die sich als Zuschauerin beim Prozess in den Gangster verliebte und ihn heiratete, wird es nicht sein können: Sie ließ sich längst scheiden.

Ein Restrisiko bleibt

Von den vielen Gnadengesuchen, die Rolf Bossis Anwaltskanzlei laut Boulevardpresse an die Gnadenstelle des Landgerichts Essen verschickt hat, weiß der Werler Gefängnisdirektor nichts: „Meines Erachtens liegt kein einziges vor.“

Michael Skirl, dessen Buch „Wegsperren?!: Ein Gefängnisdirektor über Sinn und Unsinn der Sicherungsverwahrung“ druckfrisch in die Buchhandlungen geliefert worden ist, zieht eine eher düstere Prognose: „Degowski wird kein Gutmensch mehr und therapeutisch ist da nicht mehr viel Luft nach oben.“ Auch wenn er die Worte „Ich bitte um Gnade“ noch gerade so hinbekäme, geht Skirl nicht davon aus, dass der Verbrecher, der der 18-jährigen Geisel Silke Bischoff immer wieder vor Kameras seine Pistole gegen den Hals drückte, im nächsten Jahr auf freien Fuß kommt. „Aber er wird nicht mehr zehn Jahre in Haft sein.“ Wie bei vielen anderen Kriminellen, die ihre Strafe abgesessen haben, weiß Michael Skirl auf die Frage, ob Dieter Degowski erneut zu einer Gefahr für die Gesellschaft werden könnte, nur eine Antwort: „Ein Restrisiko bleibt.“