Siegen. 800-jähriges Bestehen feiert Siegen im Jahr 2024. Wenn das kein Anlass für eine bundesdeutsche Ehrung ist - selten und ziemlich edel.
Das goldene Krönchen und den Merian-Stich aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in grün – das ist das Bild auf der 100-Cent-Briefmarke, die am 4. April erscheint und die 800-Jahr-Feier der Stadt Siegen würdigt.
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So entstand das Siegen-Motiv
Mit der Aufgabe, die Sonderbriefmarke zum Siegener Stadtjubiläum zu entwerfen, beauftragte der Kunstbeirat beim Bundesfinanzministerium sechs Personen oder Teams aus dem Designerpool. Zu den Auserwählten zählte auch das Team Marcus Chwalczyk/Katrin Gamerschlag. Dabei waren ihnen drei verschiedene Entwürfe erlaubt. Da es keine bestimmten Vorgaben für die Gestaltung des Briefmarkenmotivs gab, reichten sie auch alle drei möglichen Entwürfe ein, von denen zwei von Marcus Chwalczyk stammten.
Bei seinen hierfür unternommenen Internet-Recherchen stellte Marcus Chwalczyk schnell fest, wie allgegenwärtig das Krönchen im Zusammenhang mit der Stadt Siegen ist. Dabei wurde er auch auf den Kupferstich von Matthäus Merian dem Älteren (1593-1650), der Siegen zu Beginn des 17. Jahrhunderts zeigt, und auf die Bezeichnung „grünste Großstadt Deutschlands“ aufmerksam. Dies symbolisierte er durch die grüne Farbgebung der übernommenen Merian-Stadtansicht auf seinem später für die Sonderbriefmarke ausgewählten Entwurf. In mehreren Arbeitsschritten ist die Darstellung des vergoldeten Krönchens entstanden. Dieses weist eine auf das Wesentliche reduzierte Gestalt, aber gleichwohl einen hohen Wiedererkennungswert auf. Merian konnte das Krönchen ja noch nicht auf der Nikolaikirche abbilden, da der 1652 in den Reichsfürstenstand erhobene Johann Moritz (1604-1679) dieses heutige Wahrzeichen der Stadt Siegen erst im Jahr 1658 als Zierde der Kirchturmspitze und Symbol seiner politischen Bedeutung gestiftet hatte.
Marcus Chwalczyk
Geboren ist Marcus Chwalczyk 1975 in Mülheim/Ruhr, wo er auch heute noch wohnt. Mit dem Fachabitur für Gestaltung in der Tasche studierte er „Visuelle Kommunikation“ an der Fachhochschule Niederrhein in Krefeld. Sein Studium schloss er Ende 2001 als Diplom-Designer (FH) mit Verleihung des Senatspreises der Fachhochschule Niederrhein ab. Weitere Auszeichnungen, wie der Red Dot Communication Award vom Designzentrum NRW oder der Merit Award vom Art Directors Club New York, kamen in den folgenden Jahren hinzu.
2006 wurde Marcus Chwalczyk nach einer gemeinsamen Bewerbung zusammen mit Katrin Gamerschlag neu in den Designerpool des Bundesministeriums für Finanzen für Ausschreibungen zu Postwertzeichen aufgenommen. Hier kümmern sich derzeit etwa 100 GrafikerInnen um die Gestaltung der deutschen Briefmarken. Als freier Mitarbeiter ist Marcus Chwalczyk auf selbständiger Basis für verschiedene Unternehmen, Design- und Werbeagenturen als Kommunikationsdesigner und Artdirector freiberuflich tätig und wird von diesen innerhalb der Bandbreite der visuellen Kommunikation projektbezogen engagiert.
Seinen nicht realisierten Alternativentwurf beschreibt Marcus Chwalczyk so: „Zentrales Motiv bildet ein Detail aus der Krone der Nikolaikirche, welches die historisch vorhandenen Formen in ungewohnter Weise in den Fokus stellt. Die in der Krone mehrfach auftauchende Herzform untermalt wunderbar die Einladung, die Stadt im Jubiläumsjahr genauer unter die Lupe zu nehmen und zu entdecken. Unterstützt durch die großzügige, angeschnittene Typografie wird der Ausschnitt stärker betont, weckt Neugierde und lässt Spielraum für mehr. Im Kontrast zu den geschwungenen Formen der Krone wird so der historische Bogen bis in die Gegenwart gespannt. Darüber hinaus wirken die vergrößerten Kroneninnenräume wie ein Fenster, das auch einen Blick in die Zukunft bereithalten kann.“
Erst nach der Entscheidung für Chwalczyks auf dem Merian-Kupferstich beruhenden Entwurf wurde der edle Stahlstich-Tiefdruck als inzwischen nur noch sehr selten angewandtes Herstellungsverfahren für die Siegen-Briefmarke festgelegt. Die Festlegung des Briefmarken-Werts auf 100 Cent schließlich fiel erst kurz vor der Veröffentlichung des ausführlichen Ausgabeprogramms der nassklebenden Sonderbriefmarken des Jahrgangs 2024. 100 Cent entsprechen derzeit dem Porto für einen inländischen Kompaktbrief bis 50 Gramm Gewicht. Auch die Ersttagsstempel aus Berlin und Bonn wurden von Marcus Chwalczyk entworfen. Da diese nicht motivgleich sein dürfen, hatte er die Idee, die beiden Siegener Symbolfiguren als Stempelmotive auszuwählen. Und so werden Bergmann „Henner“ (Berlin) und Hüttenmann Frieder (Bonn) schon bald von zahlreichen Ersttagsbriefen grüßen.
