Siegen. Chöre, Orchester, Band, Solisten, Tänzerin: Die Bühne der Siegerlandhalle ist so voll wie der Saal mit 2000 Gästen. Ein Höhepunkt im Advent.

Mancher Kulturfreund fragt sich bei dem Angebot von vorweihnachtlichen Veranstaltungen in diesem Jahr, wofür er sich entscheiden soll: Für Klassik, Gospels, einen großen Chor, kleine, feine kammermusikalische Duette oder einen A-cappella-Genuss, für einen Mitsing-Abend oder Jazz? Vielleicht sogar Lesungen oder Ballett. Die etwa 2 000 Besucher in der nahezu ausverkauften Siegerlandhalle haben es richtig gemacht: Sie haben sich für „Christmas with Friends“ entschieden und hatten damit alles. Und das auf höchstem Niveau mit dem Besten, was die Region zu bieten hat.

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Schon der Einstieg in den langen, spannenden Musikabend schafft große Emotionen: Das klangvolle Leitmotiv aus „Gladiator“, vom Meisterkoch der Filmmusik Hans Zimmer komponiert. Wahrhaft großes Kino, große Klänge der Chöre, des Orchesters und der Band mit Solostimmen zu kombinieren. Und sie legen die Qualitäts-Messlatte gleich danach so richtig hoch. Mit „Stand by me“, jenen gefühlvollen Pop-Klassiker, der auch nach Jahrzehnten noch die Herzen der Musikfreunde erwärmt. Und um es gleich auf den Punkt zu bringen: Alle am Konzert Beteiligten überspringen diese Messlatte locker. Zumindest meistens.

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Vom Bach-Chor zu Grönemeyer

Gleich drei Chöre sind auf der großen Bühne platziert, dazu mit den Instrumentalisten des Bach-Orchesters ein Klassik-Ensemble, eine achtköpfige Band der Crossover-Initiative Freudenberg mit musikalischen Hochkarätern, von der heimischen Gitarristen-Größe Wolfgang Ponwitz zusammengestellt, und elf Solistinnen und Solisten. So funktioniert das Programm ohne Umbau-Pausen. Denn kein Titel gleicht dem vorherigen oder dem folgenden.

Ständig wechseln die Chöre, die Solisten, die Musiker und ein Höhepunkt jagt den nächsten. Gerade ist das stimmungsvolle „Bleib bei mir, Herr“ des Bach-Chores verklungen, schließt sich Herbert Grönemeyers „Der Weg“ nahtlos an, mit dem kleinen Unterschied zum Original, dass man den Text tatsächlich verstehen kann. Auf das großartige „Flashlight“ der Unterstufen-Kinder des Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasiums Neunkirchen unter der Leitung von Ines Kötting folgt vom Bach-Chor Händels „Tochter Zion“ in einem Arrangement von Peter Scholl. An ein zartes englisches Lied aus dem 18. Jahrhundert, arrangiert und an der Gitarre begleitet von Wolfgang Ponwitz folgt ein Prelude von Johann Sebastian Bach.

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Bach-Orchester mit Pop und Klassik

Das 20-köpfige Bach-Orchester, darunter einige bekannte Musiker der Philharmonie Südwestfalen, hat an diesem Abend die anspruchsvolle Aufgabe, neben ihrem angestammten Klassik-Repertoire auch Titel aus der Welt des Pop zu begleiten, etwa Sarah Connors Ballade „Wie schön du bist“. Die Dritten im Bunde der Chöre: „Encantada“, das Frauenensemble aus Neunkirchen, unter der Leitung von Kristin Knautz. Viele Titel singen sie gemeinsam mit dem Bach-Chor. Ihren musikalischen Mut und ganze Qualität, die sie zu einem der besten Chöre Deutschlands gemacht haben, zeigen sie bei „Herbei o ihr Gläub`gen“ in einem äußerst anspruchsvollen schwedischen Arrangement. Und die Chorleiterin selbst brilliert als Solistin: Wohltuend zurückhaltend, mit glasklarer Stimme.

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Die ganze Vielfalt des Abends wird durch eine Tänzerin der Ballettschule Reindt und drei Meister der Worte komplettiert: Jörn Heller mit seiner witzig-ironischen Lyrik; außerdem Thomas Stuberg, Superintendent des evangelischen Kirchenkreises Siegen-Wittgenstein. Der bekennt: „Ich tanze nicht, ich singe nicht, ich freue mich mit Euch.“ Und als Moderatorin Anne Willmes, eine Sauerländerin, die mit ihrer Familie im Siegerland wohnt und für den WDR in Köln arbeitet. Bei der Vielfalt eines über dreistündigen Konzerts den Überblick zu behalten, alle Beteiligten humorvoll-informativ anzusagen: Sie ist an diesem Abend die richtige Frau am richtigen Platz.

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Beethoven, Michael Jackson und ein Klangwunder

Höhepunkte eines solch langen, vielfältigen Konzerts zu nennen? Scheinbar ein Ding der Unmöglichkeit. Doch es gibt sie: „Will you be there“, eine Kombination aus Beethovens 9. Sinfonie und Michael Jackson. Ein Klangwunder aus den Kehlen aller drei Chöre, aller Solisten und aller Musiker. Natürlich das „Halleluja“, der Klassik-Blockbuster von Händel. Die größte Überraschung: „Heast as net“. Ein hinreißendes Jodlerinnen-Duett in der Sprache der Alpenbewohner, begleitet von der Band, einschließlich der Steirischen Harmonika und eingeleitet von vier Freudenberger Alphornbläsern. Schade, dass ein Titel so überhaupt nicht funktioniert: „Oh holy Night“, welches die staunende Freude über die Geburt von Jesus beschreibt. Die Wirkung des Liedes hätte gewonnen, wenn die Solistinnen zurückhaltender agiert und mehr aufeinander gehört hätten.

Die größte Verbeugung gebührt Peter Scholl, dem Leiter des Bach-Chors Siegen und des Bach-Orchesters, der das Projekt „Christmas with Friends“ entwickelt und als Dirigent mit beeindruckender Souveränität alles im Griff hat.

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