Siegen. Haushaltsreden bieten Gelegenheit zu Lob – und zur politischen Geißelung. Hier die Beiträge der zehn Siegener Ratsfraktionen aus der Debatte.

Im Nachgang der Haushaltsdebatte im Siegener Rat am Mittwoch, 22. Februar, veröffentlichen wir hier die dabei gehaltenen Reden der Fraktionsspitzen in Auszügen.

Marc Klein, CDU Siegen: „Menschen mitnehmen und nicht überfordern“

Wir möchten in diesem Jahr als ersten Schritt die Freigrenze für die Erhebung von Elternbeiträgen für Kinder in Kitas, Kindertagespflege und Grundschulen wie im Kreis auf 40.000 € anheben. Für 2024 haben wir das Ziel, diese Elternbeiträge in Siegen komplett abzuschaffen. Aus unserer Sicht muss Bildung in unserem Land kostenfrei zur Verfügung stehen. Das gilt dann selbstverständlich auch für die Kleinsten unter uns. Zudem ist es uns wichtig, Familien zu entlasten. Siegen ist eine kinder- und familienfreundliche Stadt. Daher freut es uns ganz besonders, diesen Antrag ebenfalls getragen von 8 Fraktionen hier eingebracht zu haben.

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Darüber hinaus setzen wir uns für eine moderne, digitale, bürgernahe Stadtverwaltung ein. Daher beantragen wir eine Mehrstelle im Bereich Medien- und Öffentlichkeitsarbeit, um den Herausforderungen im digitalen Zeitalter gerechter zu werden, um die neue Homepage der Stadt fertig zu stellen und um den Bürgerinnen und Bürgern schneller und einfacher Informationen und Dienstleistungen zu gute kommen zu lassen. Andererseits muss auch die Stadtverwaltung dem immer größer werdenden Fachkräftemangel Rechnung tragen. Daher setzen wir uns dafür ein, Aufgaben, die notwendig, aber schneller, effektiver und vor allem günstiger durch die freie Wirtschaft zu erledigen sind, nunmehr extern zu vergeben. In diesem Jahr beantragen wir, die Jahresabschlussprüfung zukünftig durch externe Wirtschaftsprüfer durchführen zu lassen. Hier sparen wir 1,5 Stellen im Rechnungsprüfungsamt und unter dem Strich einen sechsstelligen Betrag im Haushalt.

Auch der Zustand unserer Denkmäler, beispielsweise in der historischen Altstadt von Siegen oder in den Ortsteilen ist uns ein Anliegen. Daher beantragen wir ein städtisches Denkmalförderprogramm in Höhe von 50.000 €, damit viele historische Gebäude, zumeist in privater Hand, in ihrer ursprünglichen Substanz erhalten werden können. Die Erhöhung der Bezirksausschussmittel ist ein wichtiger Baustein für kleinere Maßnahmen vor Ort, insbesondere durchgeführt von Vereinen oder Initiativen. Dieses Engagement in den einzelnen Stadt- und Ortsteilen wollen wir stärken und setzen uns daher für eine signifikante Erhöhung dieser Mittel ein. Mit großer Freude haben wir festgestellt, dass die Verwaltung die Mittel für den Heimatpreis, auch nach Auslaufen des Landesförderprogramms, auf Initiative der Politik wieder in den Haushaltsplanentwurf aufgenommen hat. Besonders zufrieden sind wir mit dem Ergebnis in diesem Jahr gänzlich ohne Steuererhöhungen auszukommen. Private Haushalte und Unternehmen sind insbesondere durch die hohe Inflation bereits stark unter Druck. Daher ist es wichtig, diese nicht noch weiter zu belasten.

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„Viel erreicht, viel zu tun“ – unter diesem Motto blicken wir zurück auf die vergangenen mehr als 2 Jahrzehnte, in denen sich in Siegen vieles verändert hat und nehmen die Zukunft mit den in den kommenden Jahren beherrschenden Themen Energiewende, Verkehrswende und Klimaschutz in den Blick. Wir als CDU in Siegen stellen uns den damit verbundenen Entwicklungen und Entscheidungen. Wichtig ist uns dabei, die Ziele nicht aus den Augen zu verlieren, die Menschen aber in diesem Prozess mitzunehmen und nicht zu überfordern. In naher Zukunft wird sich auch bei uns in Siegen einiges tun: Das städtische Mega-Projekt „Wissen verbindet“ – die Uni kommt in die Stadt wird nicht nur städtebaulich die Innenstadt und die umliegenden Quartiere verändern, sondern auch im Bereich Verkehr viele Veränderungen mit sich bringen. In unserer Schullandschaft haben wir im vergangenen Jahr eine weitreichende Entscheidung für eine vierte Gesamtschule und gegen den Fortbestand von Haupt- und Realschulen getroffen. Sie können sich vorstellen, dass diese Entscheidung der CDU in Siegen alles andere als leicht gefallen ist. Die Anmeldezahlen an den betroffenen Schulen sprechen jedoch eine klare Sprache. Daher stehen wir auch heute zu dieser für uns schweren, aber doch richtigen Entscheidung, trotz der dort geleisteten guten Arbeit die Haupt- und Realschulen auch in Siegen auslaufen zulassen.

Ingmar Schiltz, SPD Siegen: „Aufgrund der Krisen Familien mit Kindern konkret helfen“

In diesem Jahr war es der SPD-Fraktion aufgrund der vielen Krisen wichtig, Familien mit Kindern ganz konkret finanziell zu entlasten. Wir übernehmen nicht nur den Beschluss des Kreistages, die Einkommensgrenze, ab der Eltern für die Betreuung in der Kindertagesstätte oder in der Kindertagespflege Beiträge zu zahlen haben, von 30.000 € auf 40.000 € im Jahr zu erhöhen, sondern weiten diesen Beschluss auch auf die Betreuung in der Grundschule aus. So stellen wir sicher, dass in der Stadt und im Kreisgebiet weiterhin die gleichen Regelungen vorliegen und entlasten noch mehr Familien, indem wir sie beitragsfrei stellen. Wir wollen aber noch weiter gehen und die Kindergartenbeiträge ab dem kommenden Jahr komplett abschaffen. Die SPD-Fraktion geht dabei von dem Grundsatz aus, dass Bildungsangebote grundsätzlich allen Menschen kostenfrei zur Verfügung stehen sollten und die Inanspruchnahme qualitativ hochwertiger Bildungsangebote nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängig sein darf.

Der SPD-Fraktion war es weiterhin wichtig, die Arbeit des Vereins RaBauKi stärker zu unterstützen und die städtischen Zuschüsse für das Betreiben des Bauspielplatzes am Fischbacherberg zu erhöhen; die Kürzungen der Fördermittel für Sportvereine, die eigene Hallen und Trainingsstätten unterhalten oder Instand setzen wollen, wieder zurücknehmen; hybride Gremiensitzungen des Rates und seiner Ausschüsse durchführen zu können und die dafür notwendige Hard- und Software für unsere Sitzungsräume anzuschaffen; kommunale Gebäude so weit wie möglich barrierearm betreten zu können und für den Abbau vorhandener Barrieren zusätzliche Haushaltsmittel bereitzustellen.

