Weidenau. Der Streit mit dem Vermieter ließ sich nicht beilegen. Hüseyin Fidan muss das Café NomNom schließen. „Das war Lebensgefühl mitten in Weidenau.“

Das „NomNom“ war sein Baby, sagt Hüseyin Fidan, aber jetzt ist er einfach nur noch froh, dass es vorbei ist. „Ich hatte richtig Bauchschmerzen“, sagt der Gastronom. 20 Jahre betrieb er das Café im Weidenauer Einkaufszentrum, investierte vor wenigen Jahren noch viel Geld, Arbeit und Liebe ins NomNom. Dann kam Corona, ein Streit mit dem Betreiber des Siegerland-Zentrums, der auch vor Gericht landete, jetzt ist das Café Geschichte. „Ich bin ein positiver Mensch, aber das tut richtig weh“, sagt er.

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2002 eröffnete Hüseyin Fidan das erste Café im Erdgeschoss des Siegerlandzentrums. Zentral mittendrin, direkt an den Rolltreppen, ein „Segafredo“, als Kaffeebar, wie es sie in vielen Einkaufszentren gibt. Und wollte schnell mehr: Eine große Theke, selber gebaut, richtig guten Kaffee, alle Beschäftigten machten eine Barista-Ausbildung. In Köln. Die heutige Café-Kultur gab es damals so noch nicht. Man durfte in der Gastronomie noch rauchen. Zeitung, Espresso, Zigarette – „das war Lebensgefühl mitten in Weidenau“, erinnert sich Fidan.

Für die Disco in Siegen nach Schweden, für die Kaffeebar nach Hongkong und Berlin

Vollautomaten kamen mit der Zeit in Mode, guten Kaffee gab es auch woanders. Fidan erweiterte sein Konzept erneut. Er schuf das NomNom, zugeschnitten auf junge Leute. Gefüllte Bubble-Waffeln waren der Trend, Fidan und sein Sohn flogen nach Hongkong, führend bei Street Food. 14 Tage besuchten sie Bars, sprachen mit Leuten, arbeiteten das Konzept aus. Und sie fuhren nach Berlin, wo viele Läden Frozen Yoghurt anboten, auch so ein Trend, der aus den USA in die europäischen Metropolen schwappte.

Zu Anfang eine Kaffee-Theke, dann ein Trend-Café mitten im Einkaufszentrum: Das NomNom in Weidenau.
Zu Anfang eine Kaffee-Theke, dann ein Trend-Café mitten im Einkaufszentrum: Das NomNom in Weidenau. © Hendrik Schulz

„Das hab’ ich bei allen meinen Objekten so gemacht“, erzählt Hüseyin Fidan: Wenn er etwas Neues schafft, redet er vorher mit den Leuten, die das bisher am besten machen. Bevor er 2012 den Reichwaldz-Club im Kellergeschoss des Cinestar-Gebäudes eröffnete, war er zum Beispiel in Schweden. Weil die da seinerzeit schon Becher aus Mehrwegplastik hatten statt Glas, man konnte mit Karte zahlen und sie hatten die besten, diskretesten, freundlichsten, transparentesten Sicherheitsdienste, sagt Fidan. „Die Clubs in Stockholm funktionierten alle ähnlich.“ Und alle gut – das wollte er für Siegen auch.

Das NomNom im Einkaufszentrum Weidenau boomte regelrecht – bis Corona kam

Genau so mit dem NomNom. In Weidenau bauten sie um, verlegten Boden, zogen Glaswände ein, kauften Möbel und Maschinen, stellten Leute ein, „nahmen richtig Geld in die Hand“, sagt Fidan. Allein die Maschine für Frozen Yoghurt kostete eine fünfstellige Summe. Am 1. Juli 2018 eröffnete das NomNom an gleicher Stelle, aber mit ganz anderem Gesicht. „Das war wirklich, wirklich cool“, sagt Fidan, „die Kinder waren verrückt danach.“ Viele Schülerinnen und Schüler vom nahen Evau rannten ihm die Bude ein, schlagartig hatte er mit neuem Konzept 50 Prozent mehr Umsatz und es wurde immer mehr.

Dann kam die Pandemie.

Im Lockdown waren die Läden zu. Es kamen kaum noch Kunden, im ganzen Einkaufszentrum nicht. Fidan hatte enorme Probleme, die Hygiene-Vorgaben umzusetzen – das NomNom liegt mitten im Durchgangsbereich, er konnte keine Sicherheitsabstände abtrennen. Außerdem verlor er massiv Personal, die Leute hatten Angst, sich bei der Arbeit zu infizieren. „Hätte ich aufgemacht, hätte mich das unglaublich viel Geld gekostet“, sagt Fidan. Betriebswirtschaftlich sei das absoluter Unsinn gewesen. Er ist eingetragener Geschäftsmann, alle seine Läden laufen auf ihn. NomNom und Café Casablanca warfen in der Pandemie nichts ab, bei laufenden Kosten. Der Lieferdienst Casas Pizza aber lief mehr als gut, damit konnte Fidan seinen Leuten die Löhne zahlen und sich über Wasser halten. Das machte es aber schwierig für die Corona-Hilfen, die abhängig vom Umsatz gezahlt werden.

