Hagen/Burbach. . Bezirksregierung Arnsberg und Polizei sind fassungslos über Demütigungen der Flüchtlinge im Asylbewerberheim von Burbach. Viele erinnert das Vorgehen der Wachleute eines privaten Sicherheitsdienstes an die Vorkommnisse in Abu Ghraib erinnert

Sonntagmittag, 14 Uhr. Saal 132. Polizeipräsidium Hagen. Ein Pulk von Kameraleuten und Journalisten sammelt sich. Gespannte Stimmung. Was ist passiert in der Notunterkunft für Flüchtlinge in der ehemaligen Siegerlandkaserne in Burbach, Kreis Siegen-Wittgenstein? Der Zeitpunkt, um die Öffentlichkeit kurzfristig zu informieren, verheißt nichts Gutes.

Polizeipräsident Frank Richter rollt die Geschichte von hinten auf, spricht von zehn Einsätzen, die die Polizei seit dem 4. Februar vergangenen Jahres in der Unterkunft absolviert hat. Kleinere Delikte wie leichte Körperverletzung. Nicht mehr. Und nähert sich dem Handy-Foto, das einem Journalisten zugespielt worden ist. Zwei Männer eines privaten Sicherheitsdienstes posieren mit einem gefesselten jungen Mann aus Algerien.

Wehrlos auf dem Rücken

Wehrlos liegt er auf dem Bauch, die Hände auf dem Rücken. Einer der Wachleute drückt ihm seinen rechten Fuß in den Nacken. Beide grinsen über das ganze Gesicht. Die Aufnahme muss zwischen dem 10. und dem 15. September entstanden sein. Sie wird einem Journalisten zugespielt, der sich mit der Polizei in Verbindung setzt. Das war am vergangenen Freitag - und ruft eine 15-köpfige Ermittlungskommission von Staatsschutz und Kripo auf den Plan. Frank Richter: „Das Foto hat mich sehr betroffen gemacht.“

Nicht nur er fühlt sich an die Folteraffäre Abu-Ghraib aus dem April 2004 erinnert. Es ist der Zeitpunkt, als der Fernsehsender CBS über Folter, Missbrauch und Erniedrigungen von Gefangenen durch US-amerikanischen Soldaten im Irak-Krieg berichtet. Vor der eigenen Haustür spielen sich für viele unvorstellbare Szenen in der Notunterkunft ab. Ein 12 bis 15 Sekunden dauerndes Video bekommen die Journalisten aus ermittlungstaktischen Gründen nicht zu Gesicht. Der Polizeipräsident beschreibt den Inhalt. Ein Flüchtling wird aufgefordert, sich auf eine Matratze mit Erbrochenem zu legen und bekommt von zwei Wachleuten eine deutliche Ansage: „Du legst dich auf die Matratze, sonst gibt es noch was.“ Richter ist sich sicher: „Mit noch was sind Schläge gemeint. Offenbar hat es schon was gegeben.“ Das Video fällt nach Angaben der Ermittler in die Zeit zwischen April und Juni.

Einen ausländerfeindlichen Hintergrund sieht Oberstaatsanwalt Johannes Daheim aus Siegen nicht: „Es gibt keine Anhaltspunkte für rechte Tatmotive.“ Die Polizei reagiert schnell, macht die Beschuldigten namhaft, erwirkt Durchsuchungsbeschlüsse für die Wohnungen der Tatverdächtigen und stellt Schlagstöcke sicher.

Vier Wachleute sollen für die Taten verantwortlich sein, zwei haben Geständnisse abgelegt. Haftbefehle sind nicht erlassen worden. Warum? Daheim: „Es gibt keine Verdunkelungsgefahr und auch keine Fluchtgefahr.“ Die Polizei geht von mindestens drei weiteren Delikten aus. Zu einer möglichen Dunkelziffer gibt es keine Angaben. Nur so viel. Kriminalrat Mathias Stascheit: „Wir haben aktuell 96 Befragungen durchgeführt und ermitteln in fünf weiteren Fällen.“

Die für die Flüchtlinge zuständige Bezirksregierung reagiert prompt auf die Vorkommnisse und entbindet den Sicherheitsdienst von seinen Aufgaben. Regierungspräsident Gerd Bollermann stehen die Geschehnisse der vergangenen Tage ins Gesicht geschrieben, schließlich trägt Arnsberg die Verantwortung für Organisation und Unterbringung der Flüchtlinge in Nordrhein-Westfalen. Er ist fassungslos über die Übergriffe der Wachleute: „Ich verurteile dies ganz entschieden.“

Zustrom nicht kalkulierbar

Und er will dafür sorgen, so etwas für immer zu unterbinden. Wie nach und nach durchsickert, waren die Wachleute des privaten Sicherheitsdienstes bei der Polizei gut bekannt. Die Liste ihrer Delikte: Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz und Körperverletzung. Und Bollermann sagt unmissverständlich: „Wer Kriminelle beschäftigt, fliegt raus.“ Im Zentrum der Kritik steht die Betreuungsorganisation European Homecare, die neben dem Standort Burbach fünf weitere Flüchtlingsunterkünfte in Nordrhein-Westfalen betreibt. Ihre Pressesprecherin Renate Walkenhorst sagt in einem WDR-Bericht der Sendung Westpol gestern Abend auf die Frage, ob die vorgeschriebenen Standards und der vorgegebene Personalschlüssel im Moment eingehalten würden: „Nein. Klares Nein. In dieser Notsituation können wir das nicht.“

Das bestätigt auch Volker Milk, Regierungsvizepräsident in Arnsberg indirekt: „Priorität hat für uns die Vermeidung von Obdachlosigkeit. Jedes Wochenende kommen in Dortmund 300 bis 400 Menschen an. Täglich sind es 100 bis 200. Der Zustrom ist nicht kalkulierbar.“