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Im Bereich des Stellenplans hat sich die SPD-Fraktion dafür eingesetzt, dass fünf weitere Mehrstellen in der Wohngeldstelle geschaffen werden, da nach der Gesetzesnovellierung auf Bundesebene mit einer Verdreifachung der Antragsstellungen gerechnet wird; dass die Mehrstelle für die Sachbearbeitung Krisenmanagement auf 5 Jahre befristet wird; dass die Beschlussfassung aus dem Ausschuss für Soziales, Familien und Senioren zu den KIM-Stellen (Kommunales Integrationsmanagement) umgesetzt wird; dass eine Mehrstelle in der Abteilung Medien & Öffentlichkeitsarbeit für die Erstellung und Betreuung der neuen städtischen Homepage geschaffen wird und dass die im vergangenen Jahr als Förderstellen nach § 16i SGB II beschlossenen Mehrstellen in der Verkehrsüberwachung, die bislang nicht besetzt werden konnten, nun in reguläre Stellen umgewandelt werden, um die Besetzung durchführen zu können.

Die vierte Gesamtschule in Siegen wird im Sommer ihren Betrieb am Rosterberg starten. Damit kommen wir dem Willen vieler Eltern nach, die ihre Kinder an einer Schule anmelden möchten, an der länger gemeinsam gelernt wird, an der alle Schulabschlüsse erreicht werden können und an der ihre Kinder individuell gefördert werden. Ich möchte daher an alle Wahlberechtigten in Siegen appellieren, den aktuellen Bürgerentscheid zum Erhalt von Haupt- und Realschulen abzulehnen, damit auch der benötigte zweite Standort für diese vierte Gesamtschule in Achenbach zur Verfügung stehen wird.

Julia Shirley, Grüne Siegen: „Mogelpackung und Greenwashing in reinster Form!“

Wir stecken in der größten Klimakrise der Geschichte und der Zeitkorridor, hier wirksam entgegenzusteuern, wird immer schmaler. Und wir müssen feststellen: Städte und Gemeinden haben es schwer, aus den unbestreitbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen wirklich wirksames Handeln abzuleiten und umzusetzen. Gute Beispiele aus Siegen sind an dieser Stelle der absehbare Bau der vier Windkraftanlagen an der Kreuzeiche und die Umstellung der Straßenbeleuchtung mit Stromeinsparungen bis zu 50%. Trotzdem ist hier allzu oft reine Symbolpolitik zu beobachten. Das Stadtfest 2022 war ohne Zweifel ein Erfolg und die tatsächlichen Bemühungen, Müll und CO2 einzusparen, begrüßen wir ausdrücklich. Aber es erschließt sich uns überhaupt nicht, warum die Verwaltung, trotz unserer deutlichen Kritik, auf der Bezeichnung „klimaneutrales Stadtfest“ bestand und auch noch behauptete, es sei das erste klimaneutrale Stadtfest in Deutschland. Und das, obwohl selbst die Kulturamtsleiterin einräumen musste: „die Klimaneutralität wird nicht erreicht“. Trotzdem führte man die Leute hinter die Fichte und erklärte, die Klimaneutralität werde durch Ausgleichszahlungen angestrebt. „Dann ist ja alles gut“, so die Botschaft, „wir können genau so weitermachen wie bisher.“ Das ist eine Mogelpackung und Greenwashing in seiner reinsten Form!

Auch mit der städtischen Personalpolitik sind wir nach wie vor nicht einverstanden. Es dauert immer noch viel zu lange bis freigewordene oder vom Rat beschlossene Stellen ausgeschrieben werden. Bis zu einem halben Jahr! So steigt der Druck auf die Beschäftigten unserer Stadt, da die notwendigen Aufgaben kaum zu bewältigen sind. Die Folge: die Unzufriedenheit wächst und das nicht nur bei den Beschäftigten, sondern auch in der Bevölkerung. Aber auch etwas Anderes ärgert uns: so heißt es bei neuen Stellen, die wir zur Verbesserung der Situation vorschlagen, dass man das erst gar nicht beschließen solle, da es ja eh keine Bewerber:innen gäbe. Natürlich wissen auch wir, dass es aktuell schwer ist, neue Mitarbeiter:innen zu finden, aber die Stellen nicht zu beschließen und gar nicht erst zu suchen? Das ist eine völlig absurde und falsche Konsequenz! Wie sehr mit zweierlei Maß gemessen wird zeigt uns dann der Stellenplan der Verwaltung. Bei den Mehrstellen, die hier vorgeschlagen werden, zählen solche Argumente nicht. Oder erinnert sich jemand, dass bei den zehn Mehrstellen im Bereich des Bunkermuseums solche Überlegungen eine Rolle gespielt hätten?Also lassen Sie uns künftig sachgerechter entscheiden: Wo Mehrstellen nötig sind, müssen diese auch beschlossen werden, auch wenn die Besetzung schwierig wird.

Neben einer politischen Einigung von acht Fraktionen gibt es ein Problem, das jede politische Einigung gefährdet: nach wie vor werden politische Entscheidungen zu oft von der Verwaltung nicht umgesetzt. Aus GRÜNER Sicht sind hier vor allem die Klimabeschlüsse aus 2019/2020 zu nennen. Insbesondere auf dem Weg zum klimaneutralen Gebäudebestand 2040 fehlt Zielstrebigkeit und wir hinken schon jetzt Jahre hinterher. Ein weiterer Rückschlag sind an dieser Stelle die geplanten Containerbauten, die ausschließlich elektrisch geheizt werden sollen. Eine Beteiligung politischer Gremien wurde hiersorgfältig vermieden. Die Gründe, warum etwas nicht umgesetzt wird, sind manchmal verständlich, manchmal aber völlig unklar und in einigen Fällen fehlt es schlicht am Willen, politische Entscheidungen umzusetzen. Dieses Verhalten gefährdet im Ergebnis eine gute Zusammenarbeit zwischen Politik und Verwaltung. In den letzten Monaten haben wir jedoch den Eindruck, dass sich alle Beteiligten mehr bemühen, hier Veränderungen herbeizuführen. Deshalb wollen wir optimistisch ins neue Jahr gehen und so hoffen wir, dass unsere gemeinsamen Vorschläge zum Haushalt auch tatsächlich realisiert werden.

