Siegen. Neujahrskonzert fernab der üblichen Walzerseligkeit: Philharmonie Südwestfalen, Dirigent und Solistin hinterlassen in Siegen bleibenden Eindruck.
Wer sich nach einer ausgedehnten Silvesterfeier auf zwei Konzertstunden zum Zurücklehnen gefreut hatte, wird schon nach den ersten Takten aus den bequemen Sitzen des Apollo-Theaters gerissen: Mozarts Ouvertüre aus der „Hochzeit des Figaro“ ist ein perfekter Muntermacher. Rhythmisch, schwungvoll, Müdigkeit vertreibend. Werke von mehr als zehn Komponisten stehen auf dem Programm des Neujahrskonzerts, darunter manch Bekanntes, aber auch viel Überraschendes, dargeboten von der Philharmonie Südwestfalen unter Leitung Olivier Tardys.
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Die Solistin: Sopranistin Sophie-Magdalena Reuter singt etwa das Liebeslied des englischen Komponisten Edward Elgar, kokett und gefühlvoll eine Arie aus der Oper „Rusalka“, sanft durch die Harfe begleitet. Vor allem aber bei „Gerne würde ich dir vertrauen“ aus der Oper „Die verkaufte Braut“ von Friedrich Smetana: Wie sie die Gefühle einer verratenen jungen Frau interpretiert, deren Enttäuschung, Verzweiflung und Trauer auch ohne übertriebene Gestik sichtbar und hörbar werden lässt – da agiert eine Sängerin mit einer Stimme, die sich leicht und drucklos in die Höhe schraubt und mühelos den Theatersaal füllt. Reuter hat schon mit vielen bedeutenden Orchestern zusammengearbeitet und in Konzert- und Opernhäusern des Landes bis hin zur Hamburger Elbphilharmonie begeistert.
Die Philharmonie Südwestfalen kann in Siegen das ganz große Besteck auspacken
Das Orchester: Auch für die Philharmonie ist dieses Neujahrskonzert etwas Besonderes. Ein Programm mit Werken von so vielen Komponisten spielt man nicht alle Tage und schon gar nicht in einer solch großen Besetzung. Alle Instrumentengruppen sind in voller Mannschaftsstärke auf der Bühne. Und so können die Philharmoniker etwa bei einem Tanz des Dänen Carl Nielsen das ganz große Besteck auspacken: Alle Blechbläser und die vier Schlagwerker sorgen für einen Klang- und Rhythmuszauber, wie man ihn lange nicht gehört hat. Auch die Ouvertüre zur Oper „Norma“ des Italieners Vincenzo Bellini, Mitbegründer der romantischen italienischen Oper, gehört nicht unbedingt zum Stammrepertoire von Klassikprogrammen, dafür aber in das Regal „Wunderbare Überraschungen“. In diesen sechs Minuten ist alles drin: Zartes, Trauriges, zum Schluss auch Bombastisches.
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Der Dirigent: Auch Olivier Tardy gehört zu den Überraschungen des Abends. Nicht nur wegen seines engagierten, zupackenden Dirigats. Diese Qualität hatte der in Frankreich geborene ehemalige Soloflötist der Bayerischen Staatsoper schon auf den Pulten der Brandenburger und Münchener Symphoniker sowie namhafter Orchester von Ankara über Nizza bis Prag bewiesen. Auch mit seiner ebenso charmanten, witzigen wie informativen Moderation. So erfährt das Publikum, dass der Italiener Vincenzo Bellini „nicht nur sehr beliebt war, sondern auch viel geliebt hat.“ Einmal sogar drei Frauen nebeneinander, die noch dazu alle Giuditta hießen (Lothar Matthäus lässt grüßen).
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Natürlich kommt ein Neujahrskonzert nie ohne Walzer aus. Doch in diesem Jahr wohltuend zurückhaltend mit Kompositionen von Johann Strauss. Und manchmal kommt ein Orchester auch ohne Dirigenten aus. Denn bei der letzten Zugabe, dem Radetzkymarsch, hat Tardy die Bühne längst verlassen.