Düsseldorf. Der im Siegerland gegründete Anlagenbauer SMS verbucht den größten Auftrag seiner Geschichte in Duisburg, sieht seine Zukunft aber in Indien.
Der Anlagenbauer SMS hat die Auftragsbücher so voll wie seit zehn Jahren nicht mehr. Die Dekarbonisierung der Industrie beschert dem vor gut 150 Jahren im Siegerland gegründeten Traditionsunternehmen eine enorme Nachfrage. SMS baut auf der grünen Wiese in Schweden mit dem Projekt H2 Green Steeldas erste Stahlwerk, das rein mit Wasserstoff befeuert werden wird und 2025 die Produktion aufnehmen soll. Im Bestand wird dasStahlwerk von Thyssenkrupp in Duisburg mit der gleichen Technik umgerüstet, ein weitaus schwierigeres Projekt in jeder Hinsicht. Die beiden europäischen Aufträge zusammen haben ein Volumen von mehr als drei Milliarden Euro und sichern auch Arbeitsplätze in Deutschland. Das größte Wachstum verspricht sich die SMS Group allerdings künftig woanders, erklärte der Vorstand am Montag auf der weltgrößten Metallurgiemesse „Metec“ in Düsseldorf.
2022 war für die SMS Group beim Blick auf die Auftragslage und die durchgeführten Geschäfte enorm erfolgreich. Hier sind die beiden Rekordaufträge in Schweden und in Duisburg nicht einmal mitgezählt. Die verbessern erst 2023 die Bilanz. Beim Duisburger Projekt steht allerdings noch grünes Licht der EU-Kommission für staatliche Förderung aus. Allein das Land NRW will 700 Millionen Euro beisteuern.
Russlandgeschäft eingestellt
In der Kasse spiegelte sich das gute Geschäftsjahr 2022 aus einem anderen Grund kaum wider. SMS hat seine Aktivitäten in Russland und der Ukraine aufgrund des Krieges beendet. Damit wurden nicht nur rund 400 bis 500 Millionen Euro Auftragsvolumen gekippt, sondern auch Abschreibungen von mehr als einhundert Millionen Euro fällig. Unter dem Strich kostete der Rückzug laut Unternehmen rund 65 Millionen Euro Erträge. Absehbar will SMS in Russland kein Geschäft mehr durchführen. „Das wird so bleiben“, versichert SMS-Vorstandschef Burkhard Dahmen.
Genug zu tun gibt es für das Unternehmen auch im Rest der Welt. Zwar profitierten auch die deutschen Standorte wie Hilchenbach im Siegerland und Mönchengladbach am Niederrhein, „aber im Deutschland planen wir keinen Ausbau, auch nicht bei den Beschäftigten. Indien ist der angesagte Markt“, erklärt der SMS-Finanzchef Torsten Heising: „In Indien finden wir die richtigen Mitarbeiter mit den richtigen Qualifikationen an allen indischen Standorten.“
Im Gegensatz zu Europa ist Indien auch ein etwas anderer Markt. Beim Stahl mit deutlich höheren Produktionsvolumen. Und bei den Klimazielen weitaus weniger ambitioniert. Bis 2070 will man dort klimaneutral produzieren. In Europa lautet das Ziel 2050, in Deutschland gar 2045. SMS baut in Duisburg und Schweden schlüsselfertig Anlagen, mit denen wirklich grüner Stahl produziert werden kann. In anderen Teilen der Welt, in denen der Klimawandel zwar ebenso schnell voranschreitet, deren Regierungen aber weniger restriktiv mit dem Thema CO2-Emission umgehen, bietet das Unternehmen auch andere Lösungen. Anlagen, mit denen die die Emissionen in der Stahlproduktion in Hochöfen um 30 oder gar 60 Prozent durch die Zuführung synthetischer Gase gesenkt werden können. „Das führt nicht zu Null-CO2-Emission, ist aber eine deutliche Reduktion zu deutlich günstigeren Preisen“, erläutert Dahmen.
Anlage aus Hilchenbach serienreif
Wasserstoff und Stahl sind für SMS bei weitem nicht die einzigen Themen. In Zukunft sollen Services rund 50 Prozent des Umsatzes ausmachen. Beim grünen Stahlwerk in Schweden ist gerade ein Serviceauftrag für einen Zwölfjahresvertrag in Höhe von 400 Millionen Euro abgeschlossen worden.
Das am Standort Hilchenbach entwickelte Pilotprojekt zur Wiederverwertung von Lithium-Ionen-Batterien hat Marktreife erreicht. Seltene und wertvolle Stoffe wie Kobalt, Nickel und eben Lithium werden aus Altbatterien zurückgewonnen. SMS baut bei Stuttgart für Mercedes-Benz zunächst exklusiv ein Werk im industriellen Maßstab, das 2024 fertiggestellt werden soll und ein wichtiger Beitrag zur Kreislaufwirtschaft ist. Auch „Boxbay“, das hochautomatisierte Hafenlogistiksystem hat den Projektstatus überschritten und wird in Südkorea umgesetzt. Interessenten gibt es laut SMS auch in Europa. Für 2023 ist ein Umsatzvolumen in Höhe von 3,5 Milliarden Euro aus Sicht des Vorstandes realistisch. Langfristig auch eine Gewinn Marge von sieben Prozent.
Bilanz in Zahlen
Die SMS Group mit Sitz in Düsseldorf und deutschen werken in Hilchenbach und Mönchengladbach erzielte 2022 einen Umsatz von gut 3,1 Milliarden Euro mit weltweit rund 14.000 Mitarbeitern. 2023 sind 3,5 Mrd. Euro angestrebt. 2022 kamen Aufträge in Höhe von 4,6 Mrd. Euro neu in die Bücher, 2023 werden es sechs Mrd. sein. Das Ergebnis vor Steuern lag nur bei 19 Mio. Euro (Vorjahr 15 Mio.). Grund laut SMS: Der Ukrainekrieg.