Für die energetische Sanierung städtischer Gebäude, und somit dem Ziel Klimaneutralität, sollen in den nächsten Jahren 500.000 Euro zusätzlich zur Verfügung stehen. Ein zentraler Punkt, denn hier hat die Stadt eine Mammutaufgabe vor sich. Weitere 250.000 Euro sollen für Photovoltaik-Anlagen bereitgestellt werden. Auch hier muss die Stadt entschiedenen Schrittes vorangehen, um den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen zu erreichen. Es zeichnet sich ab, dass sich bezüglich des Radverkehrs in unserer Stadt in den nächsten Jahren einiges tun wird. Gut so! Schon jetzt nutzen viele tausend Menschen in Siegen jeden Tag das Rad und bestimmen die Mobilitätsarten der Zukunft. Somit ist jeder Euro, der in den Ausbau der Radverkehrsinfrastruktur investiert wird, ein Euro für die Umwelt und für die Bürger:innen unserer Stadt. Aber wer Rad fährt, möchte das Rad auch sicher abstellen und abschließen können. Der Bedarf wird erheblich steigen. Deshalb freuen wir uns sehr, wenn im Jahr 2023 zusätzliche Mittel für Fahrradabstellanlagen an öffentlichen Gebäuden verausgabt werden können. Obwohl inklusives Lernen an Schulen längst das gängige Konzept ist, sind Kinder, Lehrkräfte und Eltern an Siegener Grundschulen oftmals mit Barrieren konfrontiert. Nachdem in den vergangenen Jahren der barrierearme Ausbau an weiterführenden Schulen vorangetrieben wurde, müssen nun dringend Grundschulen nachziehen. Um den Kindern auch dort eine gleichberechtigte Teilhabe ermöglichen zu können, soll an drei Schulen über das Stadtgebiet verteilt mit dem barrierearmen Ausbau begonnen werden. Wir möchten, dass Familien die Sicherheit haben, ihre Kinder – egal ob mit Einschränkung oder nicht – an einer Grundschule in ihrer Nähe anmelden zu können. Wer ein Recht auf den Bezug von Wohngeld hat, soll in Zukunft nicht mehr länger als sechs Wochen auf die Bearbeitung des Wohngeldantrags warten müssen! Für mehr soziale Gerechtigkeit beabsichtigt der Haushaltsantrag fünf Mehrstellen, zusätzlich zu den von der Verwaltung eingeplanten Mehrstellen, die unbedingt notwendig sind, um die aktuelle Wohngeldreform angemessen umsetzen zu können. Und zuletzt möchte ich noch das Modellprojekt zur Ausstattung der Müllbehälter in der Innenstadt mit Pfandringen und Aschenbechern benennen. Vielleicht ist es auf den ersten Blick eine Kleinigkeit. Diese Kleinigkeit macht aber für einzelne Menschen einen großen Unterschied, wenn diesen das unwürdige Suchen von Pfandflaschen in Mülleimern erspart bleibt. Nebenbei erhoffen wir uns auch einen positiven Effekt für die Umwelt. Einen Schritt zu mehr Recycling und einer lebenswerteren Stadt.

Markus Nüchtern, FDP Siegen: „Verhungern am langen Arm der Stadtkommunikation“

Wenn wir alle Projekte im Haushalt auch tatsächlich umsetzen würden – dann steckten wir noch tiefer in der Klemme. Zum Glück basiert dieser Haushalt nicht auf Haushaltsklarheit, sonst würden wir bei kritischen Fragen Schwierigkeiten haben. Verzeihen Sie den Pessimismus, der uns bei der Lektüre des Haushaltes befällt. Ein ganz normaler Bürger, eine ganz normale Bürgerin hat so überhaupt keine Chance, sich ein zutreffendes Bild über die Planungen des Jahres 2023 zu machen. Das ist kein seriöser Umgang mit interessierten Bürgern.

Der Bürgermeister hat in seiner Haushaltsrede betont, dass das Haushaltsjahr 2023 in die Geschichte der Stadt Siegen eingehen wird, weil der Haushalt ausgeglichen ist und die Stadt damit die Haushaltssicherung verlässt, in der sie seit 1994 eingezwängt war. Vergessen dürfen wir aber nicht, dass erhebliche Mehraufwendungen, die aus der Coronakrise sowie der Flüchtlingsaufnahme und -unterbringung resultieren, im Haushalt isoliert werden dürfen, so sieht es das Gesetz vor. Wir leben damit leider auf Kosten künftiger Generationen. Die Gewerbesteuer, lange Jahre ein Sorgenkind auf der Ertragsseite, wird für 2022 auf über 80 Mio. € taxiert. Dies ist wirklich erfreulich und trägt entscheidend zum Haushaltsausgleich bei. Deshalb ist es für uns als FDP umso wichtiger, die heimischen Unternehmen zu halten (Stichwort Bestandspflege) und durch Ausweisung von Industriegebieten neue hinzu zu gewinnen. Ein gutes Beispiel sind die Firmenansiedlungen im Leimbachtal. (...)

Natürlich warnt der Kämmerer vor den verbleibenden Risiken – und das zu Recht. Angefangen beim schwarzen Schaf unserer kommunalen Familie, dem Kreis Siegen-Wittgenstein, der sein Himmelbett mit Siegener Euros polstert. Vielleicht sollte man mal darüber nachdenken, die Doppelstrukturen in den Haushalten abzubauen. Wir leisten uns eine eigene Bauaufsicht und zahlen für die des Kreises mit, dasselbe gilt für die Ausländerbehörde und die VHS. Alternativ dazu könnte man ja mal über gemeinsame Strukturen mit der Stadt Kreuztal sprechen, die ja mit dem Kreis in Sachen Jugendamt auch nicht so ganz übereinstimmt. Bürokratieabbau bleibt das Gebot der Stunde. Die Höhe der Kreisumlage ist und bleibt ein Ärgernis sondergleichen.

Das nächste und alljährlich nicht zu unterschätzende Risiko ist die Euphorie einiger Ratskollegen, immer neue Dinge zu beschließen, die mal wenig, mal viel Geld kosten, aber eher auf die Galerie gemünzt sind. Damit sind wir bei der Hallenbadfrage. Für uns ist ein solides Schwimmangebot in Siegen unverzichtbar. Bei der Frage der Bäderstandorte, ist uns der Bausachverständigensenat der CDU-Fraktion zuvorgekommen, der mit seiner kompletten Kompetenz das Eiserfelder Hallenbad zwischen Mittagsschlaf und Abendbrot untersucht hat. Wenn die CDU ihre Entscheidungen darauf stützen will, soll sie es tun. Wir verlassen uns auf Experten. Noch kritischer ist der Museumsbunker zu bewerten. Wer vom Spielfeldrand fordert, tut das folgenlos. Aber wir als Rat tragen die Verantwortung, auch für die finanziellen Folgen.

Häufig verhungern Bürgerinnen und Bürger in Siegen am langen Arm der Stadtkommunikation – und damit meine ich nicht die ausführenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Verwaltung, ich meine die Vorgaben. (...) Wir sehen eine Verwaltung, die strukturell noch lange nicht so weit ist, wie man es der Öffentlichkeit zu suggerieren versucht, die im Digitalen noch unendliche Weiten vor sich hat. Wenn Unternehmen so wirtschaften würden wie der öffentliche Sektor, dann läge unsere Gewerbesteuer knapp über Null. Wir täten gut daran, ein wenig mehr Bescheidenheit und Solidität zu pflegen, zu überlegen, was für unsere Stadtgesellschaft das Wesentliche ist und worauf man verzichten kann, weil andere es besser können. Denn eines ist ganz klar: Wir werden in Zukunft verzichten müssen. Heute haben wir noch die Wahl auszusuchen, worauf wir verzichten können. Wenn wir heute nicht handeln, haben wir irgendwann keine Wahl mehr.

