Siegen. Stadtförster und Gutachter warnen vor dem Scheitern der Wiederbewaldung von Borkenkäfer-Flächen. Zuerst müsse viel gejagt werden.

Von allein kommt der von Borkenkäfern zerfressene Wald nicht zurück. Nicht durch Naturverjüngung, aber auch nicht durch Aufforstungen, von denen ein Gutachten der Stadt sogar ausdrücklich abrät: Diese Wiederbewaldung drohe „komplett zu scheitern“, schließt der Sachverständige seinen Bericht, den Stadtförster Jan Marc Heitze jetzt im Umweltausschuss vorstellte. Der Grund: Die jungen Bäume werden samt und sonders von Rehwild verbissen, bevor sie groß werden können.

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Am Nachweis einer Naturverjüngungsmöglichkeit hängt die FSC-Zertifizierung des Stadtwalds, mit der Stadt nachhaltige Waldwirtschaft bescheinigt wird. Mit Einzäunungen und mit Hüllen um die jungen Baumstämme werden die Förster neu entstehenden Wald nicht schützen können. Das sei „kaum zu leisten“, sagte Jan Marc Heitze. „Nur durch entsprechende Bejagung“ würden neue Bäume eine Chance bekommen. Um das Drei- bis Vierfache muss laut Gutachten der Abschuss vergrößert werden. „Wir werden einen Jagdkalender einführen.“ Gesellschaftsjagden sollen den Abschuss beschleunigen und Ruhe im Wald halten, „Einzelansitze über mehrere Wochen“ seien da nicht hilfreich. Für die Jagenden werde das „weniger Hobby als Arbeit“. Ihre Jagdbezirke werde die Stadt nicht mehr verpachten, sondern örtlichen Jägern in Jahresverträgen überlassen.

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Die Reviere: Bis zu drei von vier junge Eichen verbissen

Das sind Ergebnisse des Verbissgutachtens, mit dem die Stadt den Landschaftsökologen Frank Christian Heute aus Sprockhövel beauftragt hat:

Achenbach: 47 Prozent aller Bäume und 73 Prozent der Laubbäume sind verbissen. Naturverjüngung gilt ab 25 Prozent als gefährdet, Kunstverjüngung ab 15 Prozent. „Perspektivisch verjüngt sich im Revier Achenbach nur die Fichte in ausreichender Anzahl“, heißt es in dem Gutachten – der gewünschte Mischwald entsteht dadurch nicht.

Gosenbach: 35 Prozent Verbiss insgesamt, 54 Prozent Laubwaldverbiss.

Fischbacherberg: 24 Prozent Verbiss insgesamt, 31 Prozent Laubwaldverbiss. Neben der Fichte behaupten sich Bergahorn und Buche.

Heinbach: 11,5 Prozent Verbiss insgesamt, 17,5 Prozent Laubwaldverbiss – eines von zwei Revieren im „Toleranzbereich“, doch auch hier stellt der Gutachter die unerwünschte „starke Entmischung“ des Waldes fest, in dem zu wenig Birken und Eichen wachsen.

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Hengsbach: 58 Prozent Verbiss insgesamt, 63 Prozent Laubwaldverbiss. „Perspektivisch verjüngt sich auf der Fläche nur Fichte und Bergahorn neben etwas Eberesche und Birke“, heißt es in dem Gutachten. Vor allem bei Eiche und Hainbuche sei der Verbiss „extrem hoch“.

Tiergarten: 5 Prozent Verbiss insgesamt, 5 Prozent Laubwaldverbiss – das andere Revier, das wenig Sorgen macht. „Der geringe Verbissdruck ermöglicht derzeit eine artenreiche Verjüngung.“ Allerdings hält sich im Tiergarten die Artenvielfalt in Grenzen; vermutlich, so der Sachverständige, wegen in der Vergangenheit erfolgter „Selektion“.

Kaan-Marienborn/Lindenberg: 73 Prozent Verbiss insgesamt, 74 Prozent Laubwaldverbiss. Das nennt der Gutachter „extrem“. Wenn sich dort nichts ändere, werde die Fläche „devastieren“, sprich: sie wird zur Wüste.

Winchenbach/Häusling: 74 Prozent Verbiss insgesamt, 77 Prozent Laubwaldverbiss. Die natürliche Verjüngung der Eiche werde „fast komplett verhindert“. „Die Etablierung eines artenreichen Waldes ist bei derzeitigem Verbissdruck ausgeschlossen.“

Die Eichen: Natürliche Besamung ist „reichlich“

Der Sachverständige erinnert daran, dass die Eiche und die Traubeneiche Nachfolger der Fichte als Hauptbaumarten werden sollen. Eine natürliche Besamung der Flächen finde „auch reichlich statt“. 1,5 Millionen Eicheln pro Hektar Eichenwald werden jährlich erzeugt. „Ein Eichelhäher versteckt pro Jahr etwa 4500 Eicheln im Boden, von denen er die wenigsten wieder findet.“ Die daraus wachsenden neuen Eichen werden dann allerdings verbissen und sterben ab: 64 Prozent in Gosenbach, 77 Prozent in Achenbach, 88 in der Hengsbach, 97 Prozent auf dem Häusling und 100 Prozent auf dem Lindenberg.

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