Siegen. Tankred Schleinschock und Westfälisches Landestheater überzeugen an Silvester in Siegen mit „Musikladen“ der 70er und 80er. Meistens zumindest.

Kurze Röcke, Glitzeranzüge, heiße Höschen. Unverkennbare modische Attribute einer Zeit, die für große Namen des Pop-Geschäftes aus der Nach-Beatles-Ära stehen. Denn die „Fab Four“, diese Giganten des gepflegten Beat, hatten sich 1970, nach nur zehn Jahren erfolgreichen Wirkens dermaßen verkracht, dass sie nie mehr zusammen auftreten mochten. Zwei Jahre später beendete Radio Bremen seine legendäre Sendereihe „Beat-Club“, die unter Regie des ebenso legendären Michael Leckebusch live ausgestrahlt wurde, und entwickelte mit dem „Musikladen“ ein neues Sendeprofil, für das auch Uschi Nerke und Manfred Sexauer als Moderatoren standen.

+++Mehr Nachrichten aus Siegen und dem Siegerland finden Sie hier!+++

Bis 1984, also zwölf Jahre lang, schaffte der Musikladen eine Plattform für etablierte Stars und aufsteigende Sternchen zur besten Sendezeit und mit beeindruckenden Einschaltquoten. Das Westfälische Landestheater entwickelte daraus ein Bühnenprogramm, in dessen Mittelpunkt die Musik der 70er und frühen 80er Jahre steht.

Sängerinnen und Sänger und die Band heizen im Siegener Apollo ein

An vorderster Front agiert das Ensemble von drei Sängerinnen und fünf Sängern, die auch – aber das deutlich schwächer – kleine Rollenspiele übernehmen. Wie einer von ihnen „Love Hurts“ interpretiert, lässt das Original von Nazareth glatt vergessen. Aber auch andere Pop-Knaller wie „Superstition“ oder „God bless the child“ kommen ihren Interpreten Steve Wonder und „Blood, Sweat and Tears“ äußerst nahe.

+++Auch interessant: Weihnachtsstimmung mit Dieter Falk im Apollo-Theater Siegen+++

Da tun sich die drei Damen auf der Bühne deutlich schwerer. Zwar ist jede von ihnen eine hervorragende Solistin und dabei sehr gut anzusehen (einmal muss sich der Betrachter die Augen reiben, um nicht Amanda Lear in hautengem Leder leibhaftig auf der Apollobühne zu wähnen). Doch im Ensemblegesang der Drei „ratscht“ es manchmal. Vielleicht auch der Tatsache geschuldet, dass eine von ihnen kurzfristig neu besetzt werden musste.

Siegerländer Schlagzeuger Marco Bussi im Apollo: Ein exzellenter Künstler

Tankred Schleinschock, der charismatische musikalische Leiter des Programms, hat wieder einmal ein Ensemble der besonderen Art auf die Bühne gebracht. Musiker, die er schon lange kennt und die auch in jeder anderen Band und auf jeder anderen Bühne des Landes begeistern würden. Sind es die Gitarristen, die besonders hervorzuheben wären, oder die Bläser, oder der Drummer? Eine solche Entscheidung würde dem Ensemble nicht gerecht.

+++Lesen Sie auch: Die Philharmonie Südwestfalen ehrt die Könige des Barock+++

Doch ein Name sei genannt: Marco Bussi, der Siegerländer Schlagzeuger, hat an diesem Abend ein Heimspiel und macht das Apollo-Publikum stolz, einen solch exzellenten Künstler in dieser Band zu wissen.

Kurz Wundern über Tankred Schleinschock – dennoch beeindruckendes Bühnenspektakel

Und Tankred Schleinschock selbst? Der gibt diesmal einige Rätsel auf. Warum er etwa im ersten Teil seine Keybordtasten kaum betätigt und sich stattdessen als klatschender Eintänzer gefällt? Das gut gestimmte Publikum hätte auch ohne seine Aufforderungen mitgeklatscht. Warum er bei einem Titel meint, den musikalischen Leiter herauskehren zu müssen? Die Musiker hätten sein Dirigat mit Sicherheit nicht benötigt. Warum er Stücke der „Blödelbarden“ von „Insterburg & Co“ ins Programm genommen hat? Da wäre nahezu jeder andere deutsche Titel der damaligen Zeit niveauvoller. Das gilt auch für manchen Zwischentext: „Im Herbst fallen die Blätter. Das liegt auch am Wetter.“ Na ja.

+++Die Lokalredaktion Siegen ist auch bei Facebook!+++

Doch die zwei letzten Stunden des Jahres 2021 werden den Apollo-Besuchern dennoch in bester Erinnerung bleiben. „Musikladen – Eine musikalische Wundertüte“ gelingt es, die Großen ihrer Zeit von Abba über Johnny Cash bis zu Stevie Wonder durch ein beeindruckendes Bühnenspektakel wieder auferstehen zu lassen und dann das Publikum nach Mitternacht bestens gelaunt in die regnerische Nacht zu entlassen.