Christian Sondermann, GfS Siegen: „Mit belanglosen Beschlüssen Vertrauen verspielt“

Vor fast einem Jahr saßen wir auch hier im Leonard-Gläser-Saal der Siegerlandhalle und haben uns bitterböse um die Eckpunkte des Haushaltes gestritten. Damals haben wir alle noch Maske getragen – die üblichen Verdächtigen zwar eher unterhalb der Nase, aber auch das war normal. In diesem Frühjahr 2022 waren die Fronten verhärtet. Die größte Hürde war seinerzeit noch die Forderung von CDU und SPD, die Steuern noch weiter zu erhöhen. Außerhalb der Opposition hatte scheinbar niemand das Vertrauen, das laufende Jahr ohne weitere Steuererhöhungen zu bestehen. Man bekam den Eindruck, die Welt würde untergehen, wenn die Steuern nicht noch weiter erhöht würden. Ende 2022 wissen wir, dass die Welt nicht untergegangen ist, der Kämmerer der Stadt Siegen berichtet über das abgelaufene Haushaltsjahr und verkündet einen Überschuss von über 12 Millionen Euro. Also: Keine Haushaltssperre, stattdessen 12 Millionen Gewinn! Gut, dass wir uns mit moderaten Erhöhungen durchgesetzt haben, erklären Sie mal den Bürgerinnen und Bürgern ein solches – ja dann sogar noch höheres Jahresergebnis, wenn Sie sich zuvor über die Maßen an Ihnen bereichert hätten. Rückblickend betrachtet, alles richtig gemacht.

Naja, fast alles. Wir haben leider auch nicht alles richtig gemacht. Ich hatte zwar in meinem Wortbeitrag über die Luftfilter von Luftdesinfektionsgeräten gesprochen und auch die Vorzüge solcher Geräte deutlich gemacht, ausgeschrieben waren später allerdings wartungsintensive Trümmer, so groß wie zwei übereinander gestapelte Kühlschränke und so laut, die fallen fast schon unter das Emmissionsschutzgesetz. Man könnte fast den Eindruck gewinnen, die Dinger seien von der Verwaltung nicht so ganz gewollt gewesen. Andernfalls kann ich mir fast nicht erklären, wieso man einen solchen Unfug bereitstellt, den natürlich keine Lehrkraft gerne in ihrem Klassenraum stehen haben will. Hier werden wir für die Zukunft lernen, Beschlüsse und Anträge klarer zu formulieren, damit die Ziele auch erreicht werden können. Die jetzt angeschafften Geräte leisten jedenfalls keinen Beitrag, sie werden vermutlich verstauben.

Kommen wir zum hier und jetzt. Dieses Jahr ist alles anders. Und hier muss ich zunächst kurz an die Sitzung im letzten November denken, als wir unseren Kämmerer wiedergewählt haben und du, Wolfgang, in deiner Dankesrede auch noch einmal den Finger in die Wunde gelegt hast und zum Ausdruck brachtest, was wir uns nun zu Herzen genommen haben. Solch ein Gezanke um den Haushalt doch bitte weitestgehend versuchen zu vermeiden, in dem man frühzeitig zusammensitzt und die Themen gemeinsam berät. Nicht noch einmal so eine Farce, wie wir sie letztes Jahr erlebt haben. Ich denke, das hat auch aus den Reihen der Politik niemand für erstrebenswert gehalten und daher haben wir uns sehr diszipliniert zusammengetan und ein wirklich tolles Paket geschnürt, herausgekommen sind ausgewogene Beschlüsse, die hier und heute auch eine breite Mehrheit finden werden. Und das ist doch auch mal ein tolles Signal nach außen, wir können gemeinsam ganz schön was auf die Beine stellen.

Einige Punkte aus unserem gemeinsamen Haushaltsentwurf wurden ja schon rausgepickt und hervorgehoben, ich freue mich persönlich besonders über die Aufstockung beim Klimaförderprogramm der Stadt Siegen. Diese Förderung ist für unsere Bürgerinnen und Bürger greifbar und unkompliziert und kommt vor Ort an. Das Programm enthält tolle Anreize, etwas für das Klima zu tun und ist so breit aufgestellt, da findet sich jeder wieder. Ich kann jetzt schon sagen, da möchte ich im Haushalt 24 NOCH mehr Geld drin sehen.

Schön finde ich auch, dass wir nach wirklich langem Hin und her – auch in den Fachausschüssen – nun endlich dafür bereit sind, in Siegen mehr Mülleimer aufzustellen. Ja, auch mit Aschenbechern und Pfandringen. Die Pfandringe machen uns das Leben leichter, die Aschenbecher unsere Straßen und Wege sauberer. Das sind Fakten. Und die sind endlich auch überall angekommen. Ein Plus an Sauberkeit für unsere Innenstadt. Unsere Bürgerinnen und Bürger werden es uns danken. Ein wirklich nachhaltiges Projekt sind auch die Trinkwasserspender für alle Siegener Schulen, die ich noch einmal deutlich loben möchte. Ein Plus für die Gesundheit unserer vielen Schülerinnen und Schüler.

Ich hoffe, es wird uns allen gelingen, den positiven Spirit aus den Haushaltsplanberatungen mitzunehmen in dieses Jahr. Wir haben gesehen, dass wir gemeinsam viel erreichen können, wenn wir auf Augenhöhe miteinander reden und debattieren. Der Haushalt ist nun gesichert, was bleibt, ist die Ungewissheit, welche Kröten unsere Bürgerinnen und Bürger unter dem Jahr eventuell wieder schlucken müssen. Hier ist nach meiner Ansicht in 2022 viel Vertrauen verspielt worden, da teilweise zu Unzeiten völlig belanglose Beschlüsse Mehrheiten gefunden haben, die in der Bevölkerung nur zu Kopfschütteln geführt haben und dieses höchste Gremium in Siegen in der öffentlichen Diskussion schlecht haben dastehen lassen. Es kann nicht sein, dass wir inzwischen zwar alle oben ohne baden können, im Stadtgebiet aber nach wie vor die wichtigen Ladesäulen für E-Fahrzeuge in der Fläche fehlen, um nur ein Beispiel zu nennen. Der Fokus muss jetzt auch unter dem Jahr ganz klar auf den wesentlichen Themen liegen. Wir haben uns gemeinsam teilweise große Ziele gesetzt, viele wichtige Beschlüsse müssen daher nun auch endlich in die Umsetzungsphase gelangen. Dem muss unsere ganze Aufmerksamkeit gelten, bevor wir uns wieder im Klein-Klein verlieren.

