Siegen. Lange galt es als verschollen, nun wurde ein Klavierkonzert des Siegener Geigers und Komponisten Adolf Busch wiederentdeckt und neu aufgeführt.

An Busch kommt man Ende Januar im sächsischen Reichenbach nicht vorbei. Die dortige Philharmonie hat plakatiert, sie lädt hier und auch im thüringischen Greiz ein zum Sinfoniekonzert mit Brahms und Mendelssohn und eben mit Busch, Adolf Busch. Dessen Klavierkonzert C-Dur op. 31 wird gleich viermal gegeben. Das ist bemerkenswert, denn dieses Werk des am 8. August 1891 in Siegen geborenen Geigenvirtuosen und Komponisten galt als verschollen.

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Bekannt war allein der vom Pianisten Rudolf Serkin erstellte Klavierauszug des 1924 in Dresden uraufgeführten Stücks. Dass es nun wieder gespielt werden kann, ist vor allem dem Engagement von Prof. Dr. Florence Millet von der Hochschule für Musik und Tanz (HfMT) Köln zu verdanken. Sie hat eine Kopie der Originalpartitur über das Brüder-Busch-Archiv im Max-Reger-Institut in Karlsruhe erhalten. Das Manuskript gehört zum Nachlass Adolf Buschs, den die Paul-Sacher-Stiftung in Basel verwaltet. Zunächst musste dann aus dem Original spielbares Material erstellt werden; dann fand sich mit der Vogtland Philharmonie ein Orchester, das sich mit dem Dirigenten David Marlow auf das Abenteuer einer Wieder-Uraufführung einlassen wollte und konnte.

Seite an Seite: Geiger und Komponist Adolf Busch (links) und Pianist Rudolf Serkin. Diese Aufnahme zeigt die Musikerkollegen und Freunde im Jahr 1928.
Seite an Seite: Geiger und Komponist Adolf Busch (links) und Pianist Rudolf Serkin. Diese Aufnahme zeigt die Musikerkollegen und Freunde im Jahr 1928. © Unbekannt | Brüder-Busch-Archiv/Max-Reger-Institut Karlsruhe

In Siegen geborener Komponist Adolf Busch: Klavierkonzert gibt Trauer Ausdruck

Die Geschichte des Stücks beginnt 1922. Der Geiger Adolf Busch ist längst eine Größe im europäischen Kulturkosmos. Solistisch, im Busch-Quartett, im Duett mit Rudolf Serkin, als Komponist und Pädagoge. Seine Professur an der Berliner Musikhochschule hat er aufgegeben; nun lebt er mit Ehefrau Frieda und Tochter Irene in Darmstadt. Eine Nachricht seines Bruders Fritz, im selben Jahr zum Sächsischen Generalmusikdirektor nach Dresden berufen, erschüttert ihn tief: Leni, die Jüngste der sieben Geschwister Busch, hat sich im Alter von 18 Jahren das Leben genommen. In seinem Klavierkonzert, zumal im zweiten, ruhigen Satz, gibt er der Trauer um das „liebe Menschenkind“ Raum.

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Im Sommer 1924 vollendet Adolf Busch sein Klavierkonzert, am 19. Dezember desselben Jahres wird es im Dresdner Opernhaus von der Sächsischen Staatskapelle zum ersten Mal gespielt – unter Leitung von Fritz Busch, mit dem Solisten Rudolf Serkin, aber in Abwesenheit des Komponisten. Der tourt durch Italien, lässt sich freilich brieflich berichten, wie sehr sich der große Bruder mit dem Werk „geplagt“ hat, und ist am Ende „furchtbar stolz, dass die Sache gut gegangen ist, vor allem aber, dass Du das Stück gut findest“.

30 Goldpfennige zahlte, wer am Freitag, 19. Dezember 1924, das Konzert der Sächsischen Staatskapelle in Dresden besuchen wollte. Damals wurde Adolf Buschs Klavierkonzert eingerahmt von Mozart und Schumann.
30 Goldpfennige zahlte, wer am Freitag, 19. Dezember 1924, das Konzert der Sächsischen Staatskapelle in Dresden besuchen wollte. Damals wurde Adolf Buschs Klavierkonzert eingerahmt von Mozart und Schumann. © Unbekannt | SLUB Dresden/Deutsche Fotothek

Adolf Busch widmete das Klavierkonzert seinem guten Freund Rudolf Serkin

Die zeitgenössische Konzertkritik schwankt in ihrer Beurteilung der damals mit Spannung erwarteten Neuheit: von „gar nicht übel gemacht“ und „in allen Teilen glänzend“ bis zu „Verrauscht – zerronnen!“. Gerühmt wird durchweg der Pianist. „Er reißt mit seiner Feuerseele mit und gibt dem Stück sein Leben“, schreibt ein Rezensent.

