Rüthen. Fritz Dünschede und Marlen Hüske zeigen beim Zunftjubiläum der Schreiner und Zimmerer, wie früher im heimischen Wald Holz gerückt wurde.

  • 300-jähriges Zunftjubiläum der Schreiner und Zimmerer
  • Holzrücken wird auf Kirchwiese demonstriert
  • Galt früher als Mittel, um Holz aus dem Wald zu ziehen

Der Baumstamm, den der 18-jährige Marko ziehen soll, ist ein echtes Leichtgewicht. Vielleicht nicht für einen Menschen, der wohl schon Schwierigkeiten hätte, den etwa 150 Kilogramm schweren Stamm über eine längere Strecke zu bewegen. Aber für ein echtes Schwarzwälder Kaltblut ist so ein Stämmchen ein Klacks.

Munter trabt Marko mit wehender Mähne über den Feldweg, so dass Marlen Hüske, die das Kaltblut lenkt, selbst ganz schön Tempo machen muss. „Das Holzrücken ist eine schweißtreibende Arbeit für Mensch und Tier“, erzählt Fritz Dünschede aus Kneblinghausen, der selbst viele Jahre mit seiner Stute hauptberuflich im Wald Holz gerückt hat. „Am Tag läuft man schon einen Halbmarathon“, macht Dünschede deutlich, dass hier ganz schön Kondition gefragt ist.

Zusammen werden Marlen Hüske und Fritz Dünschede das Holzrücken beim 300-jährigen Zunftjubiläum der Schreiner und Zimmerleute auf der Kirchenwiese demonstrieren. Neben Marko wird dann auch sein Halbbruder Merlin mit dabei sein. „Ich hab immer Spaß an solchen Aktionen“, schmunzelt Marlen Hüske.

Marlen Hüske und ihr Schwarzwälder Kaltblüter: Das Pferd ist schon als Fohlen zu ihrer Familie gekommen.
Marlen Hüske und ihr Schwarzwälder Kaltblüter: Das Pferd ist schon als Fohlen zu ihrer Familie gekommen. © Tanja Frohne

Auch, wenn das Holzrücken für ihre Schwarzwälder Kaltblüter kein Neuland ist, hat sie in den letzten Wochen kräftig mit den Pferden geübt. „Mit Marko klappt das ganz gut, er ist ruhiger vom Gemüt her.“ Ihre beiden Schwarzwälder kennt sie ganz genau, schließlich sind sie als Fohlen zu ihrer Familie gekommen.

Willkommene Abwechslung

Holzrücken ist allerdings die Ausnahme, eigentlich dienen die Schwarzwälder Marlen Hüske vor allem als Kutschenpferde. Froh sei sie, dass die Jubiläumsfeier ihr die Gelegenheit biete, mal wieder etwas Besonderes mit den beiden Pferden zu machen. „Sonst rosten die ein“, lacht sie. Da kam der Kontakt mit Fritz Dünschede gerade recht.

Ganz andere Gewichte, als der kleine Stamm hat, mussten die Kaltblutpferde und Ochsen – „Mein Ur-Großvater war ein Fan von Ochsen“, so Dünschede – früher bewältigen. „Laubholz wiegt pro Kubikmeter eine Tonne, Nadelholz immerhin 700 bis 800 Kilogramm“, erläutert der Kneblinghauser.

Um das Gewicht von Nadelholz zu reduzieren, wurde es im Winter eingeschlagen und sofort geschält. „Durch Bauholz musste Märzluft gegangen sein“, erläutert der Rücke-Fachmann. „So lange blieb das Holz liegen.“ Und da das Holz geschält war, gab es keinen Borkenkäfer-Befall.

Belgier für den Wald zu mächtig

Fritz Dünschede befestigt den Baumstamm an der Zugstange. Je kürzer die Kette ist, je leichter fällt dem Pferd das Ziehen.
Fritz Dünschede befestigt den Baumstamm an der Zugstange. Je kürzer die Kette ist, je leichter fällt dem Pferd das Ziehen. © Tanja Frohne

Mit Hilfe der tierischen Zugkraft wurde das Holz aus dem Wald herausgezogen, also gerückt, und zu den hiesigen Sägewerken oder zum Holzverladebahnhof in Rüthen gebracht, von wo es etwa bis ins Ruhrgebiet transportiert wurde. „Das war bis in die 50er Jahre so“, erzählt Dünschede. Vor allem Westfälische Kaltblutpferde seien im hiesigen Raum zum Einsatz gekommen.

Für den Holztransport wurden hingegen oft Kaltblüter belgischen Ursprungs verwendet, die selbst etwa eine Tonne wogen. „Die waren für den Wald schon zu mächtig. Diese Kaliber kamen vor den Holzwagen.“ Die Rüthener Familien Wulf und Herbst (Köster-Wilmes) hätten am längsten solche Gespanne besessen. Bis der Holztransport ab Mitte der 50er Jahre motorisiert wurde. „Da die Schlepper noch nicht geländegängig waren, konnte sich die Rückung mit Pferden länger halten.“

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Mit der Entwicklung des Allradschleppers, der Fahrseilwinde und von Spezialschleppern mit Rückekränen wurde auch das Holzrücken Mitte der 70er Jahre voll mechanisiert und das Pferd aus dem Wald zurückgedrängt. „Einige Nischen sind für die Pferde allerdings noch vorhanden, meist in Kombination mit Maschinen“, so Dünschede. Etwa die Bündelung von Schwachholz und das Ziehen dünner Stämme bis an die Rückegasse, damit die Forstmaschine besser arbeiten kann. „Das ist noch effektiver als mit der Seilwinde“, erzählt der Kneblinghauser. „Das habe ich selbst noch bis 2002 gemacht.“

„Auch auf empfindlichen Böden hat das Pferd seine Berechtigung“, fügt Förster Andreas Goebel hinzu, der sich das Training anguckt. „Aber leider wird das Holzrücken mit Pferden heute kaum noch angeboten.“

Marko hat das Rücken auf jeden Fall Spaß gemacht. Und nach getaner Arbeit kann er sich mit Merlin getrost ausruhen und Butterblumen knabbern. Gar nicht so schlecht, so ein heutiges Kaltblüter-Leben.