Hans Günter Bertelmann, UWG Siegen: „Echte Haushaltskonsolidierung sieht anders aus“

Im Verhältnis zum Ukraine-Krieg sind die „Kämpfe“, die wir innerhalb des Rates mit nunmehr 10 Fraktionen zur, ich betone die Anführungszeichen, zur jeweils persönlich richtigen Ausgestaltung des Haushalts unserer Stadt ausfechten, noch nicht einmal als Scharmützel zu bezeichnen. Insoweit begrüßen wir die im Verhältnis zu der Beschlussfassung des Haushalts 2022 in diesem Jahr geradezu friedfertigen Diskussionen und das gemeinsame Ringen um den nunmehr von einer großen Mehrheit getragenen und Ihnen allen vorliegenden Antrag zur Ergänzung, Änderung sowie auch begrenzten Ausweitung des eingebrachten Haushaltsentwurfs 2023.

Erstmals seit vielen Jahren sprechen wir von einem ausgeglichenen Haushalt. Die Ziele des Haushaltssicherungskonzeptes haben wir damit, zumindest auf dem Papier, für dieses Jahr erreicht. Erreicht haben wir diesen Ausgleich u.a. durch unerwartet deutlich gesteigerte Einnahmen aus der Gewerbesteuer sowie – durch einen verharmlosenden Haushaltstrick, den wir mit Genehmigung unserer Gesetzgebung als Corona-Schaden bezeichnen dürfen und eigentlich zusätzliche Corona-Schulden heißen müsste. Denn: die angefallenen und absehbaren Zusatzschulden müssen wir über einen Zeitraum von 50 Jahren zurückzahlen und beschließen mit der Genehmigung dieses Haushalts gemeinsam eine weitere Hypothek für die nach uns kommenden Generationen. Darüber hinaus erhöhen wir, nachdem die Kassenkredite in den letzten Jahren deutlich zurückgefahren werden konnten, den Kassenkreditbestand – oder auch Kontokorrentkredit – erneut um weitere 10 Millionen Euro. Weiterhin erhöhen wir die Höhe der Investitionskredite zur Durchführung aller etatisierten Investitionen um - geplant - fast 20 Millionen Euro oder gigantische 22,2 %. Dem Haushaltsentwurf entnehmen wir zudem, dass wir in der mittelfristigen Finanzplanung bis 2026 von einer Steigerung der Verbindlichkeiten um sage und schreibe 33 Millionen Euro ausgehen müssen. In Anbetracht der noch nicht konkret bekannten und absehbaren Erhöhungen der Finanzierungszinsen und nicht vollends eingerechneten Preissteigerungen in fast allen Ausgabebereichen dürfte bei objektiver Betrachtung eine Gesundung des städtischen Haushalts in weite Ferne rücken. Echte Haushaltskonsolidierung sieht anders aus.

Die UWG-Fraktion hat sich daher entschieden für dieses Jahr keine weiteren Anträge, die negative finanzielle Auswirkungen für den Haushalt haben könnten, zu stellen. Wir wiederholen lediglich einen bereits im Jahr 2009/ 2011 gestellten und beschlossenen, in den Jahren 2017und 2019 erneut behandelten, gleichsam fast militant nicht ausgeführten Antrag zur Durchführung von Maßnahmen zur Reduzierung der Eingangsgeschwindigkeit in ländlich strukturierte Ortsteile Siegens, erneut auf die Tagesordnung zu setzen. Da wir aber deutlich mehr an Lösungen, als an Problemen interessiert sind, haben wir nach erneuten Gesprächen mit der Verwaltung die Zuversicht, dass die Umsetzung nach einer heutigen erneuten Etatisierung in den nächsten 2 Jahren erfolgen kann. (...)

Die UWG-Fraktion wird diesem Haushalt mit den zuvor genannten Bedenken zustimmen. Wir tun dies verbunden mit der Hoffnung, dass mit der für dieses Jahr gefundenen Haushaltsmehrheit in weiteren Gesprächen ein Weg zur deutlichen Reduzierung des Haushaltstaus gefunden werden kann. Wir alle sollten nicht jeder neuen kostenintensiven Maßnahme, so sinnvoll diese bei singulärer Betrachtung auch sein sollte, hinterherlaufen und bei anstehenden Maßnahmen weniger auf das in Anführungszeichen „eigene Klientel“ achten, wie ein ungenannter Parteivertreter es kürzlich bezeichnete. Unsere Klientel im Bereich Kommunalverwaltung, deren Auftraggeber wir sind, sind alle Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt.

Silke Schneider, Die Linke Siegen: „Fahrrad-Förderung ist Standort-Förderung“

Siegen braucht dringend sozialen Wohnungsbau. In den kommenden Jahren wird ein Großteil der heute noch existierenden Sozialwohnungen aus der Preisbindung herausfallen und somit den berechtigten Bürgern nicht mehr zur Verfügung stehen. Wenn es nicht dazu kommen soll, dass sich Siegen nur noch besser Verdienende leisten können, muss schnellstmöglich etwas passieren. Wann wird die KEG endlich mit genügend Personal ausgestattet, um dieser wichtigen Aufgabe nachzukommen? Die private Wirtschaft richtet es eben nicht! Bereits vor der Pandemie gab es Menschen, gab es finanziell benachteiligte Menschen. Wenn erst mal der Mechanismus „ohne Arbeit keine Wohnung und ohne Wohnung keine Arbeit“ gegriffen hat, ist es schwer da wieder ohne Hilfe raus zukommen. Daher begrüßen wir sehr das Konzept „Housing First“ für Siegen. Denn das kann für Viele einen Ausweg aus der Hoffnungslosigkeit bedeuten. In Zeiten von Flucht und Vertreibung ist es wichtig, dass Menschen in Siegen Ansprechpartner finden, die ihnen die Integration erleichtern. Solche Ansprechpartner finden sich im Quartier Hammerhütte im KIQ. Eine Vielzahl von Angeboten sorgt dafür, dass Menschen sich in der Fremde zumindest ein wenig zu Hause fühlen können. Eine wichtige Anlaufstelle war auch der Umsonstladen. Es bleibt nur zu hoffen, dass beides, das KIQ und der Umsonstladen dauerhaft erhalten bzw. wieder eröffnet werden können.

Erinnerungskulturell hat sich die positive Entwicklung des Vorjahres weiter fortgesetzt. Auch wenn das mit dem Bohren ganz dicker Bretter einherging. Von den Empfehlungen des Arbeitskreises „Aufarbeitung der historischen Hintergründe von Straßennamen in Siegen“ sind vier Namen zur Umbenennung bzw. Umwidmung vom Rat bestimmt worden. Drei weitere, zunächst zurück gestellte, hat der AK kürzlich erneut zur Umbenennung vorgeschlagen. Wir gehen davon aus, dass der über alle Parteigrenzen hinweg immer vertrauensvoll-konstruktiv, zielstrebig und mit wissenschaftlicher Unterstützung arbeitende AK auch die weitere Entwicklung effektiv (mit) vorbereiten wird. Dass die Linke weiterhin die Causa „Fissmer“ nicht als final abgehakt betrachtet, sei auch hier noch einmal betont.