Familienbande

Drei Brüder des Geigers und Komponisten Adolf Busch (1891-1952) waren ebenfalls Musiker: Fritz (1890-1951) war Dirigent, Hermann (1897 bis 1975) Cellist und Heinrich (1900-1929) Pianist. Bruder Nummer 5 – Willi (1893-1951) – war Schauspieler. Alle fünf wurden in Siegen geboren, doch keiner von ihnen starb dort.Adolf Busch gründete 1913 in Berlin das „Busch-Quartett“. Die Besetzung änderte sich mehrfach. Adolf Busch gehörte als einziges Mitglied über die gesamten 39 Jahre des Bestehens dazu. Der Pianist Rudolf Serkin war nicht nur sein Freund, sondern auch sein Schwiegersohn: Er heiratete 1935 Adolf Buschs Tochter Irene.

Rudolf Serkin, dem der Freund das Werk gewidmet hat, hält das Klavierkonzert fünf Jahre lang im Repertoire. Im März 1925 ist es in Berlin zu hören und wird in der Interpretation des damals neugegründeten Berliner Symphonie-Orchesters, dem Vorgänger des heutigen Konzerthausorchesters, unter Busch-Quartett-Bratschist Emil Bohnke sehr positiv aufgenommen. Dann wird es still um dieses Stück.

Klavierkonzert von Adolf Busch dank Projekt „EchoSpore“ wiederentdeckt

Dessen Wiederentdeckung gehört in den größeren Zusammenhang des von der Stiftung Lichterfeld (Essen) und der Deutschen Bank Stiftung (Frankfurt am Main) geförderten Projekts EchoSpore an der HfMT Köln. Es widmet sich dem Suchen und Finden von Werken jener Kunstschaffenden, deren Weg von totalitären Machtstrukturen behindert oder gar beendet worden ist. Zu ihnen zählt eben auch Adolf Busch, der sich – wie sein Bruder Fritz – strikt weigerte, in irgendeiner Form mit den Nationalsozialisten zu kooperieren.

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Der Geiger Busch, schon seit 1927 in der Schweiz lebend, sagte bereits im April 1933 alle Konzerte in Deutschland ab, im selben Jahr wurde ihm die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen. 1939 ging Busch nach Amerika. Künstlerisch blieb er rührig und, zumal an der Seite von Rudolf Serkin, durchaus präsent. Und doch fand er in den Vereinigten Staaten nicht das Publikum wie einst in Europa. 1949 kehrte Adolf Busch zu Konzerten auch nach Deutschland zurück; er starb am 9. Juni 1952 in Guilford im US-Bundesstaat Vermont.

Nahmen gemeinsam die Herausforderung einer Wieder-Uraufführung an: die Vogtland Philharmonie Greiz Reichenbach unter Leitung von David Marlow mit Solistin Prof. Dr. Florence Millet am Klavier.
Nahmen gemeinsam die Herausforderung einer Wieder-Uraufführung an: die Vogtland Philharmonie Greiz Reichenbach unter Leitung von David Marlow mit Solistin Prof. Dr. Florence Millet am Klavier. © Unbekannt | Claudia Irle-Utsch

Wiederaufführung von Adolf Buschs Klavierkonzert mit Prof. Florence Millet als Solistin

Im Vorfeld der Wieder-Uraufführung stand Florence Millet in engem Kontakt mit dem Pianisten Peter Serkin (1947-2020), dem Sohn von Rudolf Serkin und Irene Busch. Serkin habe sie ermutigt, selbst die Solopartie zu übernehmen, erzählt sie. „Florence, du musst das spielen“, habe ihr der Mentor, damals bereits sehr krank, geraten. Diese „Stimme der Familie“ bekräftigte ihren Entschluss, sich künstlerisch so ganz und gar dem Klavierkonzert von Adolf Busch hinzugeben. Auch Buschs Sohn Thomas zeigte sich außerordentlich glücklich über das wiederwachte Interesse auch am kompositorischen Werk seines Vaters.

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Zweimal vereitelte die Pandemie die Neu-Premiere. So konnte das Stück reifen, da sind sich Solistin und Dirigent einig. Sie hatten Zeit, Buschs Werk im Kontext der Musik des von ihm so bewunderten Freundes Max Reger zu spiegeln, Motive, Zitate und das Kontrapunktische herauszuarbeiten, dem Weltschmerz nachzuspüren und den Momenten freudigen Entzückens.

Klavierkonzert von Adolf Busch: CD-Einspielung ist in Vorbereitung

„Je länger ich mich mit dem Klavierkonzert beschäftige, umso mehr finde ich darin“, sagt David Marlow. Der damalige Chefdirigent der Vogtland Philharmonie war anfangs durchaus skeptisch, denn zu dick instrumentiert schien ihm das Stück, zu komplex. Doch dann sei es ihm ans Herz gewachsen, sagt der 2020 zum Professor für Dirigieren an die Hochschule für Musik in Detmold berufene Marlow: „Es funktioniert für mich.“ Das Stück sei spannend, es lese sich „wie ein tolles Buch“.

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Bei der Konzertpremiere war eine Musik von enormer Kraft zu erleben. Dieses Live-Erlebnis war ein Auftakt, denn aktuell laufen die Vorbereitungen für eine CD-Produktion. Damit kann Buschs Klavierkonzert wieder und wieder gehört werden. Eine profunde Basis für weitere Aufführungen.

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