Irgendwann landet der Streit ums NomNom in Siegen vor Gericht

Er beantragte fürs NomNom eine Mietminderung beim Vermieter, der hingegen pochte auf die Öffnungspflicht. Es ging hin und her, um Corona-Hilfen, Mietrückstände und -minderungen. Die Kommunikation hakte, Fidan verlor auch mal die Fassung. „Da habe ich einen Fehler gemacht“, gibt er zu. Die Kündigung verpasste er, weil er im Urlaub war, der Streit landete vor Gericht, auch da konnte keine Einigung erzielt werden, irgendwann gab er nach. „Irgendwann reichts“, sagt Hüseyin Fidan. „Wenn man nachts nicht mehr schlafen kann...“ Dabei, findet er, habe Corona doch mehr als deutlich gemacht, wie wichtig die Gastronomie ist. Er hätte sich mehr Entgegenkommen vom Eigentümer gewünscht, der Betreiber des Siegerland-Centers weist das zurück: Fidan habe kein Interesse an einer Kooperation gezeigt, man habe versucht ihm zu helfen.

Auch das Podest im überdachten Bereich des Einkaufszentrums hat Hüseyin Fidan hergerichtet.
Auch das Podest im überdachten Bereich des Einkaufszentrums hat Hüseyin Fidan hergerichtet. © Hendrik Schulz

Technik und bewegliches Mobiliar hat Fidan rausgeholt, alles andere überlässt er dem Siegerland-Center, das ist der Deal der Anwälte. Er hatte einen Kunden, der das NomNom übernommen hätte, weitgehend so, wie es war, der noch einen halbwegs vernünftigen Preis gezahlt hätte. „Sie wollen ihn nicht.“ Fidan kann das nicht nachvollziehen. „Ich weiß, wie schwer es ist, einen guten Mieter zu bekommen.“ Irgendwann werde er wohl auf diese Sache zurückschauen und darüber lachen. Aber jetzt kann er das noch nicht. Unterm Strich hat er ziemlich Verlust gemacht, finanziell. Und Gastronomen sind keine reinen Geschäftsleute, er sei mit dem Herzen dabei. „Ich gehe in jedes Detail, wälze Ideen, brüte über Zeichnungen und stecke viel Liebe da rein“, sagt er, „das schmerzt dann umso mehr.“ Und weil er viel macht, kann auch mal was schief gehen.

Alles neu im Casas in Weidenau: Biergarten mit Wintergarten, Wein auf der Speisekarte

Hüseyin Fidan will nach vorn schauen. „Ich mache das seit 1988 hauptberuflich“, sagt er, Gastronom mit Leib und Seele, von morgens früh bis abends spät, daran änderte auch das Maschinenbaustudium zwischendurch nichts. Oder jetzt die Sache mit dem NomNom, die ihn schwer gefrustet habe. „Es macht Spaß, ist aber auch sehr anstrengend.“ Jetzt will er sich voll aufs „Casas“ konzentrieren. Durch Corona wurde der Laden einer der beliebtesten Lieferdienste der Stadt, parallel nutzte Fidan die Pandemie für den Komplettumbau. Das alte Casas von früher ist mit neuem Ambiente kaum noch wiederzuerkennen. Das alte stetig zu verbessern: Auch das ist viel Arbeit.

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Der radikale Schnitt, das neue Konzept ist noch nicht abgeschlossen. Ein einladendes Tor nach Weidenau soll an der Poststraße stehen – mit neuer Fassade, mit Wintergarten im Biergarten. Wo man auch mal ein Weinchen trinken kann, sagt Fidan – was manchen alten Stammgast vielleicht vor den Kopf stößt. Gastronomie verändert sich und Hüseyin Fidan will vorne mit dabei sein. Auch bei der Speisekarten: Keine Lebensmittel aus der Dose, alles frisch, Nachhaltigkeit, Qualität sind gefragt – darauf reagiert er. Die Küche wird komplett umgebaut, mit dem neuen, doppelstöckigen Pizza-Ofen kann das Casas die steigende Nachfrage bedienen – am Wochenende liefern sie bis spät in die Nacht. „Die Kunden wollen das so“, sagt Fidan. Also liefert er.