Kommen wir zu dem Thema Daseinsvorsorge: Der Zugang zu qualitativ hochwertigem und kostenlosem Trinkwasser gehört für die Linke absolut dazu. Mit unserem Antrag zum Haushalt 2023, leitungsgebundene Wasserspender in allen städtischen Schulen zu installieren, ermöglichen wir insbesondere den Schülerinnen und Schülern den kostenlosen Zugang zu hochwertigem Trinkwasser, was von Seiten der SVB bis zur Übergabestelle der Gebäude geliefert wird. Angesichts zu erwartender künftiger Hitzeereignisse wollen wir diese kostenlose gesunde Alternative zu den kalorienreichen Getränken auch im öffentlichen Raum für die Bevölkerung fordern.

Die LINKE fordert mal wieder mehr Geld für die Förderung des Radverkehrs und begrüßt die vielen bereits sichtbaren Maßnahmen zur Förderung des Radverkehrs in unserer Kommune, die aufgrund ihrer Topographie traditionell keine sogenannte „Fahrradstadt“ sein konnte. Zu viele Berge, zu enge Täler ... und zu viele Blicke durch Tunnel, in denen immer nur Autos unterwegs sind. Die Industrie baut mittlerweile bergtaugliche Fahrräder auch für durchschnittlich trainierte Wadenmuskeln. Auf den Straßen wird die Bevölkerung durch Maßnahmen der Siegener Verwaltung an vielen Stellen sichtbar eingeladen, das Auto stehen zu lassen und mit dem Fahrrad neue Wege durch unsere Stadt zu nehmen. Mehr Investition geht immer, das ist klar, aber wir sehen den Fortschritt. Da sagen wir „Weiter so“. Aus der politischen Führungsetage unserer Kommune hören wir aber noch nicht die klare Ansage an die Bevölkerung, die wir uns wünschen.

Die Menschen in der Stadt Siegen müssen gewonnen werden als Mit-Akteure bei all den notwendigen Veränderungen, die vor uns allen liegen. Die Anlage von Fahrradwegen muss ergänzt werden z.B. durch eine Kontrolle der Parkhäuser, in denen fette SUVs rotzfrech zwei Plätze belegen – aber natürlich nur einen bezahlen. Durch Fahrradboxen in den unteren Etagen der Parkhäuser, an denen auch die silbergrauen Limousinen vorbeifahren müssen. Durch die Umwandlung von Pkw-Stellplätzen zu Abstellanlagen für Fahrräder – sichtbar, attraktiv gestaltet, mit der klaren Botschaft „Komm ́lieber mit dem Fahrrad“. Im „Nationalen Radverkehrsplan 2020“ wurde schon gesagt „Städte mit hohem Anteil an Radverkehr werden als „lebenswerte Stadt“ wahrgenommen. Fahrrad-Förderung ist Standort-Förderung. Wir wünschen uns ehrgeizigere Ziele unserer Stadt: Für das Jahr 2019 wurde für die Stadt Siegen ein Radverkehrsanteil von 3,9 % gemessen und für das Jahr 2030 ein Anteil von 6,3% angepeilt. Im Frühjahr 2020 verkündete der Bürgermeister im Rahmen des Corona-Fahrradbooms: „Der Anteil des Radverkehrs hat sich verdoppelt.“ Da haben wir mal fleißig gerechnet und sind auf 7,8% Anteil des Radverkehrs in der Stadt Siegen schon im Jahr 2020 gekommen. Wie wäre es dann zum Beispiel mit 15% für das Jahr 2030? Wir sind überzeugt, dass die Menschen in unserer Stadt das wollen.

Auch in unserer Stadt sind Schulen zu Orten geworden, in denen Vielfalt herrscht und Integration gelingt – bei allen Problemen, die das notwendig mit sich bringt. Besondere Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen brauchen auch besondere Betreuung – neben dem „Recht auf individuelle Förderung“, das im NRW-Schulgesetz in §1 für alle Schülerinnen und Schüler festgeschrieben ist. Beides kann in großen Systemen geleistet werden – wenn sie organisatorisch und pädagogisch für beide Aufgaben gut aufgestellt werden. Dann bieten sie auf der einen Seite die emotionale Wärme kleiner Gruppen und die Verlässlichkeit enger pädagogischer Unterstützung. Dann bieten Sie aber auf der anderen Seite im selben System die Möglichkeit für Kinder und Jugendliche, sich auf neue Wege zu begeben – wenn zum Beispiel ihre zunehmende Beherrschung der deutschen Sprache den persönlichen Talenten Raum verschafft. Langfristig sind auch für die Kommunen die großen Schul-Systeme billiger. Sie vermeiden die Parallelwelten vieler Einzel-Verwaltungen und Zuweisungen von Förderkräften.

Wir haben zunächst die Hauptschule Achenbach und die Realschulen dabei unterstützt, Gehör zu finden. Für ihre berechtigte Sorge, dass ihre besonders gute Ausstattung mit pädagogischem Personal im Rahmen einer Gesamtschule nicht mehr in gewohntem Umfang zur Verfügung stehen könnte. Nur aus diesem Grund haben wir zunächst gegen die Errichtung einer 4. Gesamtschule in Siegen gestimmt. Die Schulen haben sich aus unserer Sicht dann einer politischen Kampagne angeschlossen, die das dreigliedrige Schulsystem auf Dauer erhalten möchte – gegen alle wissenschaftlichen Belege, dass selektive Systeme weniger leistungsfähig sind als integrierte Systeme. Das fanden wir falsch. Wir wünschen der 4. Gesamtschule in Siegen viel Erfolg – und wir hoffen, dass die Lehrerinnen und Lehrer der Hauptschule und der Realschulen ihr pädagogisches Feuer in diese neue integrative Schule tragen.

Samuel Wittenburg, Volt Siegen: „Wir freuen uns auf die Kommunalwahl im Jahr 2025!“

Das vergangene Haushaltsjahr 2022 lässt uns optimistisch auf das Jahr 2023 schauen. Die Gewerbesteuereinnahmen waren im Jahr 2022 so hoch wie nie. Als Stadtgemeinschaft haben wir die Flüchtlingsströme aus der Ukraine gut gemeistert. Wir haben gemeinsam unser Schulsystem repariert & verschlankt – egal wie das Bürgerbegehren ausgeht.. die Anmeldezahlen zeigen, dass wir als Rat die richtige Entscheidung getroffen haben. Eine Spitze sei erlaubt: Ich bin froh, dass wir im vergangenen Jahr die Steuern nicht wie vorgeschlagen erhöht haben. Und dennoch: Die Zukunft ist ungewiss. Es ist fraglich, ob die Gewerbesteuereinnahmen so hoch bleiben…Es ist völlig offen, wie lange der Krieg in der Ukraine noch dauert. mit all seinen Folgen: hohe Energiepreise, Flüchtlingsströme und Unsicherheiten für die heimischen Unternehmen. Es ist beängstigend zu sehen, wie viele Menschen unter den Folgen der Inflation leiden. Dabei wird nicht nur der Wocheneinkauf teurer, es sind auch die Energiepreise, die Tierarztrechnungen und die eigene Mobilität.

