Siegen. Das Schauspielhaus Bochum zeigt im Siegener Apollo Sehenden, wie die Welt der Blinden aussieht. Ein beeindruckendes Unterfangen.
Absolute Dunkelheit im Apollo. Nur die Notbeleuchtung für die Fluchtwege spendet spärliches Licht. Für einige Zeit sind alle im Theatersaal blind. Man hört die Gespräche auf der Bühne hinter dem Gazevorhang. Thema ist eine Geburtstagsfeier, zu der Gäste erwartet werden, auch Menschen ohne Sehkraft. Eine Stimme aus dem Off scheint einigen Theaterbesuchern aus der Seele zu sprechen: „Jeder im Saal spürt den Sessel, auf dem er sitzt und auch die Lehnen. Man nimmt den Körpergeruch auf der linken und den frischen Duft eines Parfüms auf der rechten Seite wahr“. Was passt dazu besser als Simon and Garfunkels unsterblicher Hit: „Sound of Silence“.
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Blinde und Sehende auf der Apollo-Bühne
Das Schauspielhaus Bochum, seit Jahren ein gern gesehener, mit einigen Inszenierungen aber nicht immer kritiklos aufgenommener Gast in Siegen, möchte mit dem Theaterstück „Mit anderen Augen“, das Publikum in die Welt der Blinden entführen. Wobei an keiner Stelle des Abends verschwiegen wird, dass fast alle Menschen in einer Welt der Sehenden und damit äußerst privilegiert leben. Was die Apollo-Besucher aber während der gesamten Aufführung wahrnehmen ist, wie die Sehenden auf der Bühne ihre blinden Mitspieler unterstützen: Mal fast unmerkbar mit kleinen Hilfen, dann wieder sehr sichtbar, weil nötig.
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Auch das sehen könnende Publikum bekommt einen Einblick, wie sich Blindheit auswirkt. Vor allem, als an Stelle des Gazevorhangs eine Milchglasscheibe tritt, hinter der man Figuren und ihre Bewegungen zumindest schemenhaft erkennen kann. Noch intensiver wird der Blick in die Welt der Blinden, indem sie von ihrer Blindwerdung erzählen: Mal durch eine schleichende Krankheit, mal durch einen Unfall. Doch an Stelle des Sehens entwickeln sich andere Fähigkeiten: Sie nehmen Stimmen anders wahr, schärfen die übrigen Sinne neu, erkennen andere Klänge und Geräusche.
Beeindruckend, wie das Bochumer Ensemble, drei Schauspielerinnen, ein Schauspieler und vier Musiker, dies umsetzt. Wenn sie etwa die Geräusche des Windes und des Regens und das Gurgeln des Wassers zur perkussiven Begleitung einer Sting-Ballade machen.
Wie eine dicke Schicht Staub
Aus keinem, der von seiner Blindheit erzählt, spricht Verbitterung, einmal sogar mutige Hoffnung: Wenn der Geiger sich zum Ziel setzt, eine Brahms-Komposition zu erlernen, auch ohne Noten lesen zu können. Manchmal jedoch eine Prise Traurigkeit. Wenn ein Darsteller berichtet, dass für ihn die Menschen, mit denen er zusammen ist, keine Gesichter haben und auf den Gesichtern derer, die er vor seiner Erblindung kannte, eine dicke Schicht Staub liegt.
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Neue Türen öffnen
Die wichtigere Botschaft aber lautet: Das Blindwerden kann auch neue Türen öffnen. Und die sind an diesem großartigen Theaterabend vor allem zu hören: Durch eine Auswahl der Hits blinder Musiker: „Is There Anyone Out There?“ und „Hit The Road Jack“ von Ray Charles, „Happy Birthday“ und „As“ von Stevie Wonder. Kein Wunder, dass das Publikum im nicht voll besetzten Theatersaal, begeisterten Applaus im Stehen spendet.
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