Netphen. Alle Städte in Siegen-Wittgenstein legen ihre Müllabfuhr zusammen – kostet das dann weniger oder mehr Geld? Argumente gibt es für beide Antworten
Ob die Städte und Gemeinden im Kreis Siegen-Wittgenstein ihre Müllabfuhr gemeinsam organisieren sollten, wird im Jahr 2023 untersucht. Wenn die Empfehlung positiv ist, wird sie auch umgesetzt. Dazu verpflichten sich in den kommenden Wochen nacheinander die Räte der beteiligten Kommunen. Auch Netphen nimmt sich jetzt das Thema vor.
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Was ist geplant?
Die einen haben grüne, die anderen blaue, braune und graue Tonnen, manche gelbe Säcke, andere gelbe Tonnen. Manche Gefäße werden alle 14 Tage, andere alle vier Wochen geleert. Weil das in jeder Stadt anders ist, müssen die Abfuhrunternehmen ihre Touren entsprechend planen und Fahrzeuge passend ausrüsten – mal eben jenseits der Stadtgrenze noch ein paar Tonnen leeren, um den Lkw zu füllen, ist da schon technisch nicht drin. Wenn es sich lohnt, sollen die Kommunen nun ihre Abfuhrsysteme aufeinander abstimmen und den Müllabfuhr-Auftrag gemeinsam vergeben.
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Was sagt die Politik?
Bisher gab es durchweg Zustimmung, und die wird es wohl auch im Netphener Rat geben. Im Hauptausschuss gab es aber auch skeptische Stimmen. Eine Zusammenarbeit bei der Müllabfuhr sei sicher „sehr naheliegend“, sagte Manfred Heinz (SPD) jetzt im Hauptausschuss. Billiger geworden sei bisher aber eine Dienstleistung noch nie, wenn sie von einer größeren Einheit übernommen werde. Auf der einen Seite würden zwar die Städte und Gemeinden gemeinsam starke „Nachfragemacht“ aufbringen. Auf der anderen Seite könnten dann nur noch große Unternehmen solche Aufträge annehmen: „Der Marktzugang von kleinen Entsorgern ist dann so gut wie unmöglich.“ Klaus-Peter Wilhelm (UWG) pflichtete bei: „Die Großen werden uns die Preise diktieren.“ Silvia Glomski (Grüne) warnte davor, die Müllabfuhr in unerreichbare Ferne zu vergeben: „Es muss gewährleistet bleiben, dass Ansprechpartner vor Ort sind.“
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Sinken die Müllgebühren?
„Das glaube ich nicht“, meint Kämmerer Hans-Georg Rosemann. Bei einer früheren Ausschreibung der Müllabfuhr sei bereits die Zusammenarbeit mit einer Nachbargemeinde erwogen worden. „Die Abfuhrunternehmen haben uns davon abgeraten.“ Es habe sich herausgestellt, dass Netphen die richtige Größe hat, um ein Müllfahrzeug auszulasten – die Touren passen, um voll befüllte, dauerhaft in Netphen stationierte Fahrzeuge zur Umladestation auf der Deponie zu schicken.
Im Nachbarkreis Olpe sind alle Kommunen im „Zweckverband Abfallwirtschaft im Kreis Olpe“ (ZAKO) zusammengeschlossen,. als letzte kommt 2024 Attendorn dazu. Der Kreis überträgt dem ZAKO seine Aufgabe zur Abfallentsorgung in den Verbrennungsanlagen oder im Kompostwerk, die Städte und Gemeinden überlassen dem ZAKO die Einsammlung des Mülls, also die Müllabfuhr. Dafür zahlen die Kommunen eine Umlage. Die Müllgebühren im Kreis Olpe sind dennoch nicht in jeder Kommune gleich – das liegt an den weiteren Dienstleistungen, die sie noch selbst erbringen, an Einwohnerzahl und Müllmenge. Der Bund der Steuerzahler vergleicht jährlich die Gebühren für einen Muster-Vierpersonenhaushalt. 2022 zahlte der Standard-Haushalt in Kirchhundem 183,12 Euro, in Olpe 234 Euro, die anderen Kommunen lagen dazwischen. In Siegen-Wittgenstein, wo jede Stadt und Gemeinde ihre eigene Müllabfuhr beauftragt, wurden zwischen 170,37 Euro (Siegen) und 330,72 Euro (Netphen) verlangt.
Duales System
Nicht zuständig sind Gemeinden, Städte und Kreis für Entsorgung und Verwertung von Verkaufsverpackungen, die sich in gelben Tonnen (Plastik), Papiertonnen und Glasiglus finden.
Weil derselbe Stoff sowohl in Verkaufsverpackungen als auch in anderen Erzeugnissen vorkommt, müssen Kommunen und das vom Handel beauftragte „Duale System“ sich regelmäßig abstimmen, wie gesammelt wird und wer welche Kosten trägt. Das geschieht in der Regel alle drei Jahre – bereits auf Kreisebene.
Mit der vom Kreis geplanten Einführung der Wertstofftonne für jeden Kunststoffmüll (nicht nur Verpackungen) wird sich der Abstimmungsbedarf vergrößern.
Sind die kleinen Müllabfuhrunternehmen billiger als die großen?
Dieser Vergleich ist in Siegen-Wittgenstein nicht mehr möglich – die „Großen“ haben den Markt weitgehend in der Hand. In Kreuztal, Netphen und Wilnsdorf ist Marktführer Remondis unterwegs, in Neunkirchen, Freudenberg und Hilchenbach Prezero, ein mittlerweile auch unter die Umsatz-Top-Ten in Deutschland aufgestiegenes Entsorgungsunternehmen, das wie Lidl und Kaufland zur Schwarz-Gruppe gehört. Um viele Ecken führt übrigens diese Spur zurück nach Kreuztal: Die Städtereinigung Schneider in Dillenburg war in Besitz des Kreuztaler Mülleimerherstellers Gebrüder Otto, bevor sie von Sita und die wiederum von der französischen Suez übernommen wurde, die ihre Deutschland-Beteiligung am Ende an die Lidl-Eigentümer verkauft hat. Als mittelständischer Akteur mit hessischer Herkunft ist Knettenbrech-Gurdulic neu auf den Siegerländer Markt gekommen. Der Betreiber des Wertstoffzentrums Siegerland auf dem Haardter Berg ist in Netphen und in Burbach in die Müllabfuhr eingestiegen. Die Stadt Siegen setzt in ihrem Stadtgebiet statt einem Privatunternehmen die eigene Stadtreinigung ein – ein Modell, das die Gemeinde Wilnsdorf ausdrücklich mit aufgegriffen sehen möchte, „um eine Alternative zu den stark verengten Marktstrukturen im Entsorgungsbereich mit massiven Kostensteigerungen anbieten zu können“.
Wann kommt die Kreis-Müllabfuhr?
„Irgendwann in zehn, 20 Jahren“, schätzt Manfred Heinz (SPD) im Netphener Hauptausschuss. Möglich wird der Zusammenschluss wahrscheinlich schrittweise, immer dann, wenn ein Abfuhrvertrag ausläuft. Hilchenbach hat sich bis Ende 2029 gebunden, Netphen mit seinem in diesem Jahr erst neu gestarteten Entsorger bis 2030.
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