Siegen. Zwei junge Männer flohen vor dem Bürgerkrieg in Syrien, bauten sich in Siegen ein Leben auf. Lernten Deutsch, ergriffen Berufe – wurden Deutsche.
Seit Angela Merkels „Wir schaffen das“ hat die Stadt Siegen einige hundert Menschen aufgenommen, die vor dem Bürgerkrieg aus Syrien geflohen sind. Zwei von ihnen sind Alaa H. und Mohnnad A. (Namen sind der Redaktion bekannt). Ihre Geschichten sind Erfolgsgeschichten: Die beiden jungen Männer bauen sich ein Leben in Deutschland auf.
Der Azubi: Nach Ausbildung Pflegefachmann in Siegener Krankenhaus
Alaa H. studiert in Damaskus und Aleppo Betriebswirtschaftslehre, als er für den Militärdienst eingezogen wird. Den Dienst an der Waffe kann er nicht verweigern, doch auf die eigenen Landsleute will er nicht schießen. Er flieht über die Türkei und lebt dort für etwa ein Jahr, bis er in die EU einreist: Über die Balkanroute nach Ungarn, weiter nach Österreich und schließlich Deutschland. Das war sein Wunschziel, sagt er, und ist froh, es geschafft zu haben.
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In einer Erstaufnahmeeinrichtung in Dortmund verbringt er nur einen Monat – er hat Glück, sein Asylantrag wird vom BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) schnell bearbeitet. Mit der Hoffnung auf eine Möglichkeit zum Familiennachzug kommt er nach Siegen, besucht Sprach- und Integrationskurse, absolviert ein Jahr Bundesfreiwilligendienst. Mit seinem B1-Sprachzertifikat qualifiziert sich Alaa H. für die Ausbildung zum Pflegefachmann. Der Beruf bündelt seit 2020 die Alten- und Krankenpflege. Im sich zuspitzenden Pflegenotstand gefragte Fachkräfte.
Alaa H.s Ausbildungsbetrieb, das Diakonie Klinikum Jung-Stilling, will ihn nach seinem Berufsabschluss im Herbst weiterbeschäftigen. Im Spätsommer wird er zudem die deutsche Staatsbürgerschaft erwerben. „Dann bin ich Syrer und Deutscher!“, sagt er. Alaa H. fühlt sich in Siegen sehr wohl. Zu seinem Glück fehlt ihm aktuell nur noch die Traumwohnung. Bis er die gefunden hat, lebt er in einem guten Zimmer im Personalwohnheim.
Der Student: In Siegen Ausbildung zum Hochbetonbauer, jetzt Architektur an Uni Siegen
Mohnnad A. studiert in Homs Architektur, als die Proteste ausbrechen. Seit 2011 herrscht Bürgerkrieg, der 2015 erneut eskaliert. Machthaber Baschar Al-Assad geht hart gegen die Demonstranten vor. Mohnnad A. geht mit seinen Kommilitonen auf die Straße, muss bald das Land verlassen, sein Leben ist in Gefahr. Er reist bei Nacht und Nebel in die Türkei, mit Bussen weiter nach Griechenland, über den Balkan bis Ungarn. Dort ist erstmal Schluss. Er erlebt dramatische Tage, bis er über Wien nach Frankfurt weiterreisen darf. Sein eigentliches Ziel ist Großbritannien, er hofft, dort sein Studium wieder aufnehmen zu können.
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Doch in Deutschland endet seine Reise. „Rückblickend ein Glück“, sagt er. In einer Wiesbadener Erstaufnahmeeinrichtung wird er untergebracht, sieben Zimmergenossen in Stockbetten. 20 Monate prüft das BAMF seinen Antrag. Währenddessen belegt Mohnnad Sprach- und Integrationskurse, erwirbt ein A1-Zertifikat für die deutsche Sprache. Danach darf er nach Dillenburg und schließlich nach Siegen ziehen, wo er mit Freunden in einer Wohngemeinschaft lebt. Sein Abitur wird nicht ohne weiteres anerkannt, das Studium kann er also zunächst nicht wieder aufnehmen. Um sich für die Uni zu qualifizieren, macht A. die Ausbildung zum Hochbeton-, dann die Fachausbildung zum Stahlbetonbauer. „Eigentlich ist das gut. Ich komme dann mit praktischer Erfahrung ins Studium. Das wird mir während des Studiums und auch in der Berufspraxis von großem Nutzen sein“, sagt er.
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Außerdem verbessert Mohnnad A. seine Deutschkenntnisse: Für die Zulassung zur Ausbildung braucht er B1, für die Universität C1. Nach einigen Prüfungen kann er sich endlich immatrikulieren. „Das Bachelorstudium ist anspruchsvoll, vor allem Mathe. Aber es macht auch sehr viel Spaß und ich habe nette Kommilitonen!“, berichtet er. Die deutsche Staatsbürgerschaft hat Mohnnad im vergangenen Jahr erworben. „Ich lebe gern in Deutschland. Natürlich vermisse ich Syrien, aber der Krieg wird noch viele Jahre dauern. Mit meinem Bachelor in der Tasche kann ich sowohl hier in Deutschland tätig sein, wo dringend bezahlbarer Wohnraum gebraucht wird, als auch beim Aufbau meiner Heimat helfen, wenn in Syrien, inshallah, wieder Frieden herrscht.“