Siegen. Nach zwei Jahren Corona-Pause ist die WDR Big Band zurück im Siegener Lyz und bringt mit dem Schotten Matt Carmichael einen Jazz-Hochkaräter mit.
Ein eleganter schwarzer Luxusbus auf dem Lyz-Parkplatz, zwei Lkw mit feinstem Equipment direkt vor dem Bühneneingang. Spätestens dann weiß der Kenner: Die WDR Big Band ist in Siegen zu Gast. Endlich wieder, denn die Corona-Pause hatte dieses schon zur schönsten Gewohnheit gewordene alljährliche Gastspiel zweimal ausgebremst. Dafür hat Johanna Schirmacher, rührige Vorsitzende des veranstaltenden Jazz-Clubs Oase, eine besondere Überraschung: Das Konzert wird zeitgleich auf WDR 3 weltweit zu hören sein.
+++Mehr Nachrichten aus Siegen und dem Siegerland finden Sie hier!+++
Melodien und Rhythmen entführen die vielen Jazzfreunde im fast ausverkauften Saal direkt in die schottischen Highlands. Mit ruhigen Klängen, unaufgeregt, aber dennoch alle Sinne berührend, vor allem dann, wenn die vier Trompeter – ein Österreicher und drei Niederländer – so richtig Gas geben und damit in einen spannenden musikalischen Dialog mit Matt Carmichael treten. Aus der Feder des erst 23-jährigen Shootingstars der britischen Jazz-Szene stammen fast alle Stücke des Abends, die Bob Mintzer, charismatischer Chef der Big Band und bekannter Arrangeur, ins musikalische Großformat übertragen hat.
Die stärksten Momente von Solist Matt Carmichael sind in Siegen die leisen
Je länger der Abend dauert, fragt man sich, woher dieser Saxofon-Alleskönner die musikalische Reife hat, wenn er etwa Schottisch-Folkloristisches vorträgt, das bisweilen sogar an Dudelsack-Klänge erinnert. Oder wenn er sein Saxofon so hauchzart intoniert, dass sich der Zuhörer fragt, ob es denn noch leiser geht, oder wenn er mit den Musikerkollegen, seien es Schlagzeuger Hans Dekker, Bassist John Golsby, Pianist Hans Vroomans oder Saxofon-Kollegen der Band in musikalische Dialoge tritt. Um dann wieder ein atemberaubendes Tempo anzuschlagen wie beim George-Gershwin-Klassiker „I got rythm“.
>>>Lesen Sie auch: Wie das 800-Jahre-Siegen-Lied klingen soll – und wie nicht<<<
Bob Mintzer, seit einigen Jahren Chef der Big Band, weiß, welch ein musikalisches Juwel Matt Carmichael ist. Dabei könnte er altersmäßig durchaus sein Großvater sein. Die Arrangements, die Mintzer für dieses Konzert mit dem Titel „From the Speyside of Jazz“ geschrieben hat, sind leicht, luftig, durchsichtig. Er lässt Carmichael alle Entfaltungsmöglichkeiten, wobei dessen stärkste Momente die stillen Klänge sind und seine Soli zur Saxofon-Lyrik werden.
Nach der WDR- spielt die Uni-Big Band beim Siegener Jazz Club Oase
Mintzer gibt auch den anderen Musikern reichliche Solo-Möglichkeiten. Dabei hatte er es bei der Vorbereitung des Programms alles andere als leicht: Wie bei einem Fußballtrainer, bei dem ein Spieler nach dem anderen durch Covid ausfällt, musste er kurzfristig auf Stammkräfte verzichten. Und die österreichische Saxofonistin Karolina Strassmayer, einzige Frau der Band, macht ein Sabbatjahr. Die Musiker, die für diese Ausfälle einsprangen als Ersatzleute zu bezeichnen, verbietet sich: Sie fügten sich so perfekt ins Ensemble ein, als wären sie schon immer dabei.
>>>Ebenfalls interessant: Christoph Reuter zeigt in Kreuztal große Kunst auf 88 Tasten<<<
„Die Band ist wie ein Bahnsteig. Musiker kommen und gehen“, sagt Bob Mintzer. Doch das Gerüst ist auch nach der Corona-Pause unverändert stabil – und damit auch der Klang unverändert einzigartig. Manch Jazzfreund meint sogar, die WDR Big Band und ihr schon legendärer synchroner Gesamtklang seien besser denn je. Das Publikum im Lyz lässt mit seiner über den Äther übertragenen Begeisterung hören: An diesem Abend ist Siegen das Zentrum der Big-Band-Kunst.
+++Die Lokalredaktion Siegen ist auch bei Facebook!+++
Das letzte Konzert der Oasen-Saison ist wieder eines mit Big Band: Freitag, 1. April, gibt sich die Uni-Big Band die Ehre. Gäste sind Trompeter Andy Haderer und Posaunist Ludwig Nuss, langjährige Mitglieder der WDR Big Band, und die Siegener Jazz-Legende Gerd Dudek.