Siegen. . Horst Hippler, Präsident der Deutschen Rektorenkonferenz (HRK), kritisiert das Bachelor-/Mastersystem. Das Studium sei in weiten Teilen mittlerweile mehr Ausbildung als Aneignung von Bildung. Darüber sprach unsere Zeitung mit Prof. Dr. Holger Burckhart, Rektor der Universität Siegen.

Stimmen Sie Ihrem Kollegen Horst Hippler zu?

Bachelor/Master ist ein Prozess, der einer kontinuierlichen Diskussion, Evaluation und Weiterentwicklung bedarf. Insofern ist es gut, dass dieser Prozess weiterhin kritisch begleitet wird, ohne dass wir jetzt gleich wieder in Streiks und Demonstrationen verfallen, sondern versuchen, auf der kommunikativen Ebene zu diskutieren. Die Wellen von Demonstrationen und Streiks der Studierenden hatten ihre Berechtigung. Das habe ich auch immer so kommuniziert, aber ich denke, wir haben die wesentlichen technischen Mängel identifiziert. Nicht behoben, aber identifiziert. Als da sind: Internationalisierungsfragen, Prüfungsbelastungen, Anwesenheitspflichten. Jetzt stellen sich zwei Fragen. Nämlich die Frage, die Kollege Hippler angeschnitten hat: Auf welches Bildungsideal kann eigentlich ein Bologna-basiertes Studienmodell hinauslaufen? Ist es noch Bildung, oder ist es Ausbildung und damit Reproduzierung von Wissen?

Davon abzuheben ist die technische Frage: Wie setze ich die Bachelor-/Masterstruktur um?

Diese beiden Dinge müssen wir noch diskutieren.

Bildung oder Ausbildung? Was ist ein Studium denn jetzt?

Es war schon immer so, dass wir beide Lern- und Lehrtypen gehabt haben. Ausbildung war immer dann, wenn wir einen sehr stark berufszentrierten Studiengang hatten. Juristen und Mediziner etwa sind klare berufsspezifische Studiengänge. Die hatten schon immer einen hohen Ausbildungsanteil. Aber wir sollten den Bildungsanteil nie vergessen. Ein Philosophikum etwa, wie es dies früher gab – also einmal über die Gesamtheit der Wissenschaften reflektieren – ist absolut notwendig und wichtig.

Kultur-, Sozial-, oder Geisteswissenschaften sind nach ihrer Argumentation also ungeeignet, um in Form des Bachelors gelehrt zu werden?

Ich bin ja von Haus aus Philosoph. Wenn ich versuche, den alten Magisterstudiengang in kleine Häppchen à vier Credits zu verteilen und dann noch mal vier und noch mal vier usw., dann zerstückle ich die Ganzheit der Idee, die hinter dem Fach liegt. Das ist aber ein Webfehler der einzelnen Universitäten, wie sie etwa den Studiengang Philosophie auf Bachelor umgestellt haben – nämlich indem sie hingegangen sind und den Bedürfnissen eines jeden Kollegen folgend, schöne kleine Module gemacht haben, für die dann Kollege A zuständig ist und für das andere Kollege B.. Sie haben also statt Sinneinheiten personenzentrierte Einheiten geschaffen. Das zerstört die Gesamtheit, in der der Studierende früher gewesen ist. Und das muss korrigiert werden. Das ist eines der technischen Probleme, die wir bislang nicht gelöst haben, die wir angehen müssen.

Viele kleine Module bedeuten viele Prüfungen. Kennen Sie den Begriff Bulimie-Lernen?

Ja, den kenne ich.

Können Sie ihn erklären?

Das Bulimie-Lernen bedeutet, dass ich lerne, lerne, lerne und im Grunde dabei das Ganze vergesse. Ich reduziere mich immer weiter auf diesen einen Punkt, auf das Bestehen der Prüfung. Das endet letztlich darin, dass Studierende sich vom eigentlichen Lernen ganz abwenden und nur noch reproduzieren um durchzukommen, um zu überleben. Oder aber sich vom Studium ganz abwenden.