Netphen. Netphener Hausarzt sucht händeringend eine Lösung für seine Praxis – niemand möchte. „Da ist von der Politik zu wenig passiert“, kritisiert er.

Peter Tremmel hat sich im Raum Netphen einen Namen gemacht. Der Facharzt für Allgemeinmedizin führt seit 26 Jahren eine der erfolgreichsten Landarztpraxen in der Region, als Notarzt rettete er ungezählte Leben. Nun möchte er seine Tätigkeit als Arzt beenden und in den Ruhestand gehen.

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Seit letzten Sommer versucht Tremmel, einen Nachfolger für seine Praxis in Netphen zu finden, die Suche gestaltet sich jedoch schwierig. „Ich habe zu spät angefangen, zu suchen“, gibt er offen zu. Eigentlich müsse die Planung bei einem solchen Verkauf mindestens zwei bis drei Jahre Vorlaufzeit haben – die zeitlichen Kapazitäten seien dazu aber schlichtweg nicht vorhanden gewesen, so Tremmel. Bislang schaltete der 66-Jährige mehrere Verkaufsannoncen, etwa in den soziale Netzwerken – wirklich geeignete Nachfolger fanden sich dabei bislang aber nicht.

Viele Nachteile

Zwar habe es immer wieder Gesprächskandidaten gegeben, doch trotz der hohen Kooperationsbereitschaft Tremmels kam keine Übernahme zustande. „Ich hätte vorher nicht geglaubt, dass es so viele Gründe gibt, es nicht zu machen“, scherzt er. Viele Kandidaten hätten die Work-Life-Balance auf dem Land sowie die fehlenden Freizeitmöglichkeiten in der näheren Umgebung bemängelt. Dazu sei auch das Einkommen für Hausärzte in Dörfern oft geringer als in der Stadt, erzählt Tremmel.

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Ein Nachfolger müsse mit den Gegebenheiten der Region klarkommen. Die Leute seien deutlich nahbarer und auch das Verhältnis zwischen Patienten und Arzt sei mitunter viel persönlicher. „Wenn ich einkaufen gehe, mache ich fünf Beratungen“, gibt er einen Einblick in den Lebensalltag. Über die Jahre habe sich das gegenseitige Verhältnis so entwickelt, dass Patienten auch außerhalb der eigentlichen Arbeitszeiten zum Facharzt für Allgemeinmedizin kommen können – dafür ist sogar die Eingangstür rund um die Uhr geöffnet. Ein zusätzlicher Arbeitsaufwand, der sich lohne: Denn die Praxis erfreut sich über einen festen und großen Patientenstamm, der stetig weiter wächst.

Hohe Belastung

Besonders in den letzten Jahren habe die Arbeitsbelastung deshalb in der Praxis deutlich zugenommen – mitten in einer Phase, in der der 66-Jährige eigentlich kürzer treten wollte. Tremmel hatte zuvor seine Stelle als Notarzt aufgegeben, um mehr Zeit mit seiner Familie zu verbringen. Aus den Bestrebungen wurde jedoch nichts, da die Arbeitszeit in der Landarztpraxis gleichzeitig deutlich anstieg. Der Hauptgrund: Mehr Krankheiten und zusätzliche Impfungen. Gerade über die Corona-Zeit hinweg sei der Arbeitsaufwand durch die Zusatzbelastung weiter kontinuierlich in die Höhe geschnellt. „Das ist eine ganz intensive Arbeit. Ich bin immer wieder erst um 20 Uhr aus der Praxis raus“, so Peter Tremmel über die Schattenseiten seiner Arbeit

Eigentlich ist Tremmel schon seit November Rentner – ans Aufhören möchte er jedoch aktuell ohne einen feststehenden Nachfolger nicht denken – zu abhängig ist der Umkreis von einem Hausarzt in Netphen und zu groß ist die Verbundenheit zu den Menschen.

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Freude an Arbeit

Trotz der Probleme freut er sich immer noch auf jeden neuen Arbeitstag. „Das Berufsbild ist klasse, wir kriegen hier eine tolle Rückendeckung. Diese Landarzttätigkeit wird anerkannt und honoriert“, betont Tremmel. Dazu hat er während seiner Arbeit immer wieder eindrucksvolle Momente erlebt, auf die er noch heute mit Stolz zurückblickt. „Es gibt Leute, die waren tot und haben jetzt keine Defizite mehr“, erzählt er von einem Fall, bei dem er einen jungen Patienten während einer Notarztfahrt das Leben rettete.

Über kurz oder lang müsse jedoch eine zufriedenstellende Lösung für alle Seiten gefunden werden. Damit dies sicher gelingt, hofft der Netphener auch auf Unterstützung aus der Politik. Viele gesundheitspolitischen Themen seien falsch umgesetzt worden. Die langen Arbeitszeiten und das geringere Gehalt im Landarztbereich müssten schnellstmöglich angepasst werden, um neue Anreize für Bewerber zu schaffen und um gleichzeitig den Fachkräftemangel zu bekämpfen, betont Peter Tremmel. Um dies zu gewährleisten, brauche es eine tiefgreifende Analyse der Ursachen. „Da ist von der Politik zu wenig passiert“, moniert der Facharzt für Allgemeinmedizin.

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