Sundern. Fast 20 Jahre hat Ellen das Sunderner Stadtbild in ihrem Kiosk geprägt. Wir blicken wehmütig mit ihr zurück. Und stellen den Nachfolger vor.
Noch einmal die Zeitungen richtig rücken, die der Wind durcheinander gewirbelt hat. Vor dem Kiosk nach dem Rechten sehen und mit den Stammkunden plauschen. „Ellen, machste mir noch eins?“, fragt einer von ihnen. Klar, macht sie noch eins. Ellen öffnet eine weitere Flasche kaltes Pils und reicht es dem Herrn durch Sunderns wohl kultigstes Kiosk-Fenster. Kunde zufrieden, Ellen zufrieden. Zwischen den beiden gibt es bereits eine Routine, das sieht man.
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Doch bei Ellen Braun schwingt in dieser Woche bei jedem verkauften Bier, jeder Zeitung, jedem Schokoriegel auch ganz viel Wehmut mit. Es ist eine Woche voller letzter Male gewesen. Denn nach 18 Jahren als Büdchen-Chefin, rund zehn davon im alten Bahnhofsgebäude in Sundern, geht die 70-Jährige in den wohlverdienten Ruhestand und gibt ihren Kiosk in vertrauensvolle Hände weiter.
Man ging zu Ellen, nicht zum Kiosk
Wie schwer der Abschied Ellen fällt, kann man nur erahnen. Während wir in Erinnerungen schwelgen, wird die Stimme oft dünner, die Augen werden feucht. Zu viele schöne Momente hat sie hier erlebt. In all den Jahren ist Ellen zu einer Institution geworden. Man geht nicht zum Kiosk, man geht halt zu Ellen. „Ich hab meine Kunden geliebt und ich glaube, die mich auch“, sagt sie.
Als gelernte Industriekauffrau hatte es Ellen in ihren Fünfzigern weg vom Schreibtisch und rein in den Kiosk, damals noch im Gebäude neben dem Sunderner Bahnhof, gezogen. Diesen Schritt habe sie „nicht einen Tag bereut“. Von früh bis spät stand sie meist im Laden, unterstützt haben sie ihre Kinder John und Nicole, vor allem in den Morgenstunden. Denn auch da war stets schon gut was los am Verkaufsfenster. „Bei mir gab es jeden Morgen frischen Kaffee und oft haben sich Bauarbeiter früh schon die Tageszeitung gekauft“, erzählt Ellen.
Harmonisch war es immer
Für die Kundinnen und Kunden, die am Nachmittag oder Abend ihr Feierabend-Bierchen bei ihr trinken wollten, hatte Ellen seit dem Umzug in den alten Sunderner Bahnhof sogar einen eigenen Raum. „Ich habe für abends ein kleines Stübchen eingerichtet, das war vor allem bei kalten Temperaturen und Regen sehr beliebt“, erklärt sie. Besonders stolz ist Ellen darauf, dass es in all den Jahren nie Ärger gab. Auch dann nicht, wenn es bei dem ein oder anderen nicht beim Feierabend-Bierchen blieb und es gesellig wurde. „Krach gab es nie. Es war immer harmonisch und rundum schön“, berichtet die 70-Jährige.
Gerne erinnert sie sich auch an die vielen kleinen Kundinnen und Kunden, für die sie ihre berühmten Schnuckertüten zusammengestellt hat. „Da wurde dann meist gesagt: Ellen, ich hätte gerne eine Tüte für ein, zwei oder drei Euro und die habe ich dann fertig gemacht. Für die Mädchen gab es dann immer eine rosa Schleife um die Tüte und für die Jungs blau oder auch mal grün.“
Mehr Zeit für die Enkelkinder
Dass sie immer die buntesten und leckersten Weingummis auf Lager hatte, war aber nicht nur für Sunderns Kinder ein Highlight, auch Ellens Enkel hatten schnell raus, was es in Omas Kiosk alles Tolles gab. Und die Familie durfte natürlich kostenlos schnuckern.
„Jetzt möchte ich aber auch außerhalb des Ladens mehr Zeit mit meinen Enkelkindern verbringen“, spricht die Kiosk-Besitzerin ihre Zukunft als Rentnerin an. „Und ein E-Bike möchte ich mir kaufen und mehr von der Natur hier im Sauerland sehen.“
Ab sofort „Gönis Kiosk“
Mit dem 1. Juli hat sie ihren geliebten Kiosk ganz offiziell an Kemal und Marion Gönulal übergeben. Das Mutter-Sohn-Gespann kannte Ellen bereits über ihren Sohn John und mit der Zeit war die Idee gereift, dass Kemal den Kiosk für seine Mutter übernimmt. „Ich freue mich unheimlich, dass ich so tolle Nachfolger gefunden habe“, sagt Ellen. Allerdings hegt sie auch noch kleinere Zweifel: „Hoffentlich kochen die genau so guten Kaffee für die Stammkunden.“
Kemal Gönulal verspricht Ellen, den Kiosk gemeinsam mit seiner Mutter in ihrem Sinne weiterzuführen und sich auch mit dem Kaffee größte Mühe zu geben.
Ein wenig Veränderung wird es aber künftig geben. „Wir werden das Sortiment um typische Einzelhandelsprodukte erweitern und es wird auch einen Lieferservice geben, den man über eine App bedienen kann. Außerdem werden wir ein veganes und allergikerfreundliches Softeis anbieten“, erklärt Kemal Gönulal.
Aber keine Sorge: Auch das typische Kiosk-Bier wird es weiterhin geben und auch der Verkauf durch das Kult-Fenster bleibt erhalten. „Es wird dann einen richtigen Eingang in den Laden geben, aber das Fenster bleibt ebenfalls. Das gehört einfach zum Stadtbild“, so Gönulal. Künftig heißt der Kiosk dann „Gönis Kiosk“.
Jugendtreff im Obergeschoss
Der 36-Jährige setzt aber nicht nur auf den Kiosk, den er hauptsächlich für seine Mutter pachtet. Im Obergeschoss des Bahnhofsgebäudes entsteht aktuell das „Café der Kultur“, ein Jugendtreff, der mit gemütlichen Sofas, Kicker-Tisch und Co. ausgestattet wird. „Das Konzept soll junge Menschen ab 18 Jahren ansprechen. Für diese Altersgruppe fehlt meiner Meinung nach ein Angebot in Sundern.“