Kreuztal. Der Kreuztaler Rat bekundet in einer Resolution seine Sympathie für die Impfärzte – obwohl er das erst gar nicht wollte
Angriffe, Beleidigungen und Bedrohungen gegen Ärztinnen, Ärzte und ihre Mitarbeitenden, die sich mit Impfaktionen für die Corona-Bekämpfung einsetzen, seien „in keiner Weise zu tolerieren“, stellt der Kreuztaler Rat fest: „Die Kreuztaler Stadtverwaltung und der Rat der Stadt Kreuztal verurteilen diese geschmacklosen und anonymen Aktionen in aller Schärfe und erklären sich uneingeschränkt solidarisch mit allen, die sich mit ihrem Einsatz für einen schnellen Impffortschritt und mithin für den Schutz der Bürgerinnen und Bürger engagieren.“
+++Mehr Nachrichten aus Siegen und dem Siegerland finden Sie hier!+++
Grüne setzten Stellungnahme des Kreuztaler Rates durch
Diese Resolution hat der Rat einstimmig verabschiedet. Der Weg dorthin kann allerdings als Kabinettstück höherer Politik- und Verwaltungskunst erzählt werden.
Am letzten Wochenende waren in Kreuztal Grablichter mit der Aufschrift „Impfopfer“ vor den Praxen der Ärzte platziert worden, die in seit Monaten ganztägige Impfaktionen, auch an Samstagen und Sonntagen in der Otto-Flick-Halle und der Krombacher Brauerei anbieten und damit jeweils mehrere hundert, oft auch mehr als tausend Menschen erreichen. Die Grablichter tauchten auch vor Privatwohnungen und dem Rathaus auf, in folgenden Tagen auch in Siegen. Parteien und Fraktionen formulierten ihre Solidarität mit den Impfärzten und ihren Zorn auf die Täter im Internet, in Siegen und Hilchenbach verabschiedeten die Räte Resolutionen – nur in Kreuztal sah es nicht danach aus.
+++ Lesen Sie auch: Kreuztal: Welle der Solidarität mit bedrohten Impfärzten +++
Das Thema erschien nicht auf der Tagesordnung der Ratssitzung - im Vorfeld hatten sich die Fraktionen nicht verständigen können. Dieter Gebauer (Grüne) meldete sich unter dem 17. und letzten Tagesordnungspunkt zu Wort. „Es geht uns nicht darum,. die auch in Kreuztal vertretenen Impfgegner und Grablichtaufsteller zu schmähen und damit unverdiente Aufmerksamkeit einzuräumen.“ Die Kreuztaler Kommunalpolitik müsse aber ein Zeichen setzen, „indem sie Lob und Anerkennung für die Kreuztaler Ärzte ausspricht, die nahezu rund um die Uhr ihre Zeit zum Wohle unserer Einwohnerschaft opfern.“ Dieter Gebauer zum Schluss: „Wenn die anderen Fraktionen sich anschließen würden, würden sich die Kreuztaler Ärzte freuen.“ Damit war der Stein ins Wasser geworfen,
Mittlerweile deutschlandweites Echo auf Kreuztaler Grablichter-Aktion
.Dr. Uta Butt (CDU), selbst Ärztin, meldete sich als Erste zu Wort und erklärte, warum die CDU-Fraktion dem Gedanken an eine Resolution reserviert gegenüberstand: „Die Impfgegner haben schon eine unheimlich große Öffentlichkeit“, sie erführen eine „riesengroße Aufmerksamkeit“. Ihr Rat: „Einfach nicht drauf eingehen.“ Denn „mit Argumenten kommt man da nicht weiter.“
+++ Lesen Sie auch: Netphen eröffnet Impfstation in ehemaliger Tagesklinik +++
Bürgermeister Walter Kiß, der bereits am Montag eine öffentliche Stellungnahme abgegeben hatte, zeigte sich zwiegespalten. Er habe „bewusst“ das Thema nicht auf die Rats-Tagesordnung gehoben – andererseits: „Es zieht Kreise.“ Mittlerweile berichteten auch deutschlandweit Fernsehsender über die Angriffe auf Kreuztaler Ärzte. Dieter Gebauer (Grüne) pflichtete der CDU-Stadtverordneten zwar bei: Sich mit Impfgegnern auseinanderzusetzen, sei „absolut sinnlos“. Aber: Kreuztal müsse sich hinter seine Ärzte stellen – wenn schon der Rat der Nachbarstadt Hilchenbach schneller war und in Siegen sogar die AfD mitgestimmt habe. „Wir müssen da einen Pflock einschlagen“, forderte UIrich Schmidt-Kalteich (Grüne).
Philipp Krause (CDU) sah den Rat in einer „unschöne Situation gebracht“. Denn nun, wo die Diskussion öffentlich im Rat geführt werde, komme die Politik nicht umhin, Stellung zu beziehen. „Es wäre schön gewesen, wir hätten uns im Vorfeld geeinigt.“ Frank W. Frisch (FDP) riet zwar noch, nach den öffentlichen Äußerungen der Fraktionen „im Moment nicht Weiteres zu tun“. Aber dazu war es nun offenkundig zu spät.
Kreuztaler Bürgermeister auf alles vorbereitet
Bürgermeister Walter Kiß hatte mit alldem gerechnet und fragte nach einem „Stimmungsbild“: Tatsächlich hoben sich nur noch wenige Hände, die gegen eine Resolution waren. Sekunden später legte der Bürgermeister einen für diesen Fall vorbereiteten Entschließungsentwurf auf den Tisch, den er verlas und zur Abstimmung stellte – Ergebnis: siehe oben. Auch für die Medien war das Papier ausgedruckt zur Hand, die Blamage mit Strahlkraft abgewendet. Schließlich, so betonte Walter Kiß, sei Kreuztal gerade mit seinem Engagement für das Impfen in eine herausgehobene Rolle gekommen – und die will die Stadt nun erst recht wahrnehmen.
+++Die Lokalredaktion Siegen ist auch bei Facebook!+++