Ausgrabungsstätte in Schmerlecke ist eine Besichtungsreise wert
•
Lesezeit: 3 Minuten
Erwitte. . Wer Interesse an Geschichte, beziehungsweis an Archäologie hat, sollte am Sonntag (9. September) nach Erwitte-Schmerlecke fahren. Dort wird zum Tag des offenen Denkmals die eindrucksvolle Ausgrabungsanlage von zwei Großsteingräbern aus der späten Jungsteinzeit für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Führungen um 11 Uhr, 13 Uhr und um 15 Uhr geben einen Überblick über den Fundort und präsentieren zudem erste Forschungsergebnisse. Ein zusätzliches Schmankerl für die Besucher: Kleine Steinstücke der Grabanlage in Schmerlecke, die eigens auf einer Minihalde gesammelt worden sind, können als Souvenir kostenlos mitgenommen werden.
Dr. Kerstin Schierhold, leitende Archäologin der Ausgrabungsstelle, rechnet mit einem großen Ansturm: „Im vergangenen Jahr haben wir auch schon einen solchen Tag der offenen Tür gehabt, da kamen sage und schreibe mehr als 800 Besucher.“
Seit 2009 forscht das Archäologenteam des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe sowie der Universitäten von Münster und Göttingen, in der Soester Börde. In wenigen Wochen wird die letzte Grabungskampagne beendet und anschließend die Ackerfläche wieder eingeebnet. 28 000 Fundstücke konnten in den Großsteingräbern aus der späten Jungsteinzeit geborgen werden; überwiegend handelt es sich dabei um Knochenfunde.
Steinzeitgräber bei Schmerlecke entdeckt
1/23
Zahlreiche Grabbeilagen ausgebuddelt
Mehrere Jahrhunderte hinweg wurden die 20 und 25 Meter langen Gräber genutzt. 70 bis 150 Menschen wurden dort bestattet. Neben ihren Überresten konnten noch zahlreiche Grabbeigaben ausgebuddelt werden, so etwa Kupferschmuck, Pfeilspitzen, Tierzähne, Perlen, Beile und Äxte. Mittels DNA- und Isotopen-Analysen werden im Labor Verwandschaftsverhältnisse und die Herkunft der Begrabenen untersucht, denn Vieles, ja, das Meiste, liegt weiter im tiefen Dunkel der Geschichte.
Ungeklärt ist auch immer noch, wie die tonnenschweren Kalksteinplatten überhaupt ins heutige Schmerlecke gekommen sind. Dr. Schierhold: „Die nächsten Kalksteinvorkommen liegen mehrere Kilometer entfernt, aber wir wissen nicht, mit welchen Techniken die Menschen damals die entsprechende Strecke bewältigt haben.“
Steinzeitgräber wurden länger genutzt als der Kölner Dom
Auf ein weiteres, interessantes Detail verweist die Archäologin, die die Ausgrabungsstelle für eine der „ganz, ganz seltenen Möglichkeiten“ ausweist, Neues über die damalige Zeit zu erfahren: „Diese Gräber wurden immerhin länger genutzt, als der Kölner Dom alt ist. Das macht es für uns natürlich schwer, Ordnung in die jeweiligen Nutzungsphasen der Grabanlagen zu bringen. Die Bestattungen und Beigaben sind häufig durcheinandergeraten und können nur mit größtem Aufwand und neuester Technik mühsam rekonstruiert werden.“
Archäololgiestudenten haben bei Ausgrabungen mitgeholfen
20 bis 30 Archäologiestudenten haben bei den Grabungskampagnen jeweils über mehrere Monate vor Ort mitgeholfen. Mit Schaufeln und Eimern, Kellen und Pinseln haben sie sich millimeterweise durch die Schichten und somit durch die Epochen vorgearbeitet.
Dr. Kerstin Schierhold ist jedenfalls stolz auf ihre Mannschaft, die mit Feuereifer aber nie mit blinder Leidenschaft zu Werke gegangen ist. 50 Grabanlagen dieser Art sind in der hessisch-westfälischen Region bisher bekannt. Nur selten bestand und besteht aber die Gelegenheit, diese so umfassend zu untersuchen wie jetzt in Erwitte-Schmerlecke.
Ob denn Kerstin Schierhold nicht schon nachts von ihren Ausgrabungen und den Totenschädeln im Traum eingeholt werde? „Nein, dafür bin ich abends wohl immer einfach zu müde“, kommt die spontane Antwort. Die Zeitgenossen Ötzis, und um die handelt es sich ja, werden der Archäologin aber gewiss noch so manches Kopfzerbrechen bereiten.
Sie haben vermutlich einen Ad-Blocker aktiviert. Aus diesem Grund können die Funktionen des Podcast-Players eingeschränkt sein. Bitte deaktivieren Sie den Ad-Blocker,
um den Podcast hören zu können.