Weidenau. Bruno Kappi, am 15. 12. 1992 buchstäblich von Neonazis in Siegen totgetreten. Mahnmal am Ort, an dem er brutal ermordet wurde, ist bald fertig
Sie prügelten ihn buchstäblich tot. Der Obduktionsbericht ist brutal. Die Liste dessen, was alles zerfetzt, perforiert, geprellt und gebrochen wurde im Körper Bruno Kappis ist lang. Das Entsetzen und der Schock über diese Tat wirken fort. Ein Mahnmal soll aufrütteln und erinnern an den Tag und an den Mann, den jugendliche Skinheads am frühen Morgen des 15. Dezember 1992 ermordeten. Die Täter wurden nicht bestraft. Sie dürften heute in dem Alter sein wie Bruno Kappi damals, als sie ihn töteten.
Symbolik und Sinn des Mahnmals für Bruno Kappi in Siegen
Olaf neopan Schwanke hat den Zuschlag vom Siegener Bündnis für Demokratie erhalten, das Mahnmal zu konzipieren und anzufertigen. Die Politik, mit Ausnahme der AfD, begrüßt Vorhaben und Konzept. Schwankes Entwurf ist zweiteilig: Eine Bodenplatte am Tatort und eine Figur, die daneben steht.
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Bodenplatte: 55 Jahre war Bruno Kappi alt, als betrunkene, enthemmte Jugendliche ihn ermordeten – 55 Zentimeter im Quadrat wird die Bodenplatte messen, auf deren Zentrum sein Konterfei in der Pupille eines großen Auges an ihn erinnert. Die Metallplatte wird dort liegen, wo Kappi starb. Ein Hochrelief-Text, auch in Braille-Schrift, erinnert und mahnt. 55 Zentimeter, das ist auch ungefähr eine menschliche Schulterbreite. „So viel Platz hatte Bruno Kappi in der Gesellschaft“, sagt Schwanke.
Figur: Stellvertretend für unser aller Verhalten, unsere Reaktionen angesichts des brutalen Verbrechens soll sie Schock und nacktes Entsetzen gestisch einfangen. Ein schmales, nacktes Kind, 1,10 Meter hoch (zwei mal 55). Eine Hand vor dem Mund, um nicht zu schreien; eine Hand fassungslos-grübelnd am Kopf. Das „Augenmännchen“, wiederkehrendes Motiv in Schwankes Werken, richtet den Blick zu Boden und lenkt den Fokus auf das eigentliche Mahnmal, die Bodenplatte am Ort des Todes. Und symbolisiert so, „wie wir uns verhalten“, sagt Schwanke: Eine „Rezeptionshaltung der Demut“ – man schaut nicht auf wie zu einer Reiterstatue, sondern senkt den Kopf. Das Jungenhafte, Zerbrechliche der Figur soll auch kindliche Empathie versinnbildlichen, Entrüstung und Verständnislosigkeit angesichts geradezu entmenschlichter, sinnloser Gewalt. Der Gedanke, die Figur stehe wegen des großen Auges für den stark sehbehinderten Kappi, mag vielleicht naheliegen, ist aber nicht intendiert. Aber so ist das eben mit Kunst im öffentlichen Raum: „Wir müssen schauen, wie die Leute damit umgehen werden“, sagt Schwanke. Sie sollen jedenfalls nicht einfach daran vorbeigehen können.
Material und Produktion: Bronzeguss-Figur wird teurer als gedacht
„Blankes Entsetzen“ soll auch im Wortsinne abgebildet werden. Bodenplatte und Figur werden in Bronze gegossen, anfangs glänzend, dann mit immer mehr Patina. Das Mahnmal wird sich der Umgebung anpassen, es wird von ihr „verarbeitet“, wie die Gesellschaft die Tat verarbeitet. Aber nicht vergisst: „Es wird nicht mehr so frisch wie am Anfang sein“, sagt Schwanke. „Es bleibt aber immer da.“
Zunächst einmal wird das Mahnmal teurer als gedacht. 30.000 Euro setzen der Künstler und Bündnis für Demokratie an – anders als ursprünglich geplant kann Schwanke einen Brennofen der Uni Siegen nicht nutzen, muss auf einen gewerblichen Bronzegießer ausweichen. „Da darf ich nicht alles selber machen“, sagt er. Aber mitarbeiten. „Höchstens 16 Prozent des Preises macht bei Bronzeguss das Material aus“, sagt Schwanke – der Arbeitsaufwand macht es teuer. Zunächst wird ein 1:1-Modell aus Ton gefertigt, mit Hilfe dessen dann in der Gießerei die Silikonformen für das Original abgenommen und ausgegossen werden.
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27.500 Euro hat das Bündnis bereits, für die noch fehlende Summe hoffen die Beteiligten auf Spenden: Kontoinhaber: Verein für soziale Arbeit und Kultur Südwestfalen e. V., IBAN: DE54 4605 0001 0001 2857 07 bei der Sparkasse Siegen, Verwendungszweck: Spende Bruno Kappi.
Wären die Täter 14 Monate vorher bestraft worden, könnte Bruno Kappi noch leben
„Sehr ausdrucksstark“, sagt Ingo Degenhardt, einer der Sprecher des Siegener Bündnisses für Demokratie, über das Mahnmal, „es ist anschlussfähig für Interpretation. An Kunst scheiden sich eben die Geister.“ Und genau das will das Bündnis mit dem Mahnmal erreichen, ergänzt Stefan Klenzmann – denn in der Zeit nach der Tat sei sie geradezu totgeschwiegen worden. Jeder kenne die Übergriffe aus Rostock-Lichtenhagen – Bruno Kappi aus Weidenau hingegen nicht. „Sehr viele Menschen kennen die Tat nicht – das wird sich mit den Mahnmal ändern“, sagt er. Wären die mutmaßlichen Täter 14 Monate vor der Ermordung Kappis für ein anderes Vergehen zur Rechenschaft gezogen worden, „wäre Bruno Kappi am 15. Dezember 1992 bei seiner Arbeit angekommen“, so Klenzmann.