Berlin/Hilchenbach. Neben dem Haus Abendfrieden betreibt Doreafamilie Siegerland mehrere Senioren-Einrichtungen in und um Hilchenbach. Wie es nun für sie weitergeht:

Der Pflegeheimbetreiber Doreafamilie hat für Teile der Gruppe Insolvenz angemeldet. Zum Unternehmen gehören zahlreiche Gesellschaften, unter anderem ist auch die „Doreafamilie Siegerland“ betroffen. Die betreibt das „Haus Abendfrieden“ in Hilchenbach-Helberhausen sowie weitere Einrichtungen für alte Menschen: Die „Wohninsel Abendfrieden“, das „Palliohaus“, „Haus Wiesengrund“, die Tagespflege Leuchtturm. Außerdem gibt es einen ambulanten Pflegedienst. In Kreuztal gehört die Wohngemeinschaft „Mitten in Eichen“ zum Unternehmen, in Freudenberg die WG „Alchen“.

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Die Beschäftigten seien demnach am Donnerstag, 20. April, über die Entwicklung informiert worden, nachdem am Morgen beim Amtsgericht Berlin-Charlottenburg der Antrag auf Einleitung eines Schutzschirmverfahrens ein Eigenverwaltung gestellt wurde, teilt das Unternehmen mit. Weitere Teile der Unternehmensgruppe hätten Anträge für die Einleitung eines Restrukturierungsverfahrens gestellt. Das bietet einen geeigneten rechtlichen Rahmen, um notwendige Restrukturierungsmaßnahmen bei laufendem Geschäftsbetrieb schnell und wirksam umzusetzen: Die Restrukturierung soll demnach bis zum Herbst 2023 abgeschlossen sein.

Gründe für die Insolvenz: Steigende Kosten, keine Refinanzierung, Corona

Für Pflegebedürftige in den betroffenen Einrichtungen und ambulanten Diensten ändere sich nichts, versichert Dorea-Geschäftsführer Dr. Walter von Horstig laut Mitteilung. „Alle stationären und ambulanten Pflege-Leistungen werden wie gewohnt erbracht. Unser Geschäftsbetrieb geht ganz normal und in vollem Umfang weiter.“ Die Löhne und Gehälter aller Beschäftigten seien gesichert und würden bis einschließlich Juni 2023 durch die Bundesagentur für Arbeit übernommen, was dem Unternehmen eine wichtige finanzielle Entlastung für die geplante Restrukturierung verschaffe. Die Finanzmittel würden aber auch darüber hinaus reichen, um die Kosten für den laufenden Geschäftsbetrieb zu decken.

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Zu den Ursachen: „Wie viele Pflege-Anbieter steht die Dorea-Gruppe aufgrund der enorm gestiegenen Kosten für Energie, Miete und Material wirtschaftlich unter Druck“, heißt es weiter. Diese teils massiven Kostensteigerungen seien in den jährlich mit den Pflegekassen ausgehandelten Budgets nicht vorgesehen und könnten aus den laufenden Einnahmen nicht refinanziert werden. Die im Rahmen der Gesetzgebung zur Tariftreue erfolgten deutlichen Gehaltssteigerungen für Pflegekräfte führten demnach zu einem weiteren Kostenschub, der nur teilweise von den Pflegekassen refinanziert worden sei. „Zuvor hatten bereits die Folgen der Corona-Pandemie die gesamte Branche stark belastet und finanzielle Rücklagen aufgezehrt.“ Durch die Pandemie seien Auslastung und damit Einnahmen in vielen Häusern stark gesunken oder gleich geblieben, bei steigenden Kosten für Schutzmaßnahmen, was durch Corona-Hilfen nicht vollständig kompensiert werden konnte, so das Unternehmen weiter. Viele Häuser seien „in die Verlustzone geraten“, so Dr. von Horstig.

Dorea will möglichst viele Einrichtungen weiter betreiben

In das Schutzschirmverfahren und die nachgelagerten weiteren Restrukturierungsverfahren sind etwa 25 operative Gesellschaften der Dorea-Unternehmensgruppe eingebunden – knapp die Hälfte der Pflegeheime und teilweise die angeschlossenen Einrichtungen des Betreuten Wohnens. Mit Hilfe der Verfahren sollen möglichst viele auch künftig erfolgreich weiter betrieben werden, betont das Unternehmen: Dorea will den Geschäftsbetrieb stabilisieren und neu ausrichten. Beispielsweise könnten ungünstige Verträge leichter gekündigt oder neu verhandelt werden, was außerhalb solcher Verfahren nicht möglich sei.

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Die unternehmerische Verantwortung bleibt dabei in den Händen der Geschäftsführung („Eigenverwaltung“), was nur funktioniert, wenn die Unternehmen selbst rechtzeitig tätig werden und wenn nur Handlungsspielraum besteht. „Beides ist bei uns der Fall“, betont Volker Wentz, Finanzchef der Dorea-Gruppe, man sei „weder zahlungsunfähig noch überschuldet.“ Für die Dauer der Restrukturierung werde die Rechtsanwaltskanzlei Wellensiek die Doreafamilie begleiten, das Gericht setzte zudem den „vorläufigen Sachwalter“ ein, der ähnlich wie ein Aufsichtsrat das Verfahren im Interesse der Gläubiger überwacht.

Dorea: Bewohner und Kunden weiter gut und zuverlässig versorgen

„Trotz der aktuellen wirtschaftlichen Schwierigkeiten hat die Dorea-Gruppe einen gesunden Kern. Hinzu kommen regelmäßig Bestnoten der Medizinischen Dienste der Krankenkassen für die Pflegequalität und ein guter Ruf unter Pflegekräften als Arbeitgeber“, betonte Sanierungsexperte Prof. Markus Stadler von der Kanzlei Wellensiek. „Das sind gute Voraussetzungen dafür, dass die Doreafamilie aus dem Schutzschirmverfahren als neu aufgestelltes und wirtschaftlich gesundes Unternehmen hervorgehen wird.“ Die Geschäftsführung werde nun bis Sommer einen Restrukturierungsplan ausarbeiten, denkbar sei sowohl eine Investorenlösung als auch ein Vergleich mit den Gläubigern. Im Vordergrund stehe, Bewohner und Kunden weiter gut und zuverlässig zu versorgen, so Walter von Horstig. „Mit der Restrukturierung stellen wir sicher, dass wir das langfristig und auf einem soliden wirtschaftlichen Fundament tun können. Außerdem ist es uns wichtig, dass wir unsere Beschäftigten in dieser Phase gut informieren und begleiten.“

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Die Dorea-Gruppe gehört eigenen Angaben zufolge zu den größten privaten Pflegedienstleistern in Deutschland. Der Schwerpunkt liegt auf der klassischen Altenpflege mit nahezu 80 stationären Einrichtungen. Hinzu kommen 17 Standorte mit Betreutem Wohnen sowie neun ambulante Pflegedienste. Insgesamt beschäftigt die Doreafamilie rund 5500 Mitarbeitende und betreut rund 7500 pflegebedürftige Menschen. Der Jahresumsatz lag 2022 bei rund 280 Millionen Euro.