Weidenau. Rüdiger Käuser, der nie Lehrer werden wollte, wird Leiter des Landesinstituts „Qualis“ in Soest. So blickt er auf 14 Jahre in Weidenau zurück.

Rüdiger Käuser verlässt das Fürst-Johann-Moritz-Gymnasium und wird zum 1. Februar Leiter von Qualis. Die „Qualitäts- und Unterstützungsagentur Landesinstitut Schule“, wie die Einrichtung etwas sperrig heißt, ist in Soest angesiedelt und dem Schulministerium zugeordnet.

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Am FJM denkt man in langen Zeiträumen

Dass der „Fürst“, wie sie in Weidenau ihren Namenspatron kurz zu nennen pflegen, in Öl im Direktorzimmer eine große Wandfläche füllt und den Menschen am Schreibtisch deutlich überragt, hat seinen Sinn: Die Schule hält auf ihre Tradition. Obwohl sie längst nicht mehr, wie Rüdiger Käuser es etwas distanziert formuliert, als das „Gymnasium des gehobenen Bürgertums“ durchgeht. „Wir haben die Schule neu erfunden.“ Oder erfinden müssen: Bis zu 40 Prozent beträgt der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit Zuwanderungsgeschichte. Nahezu komplett ausgetauscht wurde das rund 60 Köpfe starke Lehrerkollegium – nur vier sind noch da, die Rüdiger Käuser auch zu seinem Amtsantritt im Sommer 2007 begrüßt haben. Die 30- bis 40-Jährigen sind jetzt die übergroße Mehrheit im Lehrerzimmer. Wo sie, wie die Generation davor, wieder gemeinsam alt werden.

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Vielleicht wäre er auch geblieben. Er habe halt mit sich selbst diskutiert, bis zur Pensionierung zu bleiben – „oder dir und der Schule den Gefallen zu tun und zu wechseln“. Soll heißen: „Ich bin gern hier.“ Aber es könnte auch gut tun, wenn nun eine andere Person übernimmt. Selbst am FJM, wo man, siehe Fürst, in großen Zeiträumen zu denken pflegt. Seit dem Ende des zweiten Weltkriegs ist Rüdiger Käuser erst der sechste Schulleiter gewesen, mit nun vierzehneinhalb Jahren auch der mit der zweitlängsten Amtszeit. Gewonnen haben die Argumente für die neue Aufgabe, die der 61-Jährige nun für ein letztes halbes Jahrzehnt seiner Berufslaufbahn wahrnehmen will.

Namen

Als Gründungsjahr des Fürst-Johann-Moritz-Gymnasiums gilt das Jahr 1914, als aus der Rektoratsschule – am Standort des heutigen Kinder- und Jugendtreffs in der Gärtnerstraße, seit 1910 in der Ferndorfstraße – eine Realschule und ab 1919 eine Oberrealschule wurde. 1937 erfolgte die Umbenennung zur „Oberschule für Jungen“.

Seit 1948 hat die Schule ihren Namenspatron. Und 1949 schließlich wurde aus der „Fürst-Johann-Moritz-Schule“ das „Fürst-Johann-Moritz-Gymnasium

Über Netphen und Wiehl nach Weidenau

Rüdiger Käuser kommt aus einer Lehrerfamilie, sein Vater hat das Abendgymnasium in Siegen geleitet. „Ich wollte nie Lehrer werden.“ Es wäre auch ein wenig aussichtsreiches Unterfangen gewesen: 1980, als er das Giersberg-Gymnasium mit dem Abitur verließ, waren die Aussichten auf einen Job in der Schule schlecht. Nach dem Studium von Deutsch, Geografie und Philosophie in Marburg übernahm er Lehraufträge an Hochschulen, unterrichtete an der Volkshochschule, arbeitete als Journalist. Und entschied sich, mit 35 doch noch ein Referendariat zu absolvieren – am FJM.

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Berufsanfänger blieb Rüdiger Käuser nicht lang. 1998 ging er ans Gymnasium in Netphen, 2004 wurde er stellvertretender Schulleiter in Wiehl. Und 2007 war er schon wieder in Weidenau. Als Chef. Mit ausgestrecktem Fühler in die Landespolitik und damit auch zum Landesinstitut in Soest. Denn immerhin zwölf Jahre, bis vorigen Sommer, war Rüdiger Käuser auch Vorsitzender der westfälisch-lippischen Direktorenvereinigung und damit erster Ansprechpartner aus der Schulpraxis für alle, die in Sachen Schule etwas zu sagen hatten.