Wir als Stadt Siegen können nicht alle Kämpfe kämpfen. Auf Facebook liest man häufig, dass man sich als Kommunalpolitiker doch mal mit den größeren Dingen beschäftigen sollte: Krieg, Inflation u.v.m. Viele Probleme können wir nicht lösen, einfach weil sie von anderen gelöst werden müssen: von Landesregierung, Bundesregierung und von der EU. Was wir machen können? Wir können uns im Kleinen darum kümmern, dass die Weichen in dieser Stadt auf Zukunft gestellt werden. In diesem Zusammenhang freuen wir uns sehr über die von der Verwaltung geplante Umweltspur von Geisweid bis Siegen-Mitte. Individuelle Mobilität muss günstiger werden, das schaffen wir mittelfristig nur mit einem wirklich attraktiven ÖPNV sowie guten und sicheren Fahrradwegen – zumindest für die städtische Bevölkerung. An dieser Stelle ist auch schön zu sehen: gute und zukunftsweisende Maßnahmen müssen gar nicht so viel kosten. Der Beton ist schon da, er wird nur umgewidmet.

(...) Anders als in den vergangenen Jahren waren in diesem Jahr alle demokratischen Parteien über alle Parteigrenzen hinweg gewillt, den Haushalt gemeinsam und ohne Streit zu beschließen. So traf man sich seit Dezember regelmäßig von Linken bis CDU, um ein großes Paket zu schnüren. Die vergangenen zwei Monate haben gezeigt, dass wir keine große oder kleine Kooperation brauchen. Das einzige, was wir wirklich brauchen, sind viele konstruktive Gespräche und eine fähige Verhandlungsführung. Mit diesem Paket zeigen wir, dass „in der Mitte treffen“ nicht heißen muss, Kompromisse schließen oder Kröten schlucken zu müssen. Wir zeigen, dass es einen Wettbewerb der Ideen und nicht der Parteien geben kann. So sollte Kommunalpolitik für die Bürger immer sein.

Welche Punkte uns besonders wichtig sind: Das Klimaförderprogramm der Stadt ist sehr beliebt. Im vergangenen Jahr wurden Balkonkraftwerke, E-Mobilität und Klimaschutzmaßnahmen von Bürgerinnen und Bürgern beantragt und von der Stadt gefördert. Wir freuen uns, dass die Fördermittel für das kommende Jahr erhöht werden, sodass noch mehr Bürgerinnen und Bürger von der städtischen Förderung profitieren können. Mit dem Aufstellen von Mülleimern an von Hundebesitzern stark frequentierten Waldwegen, wollen wir das Ärgernis „Hundekot auf Waldwegen und Wiesenflächen” endlich angehen. Liegengelassener Hundekot ist nicht nur ärgerlich, er kann auch gefährlich werden. Das neue pädagogische Programm des Siegerlandmuseums ist eine Erfolgsgeschichte. Durch die nun geschaffene Vollzeitstelle kann diese fortgeführt und erweitert werden. Die Erweiterung des Angebots der Stadtbibliothek um eine Leseförderung ist uns ein absolutes Herzensanliegen. Die Fähigkeit “Lesen” ist das Tor zur Welt und ein entscheidender Faktor für eine erfolgreiche Schullaufbahn. Wir würden uns freuen, wenn auch Erwachsene von diesem Programm profitieren.

Wie Sie sehen, haben wir von Volt auch an der einen oder anderen Stellschraube drehen können. Der Änderungsantrag zum Haushalt – alles das, was sie bisher von den Kolleginnen und Kollegen gehört haben – ist aber ein Gesamt- und Gemeinschaftswerk. Wir stehen hinter jedem Vorschlag aus diesem Änderungsantrag. Abschließend noch ein persönliches Wort: Wir werden uns auch im kommenden Jahr und im kommenden Haushalt einbringen. Es gibt noch viel zu tun; insbesondere im Radverkehr und in den Bereichen Smart-City sowie Wohnraum sehen wir Potenzial. Aktuell sind wir noch die kleinste Fraktion im Rat, was auch bedeutet, dass wenig Personen viel Arbeit haben. Aber auch das wird sich ändern. Wir freuen uns auf die Kommunalwahl im Jahr 2025!

Michael M. Schwarzer, AfD Siegen: „Wir werden nicht gefragt. Warum eigentlich nicht?“

Gut sieht er aus, der Haushalt 2023! Auf den ersten Blick nur Positives: keine klaffenden Lücken bei den wichtigen Aufgaben, eine – sagen wir mal: wohlgenährte – schwarze Null am Ende… und vor allem: kein Haushaltssicherungskonzept erforderlich! Die Kompetenz und Sorgfalt, mit der der Kämmerer seine Arbeit erledigt (und für die er auch einstimmig wiedergewählt wurde), zeigt das Papier in jeder Zeile, in jeder Zahl. Zustimmung zum Haushaltsplan und – weil’s ja so bequem ist – gleich auch zum Stellenplan scheint angesichts dessen reine Formsache.

Es sei denn, man schaut genauer hin. Das haben wir gemacht. Und vorher haben wir noch etwas anderes getan: Wir haben uns aufs Fahrrad geschwungen und sind sehenden Auges durch Siegen gefahren. Dabei entdeckt man sehr bald sehr vieles, was gerichtet werden müsste. Da rede ich nicht nur, aber auch und ganz konkret über unser Straßennetz. Es ist mittlerweile ein Symbol für den Gesamtzustand, in dem sich unser Land und ebenso unsere Stadt befinden. Ein Zustand, den nicht die Verwaltung zu verantworten hat. Die hier in Siegen einen ganz ausgezeichneten Job macht. So gibt es nach unserer Beobachtung nur wenige Verwaltungsvorlagen, die man nicht guten Gewissens einfach nur durchwinken könnte. Vorausgesetzt natürlich, man bewertet sie rein pragmatisch, vernunftbestimmt und lösungsorientiert. Aber genau da liegt der Hase im Pfeffer.

Es sind zum viel zu großen Teil ideologisch motivierte Anträge, die hier im Rat von einigen – meist den ganz-links/grünen – Parteien gestellt werden. Sie kosten das Geld der hart arbeitenden Steuerzahler, kommen diesen aber nicht zugute. Denn es wird nicht für die Kernaufgaben des Staates und damit einer Förderung des Gesellschafts- und Wirtschaftslebens verwendet, sondern dient hauptsächlich der Umverteilung. Nicht selten von hart arbeitenden zu nicht arbeitenden Menschen. Statt also in das marode Straßennetz zu investieren, fließt das Geld in Sozialprojekte, deren Bandbreite immer neue Bereiche zu erschließen sucht. Im Ergebnis dürfen wir uns dann rühmen, z.B. bei den Aufwendungen für Integrationshelfer an 3. Stelle aller Kommunen zu stehen, aber für dringendst erforderliche Unterhaltungsmaßnahmen der Straßen nur 31 Cent pro m² und Jahr auszugeben statt der empfohlenen 1,30 €. Das ist eine Verhöhnung des Steuerzahlers, der das Recht hat, für seine Abgabenlast wenigstens auf ordentlichen Straßen zu fahren. Kann er aber nicht, darf sich stattdessen in dem wohligen Gefühl sonnen, immer mehr Wohnungen nach DDR-Vorbild zu finanzieren und unzählige Projekte zu unterstützen, die keineswegs dem Allgemeinwohl dienen, sondern einzelnen Interessengruppen.

