Sundern. Antonius Becker ist Schöffe am Amtsgericht in Arnsberg. Der Hellefelder gewährt Einblicke in das Ehrenamt
Mit irgendwelchen Serien und Filmen, in denen es um Anwälte, Richter und Gerichtsprozesse geht, kann Antonius Becker so überhaupt nichts anfangen. „Nein, so etwas schaue ich mir nicht an.“
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Stattdessen ist der ehemalige Lokalpolitiker lieber im wirklichen Leben einmal im Monat vor Gericht anzutreffen. Genauer gesagt vor dem Amtsgericht in Arnsberg. Antonius Becker übt das Amt eines Schöffen aus. Nachdem er 2020 den Sunderner Stadtrat auf eigenen Wunsch verlassen hatte, wurde er von seiner ehemaligen Partei, den Grünen, für das Schöffenamt vorgeschlagen. „Anfangs war ich erstaunt, dass man mich vorgeschlagen hatte, weil ich auch zunächst gar nicht wusste, was mich erwarten würde“, gesteht Becker, der die Waldgärtnerei Odin in Hellefeld betreibt.
Sein Studium zum Sozialarbeiter habe ihm als Schöffe aber geholfen, das Verhalten von Menschen einzuschätzen und vor Gericht ihre Handlungen zu beurteilen, berichtet Antonius Becker. Beim Arnsberger Amtsgericht werden vor allem die etwas kleineren Delikte verhandelt. Körperverletzung und Drogen gehören zu den gängigsten Themen, die im Mittelpunkt der öffentlichen Prozesse stehen.
Ohne Vorurteil in den Prozess gehen
Ein solcher Prozess beginnt mit der Eröffnung der Hauptverhandlung, danach erfolgt die Beweisaufnahme. „Wir Schöffen haben das Recht, Zeugen und Angeklagte selbst zu befragen, um uns ein Urteil über den Sachverhalt zu bilden“, erklärt Becker. Eine Akteneinsicht vor Beginn eines Prozesses gibt es für die Schöffen übrigens nicht. „Bevor die Verhandlung beginnt, treffen wir uns beim Richter im Hinterzimmer, der uns in kurzen Worten den Sachverhalt erklärt. Wir sollen uns schließlich ohne großes Vorurteil ein Bild von der Angelegenheit machen“, sagt Antonius Becker.
Der 67-jährige Becker fungiert dabei allerdings nie als alleiniger Schöffe. Es gibt immer zwei Schöffen, die schließlich gemeinsam mit dem Richter ein Urteil fällen. Der Richter macht dabei Vorschläge, die im gesetzlichen Rahmen sind. „Doch wir sind alle drei gleich stimmberechtigt. So können wir Schöffen den Richter rein theoretisch auch überstimmen. Aber zumeist sind unsere Urteile deckungsgleich, sodass wir in der Regel übereinstimmen.“ Die Chemie zwischen den Beteiligten stimme, lobt der gebürtige Meinkenbrachter Becker. Das mache die Arbeit viel einfacher.
it der Zeit entstünde auch so etwas wie Routine bei den Abläufen der Prozesse. „Trotzdem ist jede Verhandlung auch irgendwie eine Wundertüte. Schließlich handelt es sich jedes Mal um Einzelschicksale, die dort im Mittelpunkt stehen. Und man möchte den Menschen natürlich auch gerecht werden.“
Verantwortungsvolle Aufgabe
Er selbst betrachte seine Rolle als Schöffe als eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe. „Schließlich können unsere Urteile auch den weiteren Werdegang eines Menschen maßgeblich beeinflussen“, so Becker. Nicht selten stünden auch Personen vor Gericht, die bereits in andere Delikte verwickelt waren. Bei manchen Kriminalfällen erlebe man auch eine gewisse Form von Hilflosigkeit. Bisweilen gebe es auch Verhandlungen, bei denen sich Verteidiger und Staatsanwalt gemeinsam mit dem Richter und den beiden Schöffen zurückzögen.
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Nach seiner Erfahrung, sagt Antonius Becker, sollten Schöffen über ein grundsätzlich positives Menschenbild verfügen, verantwortungsvoll mit dem Strafwerkzeug umgehen, über ausreichend Menschenkenntnis verfügen und auch bereits unterschiedliche Lebenswirklichkeiten kennengelernt haben. „Mir macht diese schwierige Aufgabe Spaß!“
Mehr zum Schöffenamt
Zur Schöffin oder zum Schöffen können nur deutsche Staatsangehörige gewählt werden. Gewählte Personen sind zur Übernahme des Amtes verpflichtet.
Das Schöffenamt ist ein Ehrenamt. Es gibt lediglich eine Aufwandsentschädigung für die Zeit vor Gericht.
Schöffinnen und Schöffen sind verpflichtet, an den Sitzungen, denen sie zugelost worden sind, teilzunehmen. Nur gewichtige Gründe wie eine ärztliche bescheinigte Verhandlungsunfähigkeit, können die Personen von der Teilnahme an Sitzungstagen entbinden.
Der Schöffe ist zur Unparteilichkeit verpflichtet und hat nach bestem Wissen und Gewissen zu urteilen. Er darf sich nicht von Emotionen, Zu- oder Abneigungen, von Presseberichten und dem Verhalten sonstiger Prozessbeteiligter beeinflussen. Fühlen sich Schöffen in ihrem Urteil gegenüber dem Angeklagten nicht völlig frei, so müssen sie dies mitteilen.