Siegen. Eine wilde Verfolgungsjagd vor Gericht: Es geht um Drogen, eine Waffe - und jede Menge Pfandzettel.
Es war eine ziemlich wilde Sache, die der Angeklagte am 23. Januar 2021 abgezogen hat. Er räumte im Siegener Kaufland in der Hagener Straße eine Spendenbox für die Tafel aus, in der Pfandbons gesammelt wurden, ließ sich gemäß der Anklage 213,76 Euro auszahlen und verschwand aus dem Markt. Eine gute Viertelstunde später war er wieder da, ließ sich ein Taxi bestellen. Erfolgreich. Damit begann eine kleine Odyssee durch Siegen, die schließlich mit einem Autounfall und seiner Festnahme durch die ihn verfolgende Polizei endete.
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Nach Griff in Spendenbox Taxi bestellt
Seit Dienstag wird das Geschehen vor der 1. Großen Strafkammer des Landgerichts Siegen aufgearbeitet. Ein erster Versuch vor einigen Wochen war an Corona gescheitert, „Ich will aussagen, aber ich erinnere mich eigentlich kaum“, sagt der Angeklagte G. mit Bedauern in der Stimme. Er ist inzwischen 35, stark drogenabhängig und stand auch zur Tatzeit unter Alkohol, Drogen, Methadon und diversen Medikamenten.
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Nach den Ermittlungen war er gegen 16.15 Uhr tatsächlich in das bestellte Taxi gestiegen und wollte „nach Achenbach“. Der Fahrer wollte gerade rückwärts durch eine Einbahnstraße vom Gelände fahren, als drei Mitarbeiter auf den Wagen zukamen und ihn aufhielten. Der Angeklagte flüchtete vom Rücksitz, rannte davon, der Zeuge rief die Polizei, ohne den genauen Grund zu wissen. Dann fuhr er dem Mann nach, der sich plötzlich umdrehte und wieder in den Wagen stieg, jetzt Richtung Fludersbach wollte.
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Dieb schlägt Autobesitzer in die Flucht
Der Fahrer sprach während der Tour mit der Polizei, bis ihn der Mann auf dem Rücksitz unterbrach und ihm erklärte, eine Waffe zu haben. Irgendwann sei ein Streifenwagen hinter ihnen zu sehen gewesen, er habe dies dem Fahrgast gesagt. Dieser habe ihm erklärt, er solle alle Anhaltesignale ignorieren und hinterher sagen, dazu gezwungen worden zu sein. „Ich stand unter Schock“, sagt der Zeuge, will sich aber dennoch nicht bedroht gefühlt haben. „Er war nett zu mir. Ich habe auch keine Waffe gesehen“, berichtet er weiter.
Der Angeklagte floh erst zu Fuß, versuchte dann, mit der Schreckschusswaffe in der Hand mehrere Wagen anzuhalten. Der Fahrer des ersten Autos hielt nicht an, ein weiterer Wagen kam direkt auf ihn zu und fuhr ihn um. Dann erwischte er ein drittes Fahrzeug, dessen Insassen flohen. G. fuhr mit dem Wagen los, bis er sich auf einem Fußgängerweg in einem Zaun verfing und an diesem mit dem gestohlenen Audi einen Sachschaden von 1560,62 Euro verursachte. Er wollte zu Fuß fliehen, stieg dann doch wieder ein und wurde schließlich nach einem Warnschuss festgenommen.
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Filmriss vor und während der Tat
All das will G. nur noch in kleinen Fetzen im Kopf haben. Die Szene vor der Spendenbox, später kurz die Polizei im Rückspiegel, die Festnahme, das Aufwachen in der Zelle. Der 23. Januar war ein Samstag. Er wisse noch genau, am Mittwoch bei einem Bekannten gewesen zu sein, um Heroin zu kaufen. Der hätte aber nichts gehabt, ihm stattdessen Tabletten umsonst gegeben, von denen G. gleich reichlich konsumiert haben will. Und der andere habe ihm eine Waffe in die Hand gedrückt, „mach einen Raub“. Das sei nicht sein Ding, „ich war erschrocken, was ich alles gemacht habe“. Die Waffe hätte auf dem Tisch gelegen und er habe sie tatsächlich eingesteckt, „um sie zu verkaufen“.
Wenn die Tat tatsächlich erst am Samstag geschehen sei, fehlten ihm schlicht zwei Tage. Er habe erst einmal gefragt, „ist jemand zu Tode gekommen“, fühle sich sehr schlecht und wolle sich bei allen entschuldigen, versichert der junge Mann. An der Kasse im Kaufland war er aufgefallen, weil sich eine Mitarbeiterin über die vielen Pfandscheine wunderte, die ihre Kollegin über den Scanner zog. Trotzdem sollen die 213,76 Euro ausgezahlt worden sein.
Urteil nicht vor Mitte Mai
Was allerdings Verteidiger Andreas Trode in Frage stellt. Er könne aus den Akten nicht ersehen, ob das die Gesamtsumme der geklauten und sichergestellten Bons sei oder nur der Wert, den sein Mandant bekommen habe. Oder gar die nicht eingelösten Exemplare. Der Prozess geht am Mittwoch und Donnerstag weiter. Ein Urteil wird nicht vor Mitte Mai erwartet.
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