Siegen. Klasse für Klasse geht in die Quarantäne. Lolli-Tests: Auch in Siegen werden jetzt die Sorgen an den Grundschulen größer.
Die Schulen bleiben offen – im Prinzip. Nach und nach gehen jedoch dennoch komplette Klassen in den Distanzunterricht. Die Schulleitungen befolgen damit die Vorgabe des Gesundheitsamtes des Kreises Siegen-Wittgenstein, dass bei einem „Ausbruch“ – der Begriff wird ab dem vierten infizierten Schüler verwendet – die komplette Klasse in Quarantäne zu schicken sei.
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So leeren sich die Schulen: Klassen-Quarantäne ab viertem Fall
Bei der Gesamtschule Auf dem Schießberg hat es ein Drittel der Schulgemeinde getroffen. Acht Klassen sind derzeit zu Hauses, sie werden online von ihren Lehrerinnen und Lehrern unterrichtet. „Wenn das bei irgendjemandem geht, dann bei uns“, sagt Schulleiter Alexander Lisai, der auf die weit entwickelte Digitalisierung und die Ausstattung aller Schüler mit Endgeräten hinweist. „Es fällt kein Unterricht aus., der neue Stundenplan geht heute raus“ – dann natürlich ohne Differenzierungskurse und ohne Angebote mit gemischten Gruppen.
Die Lage in der Siegen
Im letzten wöchentlichen Lagebericht der Stadt Siegen werden diese von den Schulen mitgeteilten Quarantänen notiert: Drei Klassen und die OGS der Diesterwegschule, drei Schüler an der Bertha-von-Suttner-Gesamtschule, sechs Schüler in zwei Klassen der Friedrich-Flender-Grundschule, drei aus der OGS der Albert-Schweitzer-, vier aus der OGS der Obenstruthschule.Hinzugekommen sind eine Klasse der Diesterwegschule, eine Klasse der Achenbacher Hauptschule, zwei Klassen der Jung-Stilling-Grundschule, drei Klassen der Montessorischule und acht Klassen der Gesamtschule auf dem Schießberg.
Den kompletten Überblick über alle Schulen im Kreisgebiet gibt es nicht. Fas Gesundheitsamt veröffentlicht lediglich die formellen Quarantäne-Anordnungen: Die trafen am Mittwoch neu die Klasse 1 der Kreuztaler St. Martin-Schule und die Klasse 4a der Johannlandschule in Hainchen. Nicht mitgezählt werden Kinder, die vorsorglich zu Hause bleiben müssen, während sie auf ein Testergebnis warten. Schon länger draußen sind zum Beispiel zwei 6. Klassen des Gymnasiums Stift Keppel. „Das war auch gut so“, sagt stellvertretender Schulleiter Dr. Elmar Winkel. Auch dort wurden zunächst nur einzelne Fälle festgestellt, in der Folge, schon während der Quarantäne, kamen weitere positive PCR-Testergebnisse dazu.
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Kinder-Inzidenz in Siegen bei 2660,6
Es trifft vor allem die jüngeren Kinder, beobachtet Dr. Elmar Winkel – für sie gibt es die Impfmöglichkeit noch nicht so lange. „Viele Fünft- und Sechstklässler haben jetzt am Wochenende schon den zweiten Impftermin“; hilfreich auch für die Hilchenbacher ist das Angebot der Familydocs in der „Erlebniswelt“ der Krombacher Brauerei. In der Oberstufe in Keppel sind alle gesund, „die sind sehr diszipliniert“. Die Zahlen bestätigen den Eindruck: Am Mittwoch lag die Sieben-Tage-Inzidenz in Siegen-Wittgenstein bei den Fünf- bis 14-Jährigen bei 2660,6, bei den 15- bis 34-Jährigen weniger als halb so hoch bei 1154,3 – und schließlich bei den 60- bis 79-Jährigen 252,5.
Das beunruhigt akut: Infiziert in die Grundschule
Von einem „deutlich unruhigen Tag“ spricht am Mittwoch Schulamtsdirektor Peter Sziburies. Der für die Grundschulen zuständige Schulaufsichtsbeamte muss mit der Nachricht aus dem Schulministerium umgehen, die ihn und die Schulleitungen am Dienstagabend erreichte: Wenn es positive Lolli-Pool-Test gibt, werden nicht mehr die zeitgleich genommenen Einzelproben analysiert. Vielmehr sollen in der betroffenen Klasse dann Schnelltests angeschlossen werden, um die tatsächlich infizierten Kinder festzustellen. „Wir hatten eine wirklich gute Teststrategie. Die ist gestern zusammengebrochen.“
In einer Videokonferenz am Mittwoch haben Schulleitungen und Schulamt über das neue Vorgehen beraten. Die Konsequenz dürfte nämlich sein, dass sich die Klasse mit dem „positiven“ Pool einschließlich der erkrankten Kinder am Folgetag für den Schnelltest in der Schule versammelt, bevor anschließend die Eltern der Infizierten informiert werden und – so die Mail des Staatssekretärs – die „Übergabe an die Eltern“ erfolgt. Peter Sziburies: „Wir versuchen, die Schulen so gut wie möglich zu unterstützen.“
Zum Thema geäußert hat sich Nicole Reschke, Vorsitzende der SPD Siegen-Wittgenstein: „Vielle Eltern haben sich schon an mich gewandt, sie sind stark verunsichert. Die Entscheidung ist schwer nachzuvollziehen, die Kommunikation chaotisch.“
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Darüber berät die Politik: Sozial Schwächere auffangen
Im Siegener Schulausschuss lag der Antrag der FDP-Fraktion vor, „für den Fall von coronabedingten Schulschließungen die Vorkehrungen zu treffen, dass gerade sozial schwächere Schüler aufgefangen werden“. Schuldezernent Andree Schmidt wies auf Grenzen hin, die der Stadt als Schulträger gesetzt sind. Sie dürfe nicht selbst Förderunterricht anbieten, sie könne auch eine neuen Angebote in ihren Kinder- und Jugendtreffs schaffen, für die Schutzbestimmungen „mindestens genauso“ wie für die Schulen. Das Land ermögliche Sprachcamps oder Ferienangebote über sein Programm „Extra-Zeit", die Schulen seien mit digitalen Geräten ausgestattet, die Bildungsgutscheine für Nachhilfeunterricht seien jetzt in Umlauf. „Da gibt es kein Defizit.“
„Die größte Expertise besteht an den Schulen selbst“, sagte Ausschussvorsitzender Florian Kraft (Grüne). „Es gibt kein Kind, das nicht gesehen wird“, stellte Ulrich Schloos (Linke) fest. „Die Sorge um abgehängte Schüler teilen wir alle“, sagte Joachim Pfeifer (SPD), die Zuständigkeiten lägen aber bei Schulen und Land. Raimund Hellwig (FDP) zog den Antrag zurück, zeigte sich aber von dem Verweis auf andere Akteure nicht überzeugt: „Man könnte durchaus mal Verantwortung übernehmen.“
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