So kommt Siegen zur Briefmarke
Mit hochoffiziellem Schreiben vom 6. Mai 2022 beantragte Bürgermeister Steffen Mues beim zuständigen Referat des Bundesfinanzministeriums die Herausgabe einer Gedenkmünze und einer Sonderbriefmarke zum Jubiläum „800 Jahre Stadt Siegen“ im Jahr 2024. Dies geschah auf Anregung und mit Unterstützung der Arbeitsgemeinschaft der südwestfälischen Briefmarkensammlervereine. Aktiv wurde das Bewerbungsverfahren auch in den folgenden Monaten von deren Vorsitzendem Thilo Nagler begleitet.
Die Bevölkerung spielt bei der Themenfindung eine wichtige Rolle, denn neben Verbänden oder Kommunen können auch Privatpersonen mit einer kurzen Begründung Briefmarkenthemen vorschlagen. Jedes Jahr kommen so rund 500 Anregungen zusammen. Etwa die Hälfte der Themen werden aber bereits durch von der Deutschen Post AG festgelegte laufende Serien wie „Beliebte Haustiere“ oder „Superhelden“ vordefiniert. Der Bundesminister der Finanzen entscheidet, welche weiteren Themen in Briefmarken-Motive umgesetzt werden. Er wird dabei von einem Expertengremium unterstützt, dem Programmbeirat, der derzeit aus 13 Personen besteht. Der Programmbeirat beim erörtert in seinen Sitzungen alle Vorschläge und empfiehlt, zu welchen Themen oder Anlässen eine Sonderbriefmarke erscheinen soll. Diesem unabhängigen Gremium gehören unter anderem auch Mitglieder des Deutschen Bundestages an, die alle Anregungen gegeneinander abwägen und zu einem ausgewogenen Programm zusammenstellen. Im November 2022 entschied sich der Programmbeirat für die Herausgabe eines Sonderpostwertzeichens zum Jubiläum „800 Jahre Stadt Siegen“.
Anschließend tagte ein weiteres Expertengremium, der Kunstbeirat. Wie der Programmbeirat setzt er sich ebenfalls aus PolitikerInnen, Fachleuten aus der Verwaltung, Grafiker, Briefmarkensammler sowie Vertreter der Post zusammen. Weil die Kritik an der Gestaltung der Briefmarken in der noch jungen Bundesrepublik überhandnahm, wurde der Kunstbeirat bereits 1954 erstmals einberufen.
Laut Postgesetz ist allein das Bundesministerium der Finanzen (BMF) befugt, Postwertzeichen mit dem Aufdruck „Deutschland“ herauszugeben. Auch in diesem Jahr ergibt das wieder 52 Sonderbriefmarken.
So macht die Siegen-Marke Karriere
Am 14. März findet für geladene Gäste in der Krombacher Lounge der Siegerlandhalle die feierliche Präsentation des Sonderpostwertzeichens „800 Jahre Stadt Siegen“ statt. Anwesend sein wird auch Marcus Chwalczyk. Für ihn ist es sein erster Entwurf für eine deutsche Sonderbriefmarke, der anschließend auch verwirklicht wird.
Drei Wochen später, am 4. April, wird die Marke erstmals an den Schaltern der Deutschen Post verkauft. Nur zwei Tage später findet bei freiem Eintritt am 6. April im Leonhard-Gläser-Saal der Siegerlandhalle die traditionelle Südwestfalenbörse für Briefmarken, Münzen, Ansichtskarten und Varia statt. Während dieser Großveranstaltung, die erneut unter der Schirmherrschaft von Bürgermeister Steffen Mues steht, wird diese Briefmarke wohl im Mittelpunkt des Kaufinteresses stehen. Einen auf das Stadtjubiläum hinweisenden Sonderstempel wird es dort am Stand des Event-Teams der Deutschen Post ebenfalls geben. Dieser zeigt die vor 120 Jahren eingeweihte Siegener Synagoge.
Durch ihr ansprechendes Erscheinungsbild wird die Siegen-Briefmarke womöglich auch zu den Favoriten bei der Wahl der schönsten deutschen Briefmarke des Jahres 2024 gehören. Bis zum Ende des Jubiläumsjahres wird sie als zackige Werbebotschafterin im Kleinformat bestimmt erheblich dazu beigetragen haben, die Bekanntheit Siegens weit über die Grenzen des Siegerlandes hinaus zu steigern.
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