Vormwald. Greenfiber wird in Siegen-Wittgenstein Haushalte ans Glasfasernnetz anschließen. Hier steht, was der Siebelnhof dabei für eine Rolle spielt.

Die Jahreszahl 1566 steht auf dem Giebel, eine Urkunde nennt den Siebelnhof aber auch schon 1466. Drinnen atmet jüngere Geschichte: Jede Menge gerahmter Fotos von prominenten Gästen, die hier seit den 1960er Jahren gespeist und gewohnt haben oder die Erich W. Steuber woanders bekocht hat. Die Rezeption, die Bar, die Gasträume, die Suiten: Nichts deutet darauf hin, dass das lange Jahre erste Haus am Platz keine Gäste mehr empfängt. Vielleicht bis auf den Wandkalender in der Küche, der 2018 dort aufgehängt wurde. Und die ausgedruckte E-Mail mit der Bestellung eines Hilchenbacher Unternehmens, die seit 2019 ans Brett gepinnt ist.

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Das macht Greenfiber: Glasfaser für 4000 Adressen

Erich W. Steuber hat sich zur Ruhe gesetzt, die neuen Eigentümer haben den Siebelnhof seinem Insolvenzverwalter abgekauft. Nicht für einen „Siebelnhof 2.0“ sagt Hinrich Bernzen. Sondern für etwas ganz Anderes. Bernzen spricht für Greenfiber, den Internet-Dienstleister, der in den nächsten Jahre im Kreis Siegen-Wittgenstein um die 860 Kilometer Glasfaserkabel verlegen und damit 4000 private und gewerbliche Adressen ans Netz bringen wird. „Nachhaltigkeit und Stärkung des ländlichen Raums“ – das sind Themen, auf die Greenfiber-Geschäftsführer Paul Gummert reagieren will.

Geschichte

1970 wurde gegenüber dem alten Siebelnhof das neue „Kur-Sporthotel“ eröffnet.

1976 gingen das „Chesa“-Restaurant und das Gästehaus in Betrieb. 2000 kam ein Hotel-Anbau hinzu.

Erich W. Steuber hat sich als Koch einen Namen über die Grenzen des Siegerlandes hinaus gemacht. 2002 wurde der Siebelnhof als „Westfälisches Restaurant des Jahres“ ausgezeichnet.

Der frühere Hilchenbacher Stadtarchivar Reinhard Gämlich hat auf dem Gelände des Siebelnhofs zwei Hofhäuser mit Hausnamen ausfindig gemacht. Dem einen Haus gab Johann Nickel schon um 1620 den Namen „Neckeln“; er war Lehenspächter von Stift Keppel. 1961 vererbte Heinrich Eduard Krämer das Haus an seine Nichte Selma Steuber. Das andere Hofgebäude mit dem Namen „Hoppe“ wurde vor 1890 abgebrochen.

Arbeit für Greenfiber, das zehn Jahre junge Unternehmen aus Lüneburg, sieht Paul Gummert in der Region für ein Jahrzehnt: Schließlich geht es darum, über die vom Kreis Siegen-Wittgenstein hinaus beauftragten und subventionierten Anschlüsse weiter Kunden zu gewinnen. Denn mit dem 6. „Call“ – so nennt der Bund seine jeweiligen Förderprogramme – sind zwar die weißen Flecken auf der Breitband-Landkarte weg, die weniger als 30 Mbit Bandbreite haben. Aber die grauen Flecken bleiben. Da kann man auf den nächsten Call warten, so lange wie auf diesen, der von der Markterkundung 2017 bis zum anstehenden Zuschlag für Greenfiber fünf Jahre brauchte. „Aber auch danach werden noch Lücken bleiben.“ Oder die Kommune geht den Bad Berleburger Weg, mit Greenfiber zusammen die Stadt flächendeckend zu versorgen. Angebote hat Greenfiber überall gemacht, berichtet Paul Gummert: „Wir sind in Gesprächen.“

Der Siebelnhof hat neue Eigentümer: In den nächsten Jahren geht es hier vor allem um schnelles Internet.
Der Siebelnhof hat neue Eigentümer: In den nächsten Jahren geht es hier vor allem um schnelles Internet. © WP | Ina Carolin Lisiewicz