Die Schüler werden im neuen Job fehlen

Und jetzt in die Behörde, immer ohne Schüler? „Sie werden mir fehlen“, sagt Rüdiger Käuser und ist nach wie vor noch gerührt davon, dass die Kinder aus der 5 vor den Weihnachtsferien mit ihm Erinnerungs-Selfies gemacht haben. Wobei seine Zeit im Klassenraum schon längst sehr begrenzt war: Mehr als ein Erdkunde-Leistungskurs in der Oberstufe war neben der Schulleitungsarbeit nicht mehr drin. Und seine letzte Studienfahrt mit Jugendlichen hat er in Wiehl unternommen. „Ich habe jungen Kollegen den Vortritt gelassen, damit sie auch diese Erfahrungen sammeln konnten.“

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1964 wurde das FJM 50 Jahre alt, 1989 war das 75-Jährige fällig. Dem neuen Chef haben sie die Festschriften auf den Tisch gelegt und frühzeitig auf das 100-Jährige eingestimmt. Große Maßstäbe waren gesetzt, „davor hatte ich Manschetten.“ Die Feier ist gelungen, das Festbuch das dickste von den dreien. Für ein Kapitel über das misslungene Schulexperiment hat es da noch nicht gereicht: Gerade erst hatte der erste Abiturjahrgang nach nur acht Jahren Gymnasium seine Zeugnisse bekommen – schon in drei Jahren wird „G 8“ nun wieder Geschichte sein. Vielleicht auch nur eine Fußnote in der Geschichte. Denn eigentlich beherrscht Corona seit zwei Jahren alles: „Ich habe großen Respekt, wie toll, wie unnervös und professionell die Schülerinnen und Schüler mit dieser katastrophalen Situation umgehen“, sagt Rüdiger Käuser. Besser als die Erwachsenen, klingt da durch. Und die Jugendlichen sagen das auch laut.

Neue Aufgaben: Lehrpläne und Zentralabitur

Am Landesinstitut in Soest wird Rüdiger Käuser 190 Mitarbeitende in acht Abteilungen leiten, die Lehrpläne entwickeln, die Aufgaben für die zentralen Prüfungen freigeben, künftige Schulleitungen qualifizieren, die Verbindung zu den Hochschulen gestalten. Ein Job, um sich unbeliebt zu machen? Einmal im Jahr auf jeden Fall: Meist ist es die Mathe-Prüfung, die im Zentralabi Ärger macht. Und sonst? „Eine Institution, die Schulen Arbeit abnimmt.“ Nein, widerspricht Rüdiger Käuser, das alte Klischee vom Lehrer, der am liebsten nicht behelligt werden will („Man duckt sich, damit man nicht auffällt“), trifft die Realität nicht. „Wir haben eine völlig neue, stark teamorientierte Lehrergeneration.“

Und die Schülerinnen und Schüler, so im Zeitraffer von 25 Jahren? „Die Kinder und Jugendlichen sind anders“, sagt Rüdiger Käuser, „weil auch die Eltern anders sind.“ Und meint damit nicht in erster Linie die Methoden, sich das Leben schwer zu machen, seit es Smartphones und Cyber-Mobbing gibt. Anders geworden ist die Art, zu kommunizieren und sich Themenfelder zu erschließen. Und der Umgang mit vermeintlichen Gewissheiten. „Wir haben immer noch einen kleinen Anteil von Schülerinnen und Schüler, die ihr Leben sehr konsequent und aufstiegsorientiert planen. Aber die Mittel- und Langfristigkeit von Planung spielt bei jungen Menschen bei weitem nicht mehr eine so große Rolle.“

Institut in Soest in Siegerländer Hand

Wem der Fürst in den nächsten Jahren über die Schulter schauen wird, ist längst noch nicht entschieden. Das Stellenbesetzungsverfahren braucht Zeit. Rüdiger Käuser, der seinen ersten Wohnsitz in Siegen behält, dürfte das auch von Soest aus mit Interesse verfolgen. Dort löst er übrigens einen Vorgänger ab, der ebenfalls eine Siegerländer Geschichte hat. Eugen-Ludwig Egyptien hat, bevor er ins Schulministerium und von dort zum Landesinstitut ging, das Gymnasium in Wilnsdorf geleitet.

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