Sundern. Das Jugendamt der Stadt soll mit anderen Jugendämtern im HSK über die Schaffung von Inobhutnahmeplätzen verhandeln

Immer wieder kommt es auch im Hochsauerlandkreis zu Fällen, bei denen Kinder und Jugendliche in absoluten Notsituationen durch das jeweils zuständige Jugendamt vorläufig untergebracht werden müssen. Im deutschen Rechtssystem spricht man an dieser Stelle von einer Inobhutnahme.

Um Inobhutnahme können Minderjährige selbst bitten oder es wird von Dritten (z.B. der Polizei, Betreuern) dem Jugendamt gemeldet. Die Inobhutnahme ist ein Verwaltungsakt. Letztlich steht die Entscheidung, ob eine minderjährige Person in Obhut genommen wird, allerdings allein dem Jugendamt zu, in dessen Zuständigkeitsbereich sich der Minderjährige tatsächlich aufhält.

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Nachdem bei den Fallzahlen der Inobhutnahme bereits im Jahr 2021 ein leichter Anstieg zu verzeichnen war, verstärkte sich diese Tendenz im Jahr 2022 deutlich. Das Statistische Bundesamt (Destatis) teilte hierzu mit, dass die Jugendämter in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2022 über 66.400 Kinder und Jugendliche zu ihrem Schutz vorübergehend in Obhut genommen haben. Im Vergleich zum Vorjahr stellt dies einen Anstieg von 40 Prozent, konkret 18.900 Fällen dar. Bereits im Jahr 2021 war ein Anstieg der Inobhutnahmen um 2100 Fälle, bzw. 5 Prozent zu verzeichnen. Maßgeblich für den Anstieg war in beiden Kalenderjahren ein wachsendes Aufkommen an unbegleitet eingereisten Minderjährigen aus dem Ausland (UMA). Während die Zahl der Inobhutnahmen dieses Personenkreises im Jahr 2021 lediglich um 3700 Fälle zugenommen hatte, stieg sie im Jahr 2022 um 17.300 Fälle.

Das Kreisjugendamt im HSK hat 2021 insgesamt 59 Inobhutnahmen plus sieben UMA verzeichnet, ein Jahr später waren es 65 Inobhutnahmen und neun UMA und bis Ende August dieses Jahres waren es bislang 50 Inobhutnahmen und sieben UMA. „Die Kosten der Unterbringung und Betreuung der UMA werden aus Bundes- und Landesmitteln übernommen“, heißt es aus dem Fachbereich Bildung des Hochsauerlandkreises.

Dringender Handlungsbedarf

Da der sogenannten Krisengruppe am Standort Olsberg zum 31. Dezember 2023 gekündigt wurde, gerät der Kreis nun unter Zugzwang. Für den HSK bestehe daher dringender Handlungsbedarf, für diese wegfallenden Inobhutnahmeplätze einen Ausgleich zu schaffen. Dieser Handlungsbedarf bestehe in gleicher Weise für die drei Stadtjugendämter, zu denen auch Sundern gehört, da die ad hoc Belegung in Inobhutnahmen immer schwieriger werde, heißt es in einer Vorlage des Kreisjugendhilfeausschusses im HSK, die unserer Redaktion vorliegt.

Insbesondere in Bereitschaftszeiten beispielsweise an Wochenenden sei eine Unterbringung und Betreuung ohne ein Vorhalten von Plätzen fast unmöglich und für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jugendamtes sehr belastend, wenn händeringend ein Träger mit freien Plätzen gefunden werden müsse. Auch aus pädagogischer Sicht sei die Situation für die betroffenen Kinder und Jugendlichen sehr belastend, wenn für die kurzfristige Belegung erhebliche Strecken zurückzulegen seien.

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Bisher wurden für lnobhutnahmen die Regelgruppen der stationären Einrichtung Marienfrieden des SKF genutzt. In Regelgruppen eingestreute Plätze seien aber nicht für alle Jugendlichen geeignete Lösungen und störten auch teilweise den Gruppenbetrieb. Daher müsse auch nach Maßgabe des Landesjugendamtes nach anderen Lösungen gesucht werden. Gleichzeitig sei aber nicht nur die Gestaltung dieser Plätze wichtig, sondern vielmehr auch die Erhöhung der Anzahl von Plätzen.

Jennifer Salzmann-Vogt ist Fachbereichsleiterin für Familie und Jugend bei der Stadt Sundern.
Jennifer Salzmann-Vogt ist Fachbereichsleiterin für Familie und Jugend bei der Stadt Sundern. © Eric Claßen

Bei einer Tagung der Jugendamtsleiterinnen und -leiter im HSK sei den Beteiligten deutlich geworden, dass dringender Handlungsbedarf in dieser Sache bestehe. Hieraus resultiere die Initiative, lnobhutnahmeplätze durch die Jugendämter der Städte Arnsberg, Schmallenberg, und Sundern sowie dem Jugendamt des Hochsauerlandkreises gemeinsam zu nutzen. Eine solche Poolbildung erhöhe die Verfügbarkeit und senke die Kosten, da die Anzahl der gemeinsam genutzten Plätze etwas geringer ausfallen könne als die Summe der Platzanforderungen der einzelnen Jugendämter.

Eine Lösung finden

Jennifer Salzmann-Vogt, Fachbereichsleiterin Familie und Jugend bei der Stadt Sundern begrüßt dieses Vorhaben. „Wir werden nun Gespräche mit allen Beteiligten führen, um eine Lösung zu finden“, erklärt sie. Zuvor hatte der Haupt- und Finanzausschuss einstimmig dafür gestimmt. Dass dies auch der Rat tun wird, gilt als Formsache.

Insgesamt betragen die Kosten für einen dieser Inobhutnahmeplätze derzeit rund 120.000 Euro pro Jahr. „In der Regel benötigen wir einen solchen Platz nicht das gesamte Jahr über, weshalb wir mit 0,4 Plätzen pro Jahr kalkulieren“, sagt Salzmann-Vogt. Dies entspreche nach derzeitigem Stand Kosten in Höhe von knapp 50.000 Euro. Das Jugendamt HSK meldet einen Bedarf von 3 Plätzen, die Stadt Arnsberg von 2,5 und das Jugendamt genauso wie Sundern von 0,4 Plätzen.

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Während bei stationären Plätzen kalkulatorisch mit einer möglichst hohen Auslastung gerechnet wird, sollen lnobhutnahmeplätze im Bedarfsfall verfügbar sein. Daher sind die lnobhutnahmeplätze, um die Versorgungspflicht im Bedarfsfall umsetzen zu können, günstiger Weise im Jahresverlauf häufig nicht besetzt. Nun müssen die Gesprächspartner einen öffentlich-rechtlichen Vertrag aushandeln. Auf dieser Grundlage soll eine Trägerausschreibung erfolgen. Bis Ende des Jahres soll die Vertragsgestaltung und Trägerausschreibung erfolgen, mit der Umsetzung des Vorhabens ist frühestens im Sommer 2024 zu rechnen.