Das passiert im Siebelnhof – irgendwann einmal Hotel zum Mieten

In den rund 20 Gästezimmern des Siebelnhofs werden in den nächsten Jahren vor allem Techniker, Bauleiter und Monteure übernachten, in den Tagungsräumen werden Baubesprechungen, Schulungen und Workshops stattfinden. Das rechnet sich besser als das ständige Anmieten fremder Räume, weiß Paul Gummert. Greenfiber hat das in Bad Oeynhausen ausprobiert, wo das Unternehmen ebenfalls ein zum Verkauf stehendes Hotel erworben hat. Die „Wittekindsquelle“ wird mit Restaurant und Biergarten auch für Gäste weiter betrieben, die nichts mit Glasfaser zu tun haben. Das wird beim Siebelnhof nicht der Fall sein. Paul Gummert will entscheiden, „wenn das hier erst mal läuft“. Und vorher, so Hinrich Bernzen, „viele Gespräche mit Leuten führen, die wir hier kennen lernen“. Betreutes Wohnen wäre eine Option, ein Boarding House für Berufstätige eine andere. Co-Working-Spaces gäbe das Haus mit den geräumigen Zimmern und Suiten auch her. Oder ein Seminarhotel: „Das hat man selten, dass man ein ganzes Hotel mieten kann“, sagt Paul Gummert.

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Das ist der Glasfaser-Plan: Komplett neues Netz

Zumindest in den nächsten Jahren wird es im Siebelnhof ganz ohne Glanz und Glamour abgehen. Glasfaser-Ausbau kann ein zähes Geschäft werden – je mehr „Rosinen“ durch die diversen Calls und individuelle Vereinbarungen herausgepickt werden, um so mühsamer. Besonders teuer bezahlen müssen am Ende womöglich die, die einmal bei den Ersten waren: Die folgenden Ausbauphasen mit ihren „Aufgreifschwellen“ gingen stets an ihnen vorbei, weil sie ja schon mit einer einst stattlichen Bandbreite versorgt waren – bis sie von allen Nachbarn überholt wurden. Zum Beispiel die, die im 2. Call mit 30 Mbit versorgt wurden, indem das Glasfaserkabel bis zu einem Verteilerkasten gelegt und von dort bis zum Haus das Kupferkabel weiter genutzt wird. Die weißen und die grauen Flecken im Netz können sich sogar in derselben Straße befinden, weiß der Greenfiber-Geschäftsführer: „Das führt zu Irritationen. Im Einzelfall ist das auch nicht erklärbar.“

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Für eine flächendeckende Versorgung sei diese Zuleitung zu schwach, sagt Paul Gummert. Greenfiber holt das Internetsignal von den Glasfaserfernleitungen, die zum Beispiel an Bahnstrecken entlang geführt werden. „Wir werden eine komplett neue Infrastruktur schaffen“, sagt Hinrich Bernzen. An die sich niemand anschließen muss, der sich jetzt für ausreichend versorgt hält: „Was liegt, kann weiter genutzt werden.“

So geht es los: Bad Berleburg steht Modell

Paul Gummert setzt auf das Modell, das Greenfiber in Bad Berleburg umsetzt: Dort nehmen Stadtwerke und Internetunternehmen Geld für ein zweites, nicht gefördertes Netz in die Hand, das das Stadtgebiet zusammen mit dem subventionierten Netz komplett erschließt. 50 Millionen Euro sind es da, die über 30 Jahre abgeschrieben werden. „BLB-Netz“ nimmt Geld von den Providern ein, die Stadt Gewerbesteuer, und die Kunden kommen – in Bad Berleburg noch bis 2. April – ohne Baukostenzuschuss an ihren Anschluss. Wie lange das da dauert? Ein Jahr für die vertraglichen und planerischen Vorarbeiten, schätzt Paul Gummert, dann noch einmal ein halbes Jahr, „bis das erste Licht angeht“. Und die Versorgung der 4000 im Kreis geförderten Adressen? Da wartet Greenfiber eigentlich nur auf den formellen Bescheid. Die Baugenehmigungen sind da, die Querungen von Straßen- und Bahntrassen abgestimmt, die Tiefbauunternehmen startklar. „Es ist alles fertig.“

Für den Siebelnhof bedeutet das das Aufwachen aus dem kurzzeitigen Dornröschenschlaf und einen Zeitensprung. Aus dem Ort fürs Schöne und fürs Genießen wird eine digitale Zukunftsschmiede – und das für absehbar lange Zeit. Wo Greenfiber Netze betreibt, laufen die Verträge bis zu 25 Jahre, in denen vor Ort Technik- und Kundenzentren vorzuhalten sind. Der Auszug der Erinnerungen soll behutsam erfolgen. „Zu diesem Haus haben Menschen eine Geschichte“, weiß Hinrich Bernzen. Der Michelin-Stern an der Tür ist 2019 abgelaufen.

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