Siegen. . Forscher der Universität Siegen entwickeln technische Erkennungssysteme, machen sich aber auch Gedanken über die ethische Dimension der Überwachung. Wie lässt sich ein gesuchter Verbrecher aus einer Menschenmenge herausfischen, ohne dass ständig falsche Verdächtige belästigt werden?

Was in Science-Fiction-Filmen locker flutscht, macht in der Realität noch Probleme: Wie kann Sensortechnik unter der Kleidung getragenen Sprengstoff erkennen, ohne dass der Überprüfte dazu stillstehen muss? Wie lässt sich ein gesuchter Verbrecher mit einem Gesichtserkennungssystem aus einer Menschenmenge herausfischen, ohne dass ständig falsche Verdächtige belästigt werden? Mit solchen Fragen beschäftigen sich nicht nur Google, Microsoft & Co., sondern auch Forscher an der Uni Siegen.

Die haben im Vergleich mit dem großen Rest der weltweit tätigen Wissenschaftsgemeinde einen wichtigen Vorteil: Für sie ist der Zwiespalt zwischen Sicherheitsanforderungen und Schutz der Privatsphäre ein wichtiges Thema. „Der ethische Gesichtspunkt ist von enormer Bedeutung für uns“, erklärt Prof. Andreas Kolb, Sprecher des Graduiertenkollegs „Imagining New Modalities“. Die forschenden Doktoranden aus verschiedenen Fachgebieten besuchen deshalb im Rahmen ihrer Ausbildung auch Ethikseminare.

Studentent für gesellschaftliche Fragestellungen sensibilisieren

„Es geht darum, die Studenten für gesellschaftliche Fragestellungen, für die Abwägung von Nutzen und Schaden zu sensibilisieren“, sagt Prof. Volker Blanz. Der Medieninformatiker selbst arbeitet an Verfahren, die mittels 3D-Modellen das Gesicht einer Person erkennen, auch wenn sie nur teilweise zu sehen ist. Totale Überwachung? „Mir ist wichtig, dass der gesellschaftliche Diskurs stattfindet, dass wir diskutieren, was wir wollen und was nicht, wer Zugriff auf welche Daten hat. Am Flughafen ist so ein Erkennungssystem kein Problem – im Privatleben schon.“

Doch erst muss ein System pannensicher funktionieren. „Da ist noch viel Platz für die Forschung“, meint Blanz. In Siegen verlegt man sich auf die Kombination sensorischer Informationsquellen, auf Verbindungen zwischen Terahertz- und Tiefensensorik, Infrarot und Multispektralkameras sowie Radar. Das betrifft nicht nur die Kamera-Entwicklung, sondern auch die statistische Auswertung der Daten, die Mustererkennung. „Computer haben immer noch Schwierigkeiten festzustellen, was ein Gesicht ist oder eine Waffe“, sagt Volker Blanz.

Forschung läuft in verschiedene Richtungen

Für Andreas Kolb ist die öffentliche Finanzierung der Grundlagenforschung besonders wichtig: „Es gibt niemanden, der Entwicklungsziele vorgibt oder Ergebnisse verschweigt, wir verkaufen unsere Forschung nicht.“ Und arbeiten doch an so Projekten wie dem sogenannten Nacktscanner? Das ist für die Siegener Wissenschaftler ein Pseudoskandal von gestern. „Die Forschung läuft in verschiedene Richtungen“, berichtet Kolb. „Es werden auch Systeme entwickelt, die gerade nicht so viel wahrnehmen können, nur das Nötigste.“ Nicht alle Konflikte seien aber lösbar. Seine Vorstellung ist deshalb, dass die Technikfolgenforschung nicht nur rückblickend erfolgt, sondern dass sie Modelle entwickelt, um sich mit der aktuellen Forschung zu vernetzen.