Warstein. . Der heutige Chefarzt des Warsteiner Krankenhauses Maria Hilf Lutz Humpert erzählt von der Legionellenkrise, Medienrummel und privater Belastung.
Eine Lungenentzündung mitten im August? Schon als der erste Patient vor fünf Jahren mit grippeähnlichen Symptomen ins Warsteiner Krankenhaus kam, war Lutz Humpert alarmiert. „Das war für den Sommer ungewöhnlich“, erinnert er sich. Und es blieb kein Einzelfall: Immer mehr Patienten mit ähnlichem Krankheitsbild suchten selbst die Notaufnahme auf oder wurden vom Rettungsdienst ins Krankenhaus gebracht, der jüngste gerade 27 Jahre jung. „So jemand bekommt nicht einfach so eine Lungenentzündung“, weiß der Mediziner.
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Für den Gastroenterologen begann damit die wohl anstrengendste Zeit seiner Berufslaufbahn: Am „Maria Hilf“ kämpfte er, wie sich später herausstellen sollte, gegen die größte durch Legionellen ausgelöste Erkrankungswelle der deutschen Geschichte – und wochenlang um viele Menschenleben.
Erweiterte Therapie
„Auf so eine Situation war ich nicht vorbereitet“, erzählt der heute 46-Jährige. „Da kann man auch gar nicht drauf vorbereitet sein, glaube ich.“ Als Oberarzt hatte er die Verantwortung, weil Chefarzt Dr. Rolf Cramer weit weg im Urlaub weilte.
Der Legionellen-Ausbruch in Warstein im Überblick
Ab dem 10. August 2013 häuften sich im Warsteiner Krankenhaus Fälle von schweren Lungenentzündungen, die später überwiegend als Symptome der Legionärskrankheit diagnostiziert wurden.
Insgesamt gab es 165 Erkrankte.
Drei Menschen starben an den Folgen der Erkrankung.
Die Ursache für den Legionellen-Ausbruch war wochenlang unklar, schlussendlich wurden die Bakterien auf die Verdunstungskühlanlage der Esser-Werke zurückgeführt, die ihr Kühlwasser aus der Wester aufgenommen hatten.
Dies wurde zuvor wiederum in der Warsteiner Kläranlage aufbereitet, die auch über einen Kanal zur Brauerei von dort aus verseuchtes Wasser zugeführt bekommen hatte.
In der Kläranlage selbst wurden erst Ende August erhöhte Legionellen-Werte gemessen, nachdem bei einer ersten Begehung am 22. August durch die zuständige Arbeitsgemeinschaft keine Sofortmaßnahmen ergriffen wurden.
Ein Verfahren nach einer Sammelklage von mehreren Erkrankten wurde 2014 eingestellt.
Tagelang versuchte der gebürtige Velmeder, der inzwischen in Brilon lebt, zum einen, die Patienten zu behandeln, zum anderen aber endlich die Ursache für die mysteriöse Erkrankungswelle herauszufinden. „Wir haben da zum Glück schon relativ früh auf eine erweiterte Therapie umgestellt“, erklärt Lutz Humpert. Daher seien viel weniger Menschen gestorben als bei vergleichbaren Fällen in der Vergangenheit. „Diese Therapie hat sich ausgezahlt.“
Unterstützung bei Medienrummel
Eine zusätzliche Belastung: der Medienrummel. „Ich war mitten bei der Arbeit und auf einmal stand der WDR vor der Tür“, blickt Lutz Humpert zurück. Später auch RTL und die Bild-Zeitung. „Das öffentliche Interesse war ja verständlich – gerade für die Warsteiner“, sagt er, „aber wenn sich das auf eine Person konzentriert hätte, wäre das schwierig geworden.“ Anästhesie-Chefarzt Thomas Schumacher sprang ein und nahm ihm insbesondere viel Medienarbeit ab.
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Erlösung kam erst auf, als nicht mehr so viele Patienten in die Notaufnahme kamen. „Solange jeden Tag zehn bis zwölf Menschen mit Lungenentzündung auftauchen, können Sie sich nicht entspannen.“ Nach Feierabend auf andere Gedanken kommen? In dieser Phase unmöglich.
Rückkühlwerk ausgeschaltet
Erst nachdem ein Rückkühlwerk als Verbreiter der Legionellen ausfindig gemacht und ausgeschaltet worden war, ging die Zahl der Erkrankungen zurück. „Und bei den verbliebenen Patienten ist die Heilung gut verlaufen“, spürte Lutz Humpert Erleichterung. Das Fazit am Ende: Von mehr als 150 Patienten waren drei durch die Legionellen ums Leben gekommen.
Kurze Dienstwege und breites Spektrum sprechen für Warstein
Polypen abtrennen, Gallensteine herausholen oder eine Darmspiegelung – als Gastroenterologe ist Lutz Humpert nicht nur Arzt, sondern ein Stück weit auch Handwerker. „Diese Mischung ist das Schöne an dem Beruf.“ Später einmal Arzt werden zu wollen, stand für ihn schon früh fest. Doch eine Stelle zu finden, war damals gar nicht so einfach. „Jeder zweite Satz, den ich zu hören bekam, war: Such dir ein Studium, mit dem du danach auch einen Job bekommst.“ Humpert hatte Glück, fand am Briloner Krankenhaus eine Anstellung, ausgerechnet im Bereich der Inneren Medizin, seinem Lieblingsgebiet. „Da kann man einfach vielen Patienten auf relativ einfache Weise helfen, das gibt einem Motivation.“
Seit 2006 arbeitet er in Warstein, seit vier Jahren als Chefarzt. Der Tag beginnt früh. „Meine Patienten müssen in aller Regel nüchtern sein“, erklärt er, „da macht es keinen Spaß, wenn die Untersuchung erst um 15 Uhr stattfindet.“ Nach dem „handwerklichen Part“ und der Visite stehen die Sprechstunden im Medizinischen Versorgungszentrum an.
Lutz Humpert schätzt das Leben auf dem Land – und die Arbeit in einem relativ kleinen Krankenhaus. „In einer Großstadt wäre ich vollkommen verloren“, erzählt er. Und an einem größeren Krankenhaus hätte er längst nicht die Möglichkeiten, die ihm am „Maria Hilf“ zur Verfügung stehen. „Ich arbeite stationär und ambulant, mit leichteren und schwereren Fällen“, schwärmt er. Und dass in einem Krankenhaus wie in Warstein der kurze Dienstweg zwischen Ärzten, Pflegern und anderen Beteiligten funktioniert, sei auch für die Patienten gut. „Das Gros der Erkrankungen lässt sich hier mindestens genauso gut behandeln wie an einer Uniklinik.“
An einen Patienten erinnert sich der Sauerländer, der kurz nach der Erkrankungswelle zum Chefarzt befördert wurde, besonders gut. „Der Mann musste sehr lange beatmet werden“, erzählt der Mediziner. „Es sah wirklich nicht gut für ihn aus.“ Doch sein Leben konnte gerettet werden, wenngleich eine lange Reha-Phase folgte. Im vergangenen Jahr kam der Patient zur Vorsorge-Darmspiegelung ins Krankenhaus, begab sich wieder in Lutz Humperts Hände. „Da war er in einem richtigen guten Zustand. Dass er sich so erholt, hätte ich damals echt nicht erwartet.“ Dennoch steht für Lutz Humpert fest: „Sowas reicht einmal im Leben.“
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