Hilchenbach/Siegen. Die Stadt Hilchenbach hat ein gewichtiges Argument gefunden, mit dem sie sich der rechtsextremen Partei entgegenstellt.

Die Stadt Hilchenbach legt ihre Hand auf das Wohn- und Geschäftshaus Dammstraße 5. Der Hauptausschuss hat am Mittwoch in nicht öffentlicher Sitzung beschlossen, ein Vorkaufsrecht der Stadt durchzusetzen. Die Stadt brauche den Wohnraum, erklärt Bürgermeister Kyrillos Kaio­glidis im Gespräch mit dieser Zeitung: Die Stadt habe sich entschieden, „einen sicheren Hafen zu bieten und so viele Flüchtlinge wie möglich aufzunehmen“. Möglicher Kontrahent der Stadt könnte ein Funktionär der rechtsextremen Partei „Der III. Weg“ werden. Der hat das Gebäude, in dem einst das Reise- und Verkehrsbüro und zuletzt die AOK residierten, bereits gekauft.

Immobilie

Das ehemalige Reise- und Verkehrsbüro, in dem zuletzt die AOK eine Niederlassung betrieben hat, wurde vom Eigentümer des Gebäudes für 369.000 Euro samt 250 Quadratmeter Garten zum Kauf angeboten. In den abgeschlossenen Kaufvertrag müsste die Stadt eintreten, wenn sie ein Vorkaufsrecht durchsetzt.

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Der Stand der Dinge: Kaufvertrag liegt im Hilchenbacher Rathaus

Der Kaufvertrag liegt bei der Stadt, die ihr „Negativattest“ erzielen muss, damit er rechtskräftig werden kann. Was sonst Formsache ist, bekommt nun größeres Gewicht: Die Stadt wird darlegen, dass sie diesen Wohnraum benötigt – in zentraler Lage, vom öffentlichen Nahverkehr erschlossen, in der Nähe von Betreuungs- und Unterstützungsmöglichkeiten und kurzfristig beziehbar. Die Stadt sei mit dem nicht in Hilchenbach lebenden Hauseigentümer im Gespräch, sagte Kyrillos Kaioglidis dieser Zeitung. „Unser Ziel ist es, dass wir uns außergerichtlich einigen. Wir sind uns aber auch bewusst, dass gerichtliche Auseinandersetzungen die Folge sein können.“

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Die Geflüchteten: Stadt rechnet mit bis zu 300 Menschen aus der Ukraine

Der Bürgermeister erinnert daran, dass er das Vorkaufsrecht als Instrument der Stadt- und Dorfentwicklung sieht – die Gremien des Rates werden in Kürze eine Vorkaufsrechtssatzung für große Teile des Stadtgebietes beschließen. Durch den Krieg in der Ukraine gewinnt das Thema andere Brisanz: Kaioglidis rechnet mit „deutlich mehr Flüchtlingen als 2015/16“: „Die Dauer des Flüchtlingszustroms und des Kriegs sind nicht abzusehen.“ Auch ohne staatliche Zuweisungen seien bereits 45 Personen privat nach Hilchenbach gekommen, außerdem soeben 20 afghanische Ortskräfte. „Wir sind jetzt schon am Limit.“ Rechnen müsse die Stadt mit der Zuweisung von bis zu 300 Kriegsflüchtlingen.

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Der „III.Weg“: Ausgangspunkt von Straftaten

Der „III. Weg“ betreibt bisher einen Stützpunkt in der Schlachthausstraße in Siegen. Die Vermieterin hatte den Mietvertrag nach massiven Protesten der Siegener Öffentlichkeit gekündigt, die Stadt hatte den Verein „Inklusive Begegnungen“ als Nachmieter vermittelt.

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Nach neonazistischen Strukturen im Kreisgebiet haben sich jetzt die Linken in einer Anfrage im Sozialausschuss des Kreistags erkundigt. Darauf hat die Kriminalinspektion Polizeilicher Staatsschutz des Polizeipräsidiums Hagen geantwortet: „Die Entwicklung im Kreisgebiet, insbesondere der Siegener Stadtbereich, ist geprägt von der Partei ‘Der III. Weg’, welche auch eines von bundesweit drei Parteibüros in der Siegener Innenstadt betreibt. Seit Beginn der Pandemie konnte bei Versammlungen der Partei ein Zulauf, wenn auch zahlenmäßig gering, festgestellt werden. Teilnehmerzahlen erhöhten sich von etwa 10 auf 30 Personen. Andere rechtsextreme Parteien spielen derzeit in Siegen-Wittgenstein keine wahrzunehmende Rolle.“

Mit ihren bundesweiten Aktivitäten sei die rechtsextreme Kleinstpartei „Der Dritte Weg“ in den Fokus des politischen Gegners und der Öffentlichkeit geraten. Veranstaltungen, Versammlungen und auch Straftaten nähmen dort ihren Ausgang. „Diese Entwicklung ist auch im Kreis Siegen-Wittgenstein feststellbar.“

Die Hammerhütte: Erfolg der Zivilgesellschaft

„Es war nicht zu erwarten, dass sich die rechtsextreme Kleinstpartei nach der Kündigung ihres einzigen Büros in Westdeutschland in Luft auflöst“, kommentiert der Verein „Inklusive Begegnungen“ die Nachricht aus Hilchenbach. Der Nachmieter in Siegen bezeichnet den Abzug der Rechtsextremen als „Erfolg des breiten zivilgesellschaftlichen Engagements“: „Es ist offensichtlich, dass nach der Kündigung des Parteibüros die rechtsextremistischen Aktivitäten in Siegen deutlich zurückgegangen sind.“

Geplant sei auf der Hammerhütte ein inklusives Stadtteilzentrum, in dem sich Menschen mit und ohne Behinderung treffen und engagieren können. Mittlerweile habe der Verein ein umfassendes Konzeptpapier zum „Inklusiven Stadtteilzentrum Siegen-Hammerhütte“ erarbeitet, heißt es in der am Mittwoch verbreiteten Pressemitteilung. Die praktische Arbeit habe der Verein Inklusive Begegnungen ebenfalls bereits aufgenommen. Am Donnerstag, 5. Mai, finden ein Rundgang und eine Veranstaltung zum Thema „Was heißt barrierefreier Stadtteil? Ideen und Umsetzungen“ statt.

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