Siegen. Fiona (9) aus Siegen weiß, wie Werbung sie ködern will – und manchmal klappt das auch. Vor allem bei Süßigkeiten. Die könnte bald verboten werden

Sie ist bunt, laut und lustig, manchmal auch verblüffend. Trotzdem findet Fiona Werbung langweilig. Die Neunjährige aus Siegen sagt: „Du guckst gerade eine spannende Sendung, und dann kommt Werbung.“ Das nerve und raube Zeit. Auch deshalb nehmen ihre Eltern eine Show wie „The Masked Singer“ im Fernsehen auf. Beim Anschauen spulen sie bei den Werbe-Spots etwa für Duschgel, Autos oder Schokolade einfach vor. Sie überlisten die Werbung.

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Auch beim Spielen am Tablet fühlt sich Fiona von der Werbung gestört. Sie will einfach nur Wörter puzzeln oder Bälle sortieren. Manchmal blickt sie bewusst weg, wenn auf dem Bildschirm ein Werbefilm läuft. „Dann haben meine Augen Pause“, erklärt sie. Und doch gibt es Momente, in denen eine Werbung sie erreicht. Bei neuen Spielfiguren einer bestimmten Marke schaut sie nämlich genau hin. Wenn ein Pferd, Einhorn oder Pegasus in ihre Sammlung passen würde, würde sie die Figur am liebsten sofort kaufen.

Experten der Uni Siegen über die Strategie der Werbemacher: Aufmerksamkeit wecken

Hier geht die Berechnung der Werbemacher also auf. Wie deren Strategie aussieht, erklärt Professorin Hanna Schramm-Klein von der Universität Siegen: „Sie wollen die Kinder aus ihrem Trott holen. Dabei müssen sie aber erst einmal ihre Aufmerksamkeit wecken“, sagt sie. Werbung will gesehen und gehört werden, und sie lockt. Manchmal ist sie wie ein Versprechen, das verheißt: „Wenn du dieses Kleid trägst, bist du schön wie eine Prinzessin!“ Wenn dabei auch noch Kinder für eine bestimmte Sache werben, wirken diese oft wie ein Vorbild.

Prof. Hanna Schramm Klein von der Universität Siegen.
Prof. Hanna Schramm Klein von der Universität Siegen. © Uni

Besonders zielsicher kann Werbung im Internet platziert werden. Beim Online-Spielen kann auch Fiona plötzlich gar nicht anders, als hinzuschauen. „Oh, das interessiert mich jetzt aber“, sagt sie. Auf ihrem Tablet läuft der Trailer zu einem anderen Spiel. Bei dem wollen ein freundlicher alter Herr und ein süßer Hund ein heruntergekommenes Haus wieder herrichten. Fiona würde sich am liebsten sofort in dieses Abenteuer stürzen. „Das kann ich ausprobieren“, jubelt sie. Aber ihre Mama sagt: „Stopp!“

Umstritten: Verbot für Süßigkeiten-Werbung – Siegener Experten mit anderem Vorschlag

Ein umstrittenes Thema ist die Werbung für Süßigkeiten: Die soll in Deutschland verboten werden, wenn es nach dem zuständigen Minister Cem Özdemir (Grüne) geht – zumindest Werbung, die sich direkt an Kinder richtet. Ist Werbung für Gummibärchen, Schokolade und Limo tatsächlich schädlich? Ja, sagen Befürworter: Die Werbung verleite dazu, ungesunde Sachen zu essen. Prof. Hanna Schramm-Klein ist dagegen nicht unbedingt für ein Werbeverbot. Besser würde sie es finden, wenn Süßigkeiten in Deutschland mit viel weniger Zucker hergestellt würden oder Chips mit weniger Fett. „Ein Werbeverbot nimmt den Kindern eine Möglichkeit zu lernen“, sagt sie. „Werbung gehört in unserer Welt einfach dazu.“ Aus ihrer Sicht sollten Kinder wissen, wann und wie und wo sie durch Werbung beeinflusst werden können. Das helfe, beim Einkaufen eine eigene Entscheidung zu treffen. Manchmal sei Werbung auch einfach nur unterhaltsam. „Sie zeigt mir, was neu ist, was interessant sein könnte oder sogar hilfreich.

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Fiona hat verstanden, wie Werbung funktioniert: Sie will den Wunsch wecken, etwas haben zu wollen. Vielleicht wird irgendwann genau dieses Etwas sogar gekauft. Werbung begegnet Fiona auch im Kino. Dort wird für andere Filme geworben, die für das Publikum gleichfalls spannend sein könnten. Außerdem läuft vorab ein Spot, der Appetit auf Eis machen möchte. Klar will Fiona sich gleich darauf beim Eisverkäufer etwas aussuchen – und Florian, ihr kleiner Bruder, auch. Ihr gespartes Geld allerdings hebt sich Fiona für etwas anderes auf: Sie hat schon länger einen süßen kleinen Elefanten mit riesengroßen Ohren im Blick. Den hat sie im Spielzeugladen entdeckt – dafür brauchte es keine Werbung. (dpa)