Meine Fraktion mahnt daher von Anfang an eine dringend gebotene Haushaltsdisziplin an und eine deutlich größere soziale Gerechtigkeit, die in erster Linie die Interessen der arbeitenden Bürger Siegens, der Selbstständigen und der Unternehmen, kurzum der Steuerzahler, und natürlich der Rentner, die unseren Wohlstand aufgebaut haben, in den Vordergrund stellt. Diesbezügliche Vorstöße meiner Fraktion werden jedoch hartnäckig ignoriert. Doch auch, wenn gemeinsame Anträge gestellt werden, oder, so wie heute, die Verwendung des Sitzungsgeldes abgesprochen wird, werden wir nicht gefragt. Warum eigentlich nicht? Haben wir irgendetwas falsch gemacht? Haben wir uns irgendetwas zuschulden kommen lassen? – Nein! Das hat uns auch noch nie jemand vorgeworfen. Der tatsächliche Grund ist so simpel wie erschreckend: Weil einige wenige hier im Rat im Brustton der Überzeugung und moralischen Erhabenheit postulieren, mit Vertretern der AfD dürfe man nicht reden, nicht verhandeln, sie am besten einfach nur hassen. Und wer dazu eine andere Meinung habe, sei böse. Und weil keiner böse sein will, machen die meisten dieses Spielchen mit: Es ist einfacher, die drei von der AfD auszugrenzen, als sich mit Totschlag-Argumenten von Demagogen herumärgern.

Verstehen Sie mich nicht falsch: Auch ich rede mit bestimmten Leuten nicht, verhandele nicht mit ihnen, will mit ihnen nichts zu tun haben. Aber nicht pauschal, und schon gar nicht, nur weil sie einer bestimmten Partei angehören. Ich höre aus vielen Parteien allerlei Unsinn, aber deswegen unterstelle ich nicht jedem Parteimitglied die gleiche Gesinnung. Ich bin in diesem Sinne auch der letzte, der bestreitet, dass es Töne aus der AfD gibt, die mehr als drüber sind. Ich bin allerdings einer der ersten, der zweifelhafte oder gar untragbare Leute bekämpft, auch in der eigenen Partei. Als Landespressesprecherund danach 5 Jahre Sprecher der Landtagsfraktion NRW habe ich mir mit dieser Haltung nicht nur Freunde gemacht in der Partei, bin dennoch nie auch nur einen Millimeter von dieser Linie abgewichen. Gleiches gilt für meine beiden Fraktionskolleginnen, die ehemalige Pressereferentin der AfD-Landtagsfraktion, Annette Six, und natürlich für Sabrina Schmidt. Und hier im Rat z.B. erfolgte der Ausschluss des amtierenden AfD-Kreisvorsitzenden, Roland Steffe, aus unserer Fraktion auf gemeinsamen Antrag und einstimmigen Beschluss aller anderen Fraktionsmitglieder. Und wenn wir nun die selbsternannte Alternative für Siegen ausgrenzen, dann deshalb, weil wir diesen Leuten etwas Konkretes vorzuwerfen haben, und nicht, weil wir sie in Sippenhaft für andere nehmen. (...)

Angesichts vieler Unwägbarkeiten können wir dem Haushaltsentwurf nicht zustimmen. Werden ihn allerdings auch nicht ablehnen, sondern uns enthalten, schon aus Respekt vor der Arbeit des Kämmerers und natürlich auch, weil es am Abstimmungsergebnis nichts ändert, und weil wir ja auch froh sind, dass wir diese dicke schwarze Null da stehen haben. Ablehnen müssen wir hingegen den Stellenplan. Auch dieses Votum ist keineswegs als Kritik an der Verwaltung zu verstehen, denn der unstillbare Bedarf an Personal ist vor allem das Ergebnis einer überbordenden Bürokratie, unter der Bürger und Verwaltung gleichermaßen zu leiden haben, und einer von Bund und Land diktierten Politik, die in den Kommunen umgesetzt werden muss – ohne, dass wir ernsthaftes Mitspracherecht hätten.

Deshalb ist das Arbeitsaufkommen der Verwaltungsangestellten in den letzten Jahren rasant gestiegen. Längst arbeiten sie an oder gar über ihrer Belastungsgrenze. Wir brauchen also mehr Kollegen in der Stadt, mehr sogar, als der Stellenplan ausweist. Doch es fehlt das Geld. Weil es anderer Stelle ausgegeben wird. Und auch die Gewichtung ist teilweise kritikwürdig. Geschäftsbereich 5 mit Sozial- und Jugendhilfe hat den weitaus größten Neustellenbedarf – mehr als alle anderen Geschäftsbereiche zusammen. Sicher nicht völlig zu Unrecht, nur muss man natürlich auch wissen, dass die Stadt Siegen bereits jetzt einen überdurchschnittlichen Fehlbetrag z.B. im Bereich „Hilfe zur Erziehung“ aufweist und sich vor diesem Hintergrund fragen, ob die Betreuungsbehörde wirklich noch zwei neue Mitarbeiter braucht, die beide in einer Gehaltsklasse von fast 100.000 € pro Jahr liegen. Oder wie wichtig eine mit 64T € dotierte Stelle für die sog. Inklusive Jugendhilfe für das Allgemeinwohl ist. Fünf neue Mitarbeiter sollen auch für die Wohngeldstelle angeheuert werden. Das allerdings ist unbedingt notwendig, das ist eigentlich sogar zu wenig. Da man in Berlin beschlossen hat, die explodierenden Energiekosten durch mehr Mietbeihilfen zu kaschieren, können nun dreimal so viele Haushalte wie bisher Wohnkostenzuschuss bekommen – und werden das wohl auch beantragen!

Das ist ein plakatives Beispiel für das, was ich eingangs beklagte: Die Versäumnisse der Regierung werden sozialisiert, ausbaden müssen es finanziell die Steuerzahler und technisch die Kommunen. Wie wir das hier stemmen wollen, auch mit fünf neuen Mitarbeitern, steht in den Sternen. Ebenso, ob wir die ausgeschriebenen Stellen überhaupt besetzen können angesichts der alarmierenden Personalknappheit, die ja auch nicht gottgegeben ist, sondern konkrete Ursachen hat. Ob sie der Grund für die Zurückhaltung der Geschäftsbereiche 1 bis 4 ist, kann ich nicht beurteilen, aber falls doch: Das kann auch nicht die Lösung sein. Im Geschäftsbereich 1 hat man die Zeichen der Zeit offenbar erkannt. Dort nämlich ist die Stelle eines Krisenmanagers ausgeschrieben: Wenn wir uns auf eines verlassen können, dann auf die Ankunft der nächsten Krise. Und wenn wir selbst eine erfinden müssen!