Hilchenbach/Siegen. Pandemie wirft die Mobile Musikschule zurück. Auch längere Schultage werden zum Problem
Vor einem Jahr stand MoMu vor dem Aus: Nicht nur wegen Corona. Sondern auch, weil das Rockmobil eine teure Reparatur brauchte. Eine große Spendenaktion brachte den Mobilen Musiktreff wieder auf die Straße, die Stadt Hilchenbach kümmert sich um den Verein, der nebenbei die städtische Musikschule ersetzt. Die Suche nach einer stabilen Perspektive dauert indes an.
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Erfolgsgeschichte: Drei Jahrzehnte fast ohne öffentliche Förderung
Nächste Haltestelle: der Kulturausschuss des Kreistags. Dort stellte MoMu-Gründer und -Geschäftsführer Hans-Dieter Klug jetzt das Projekt vor, das seit mehr als 30 Jahren nicht nur Rock und Pop zu jungen Menschen in Siegen-Wittgenstein bringt – in den ersten Jahrzehnten in insgesamt drei Gelenkbussen, neuerdings im Truck mit Bandprobenraum einschließlich Schlagzeugkabine - sondern auch mobile Musikschule ist. Die Hoffnung: die Aufnahme in die Kulturförderung des Kreises, um feste Kosten bestreiten zu können. Denn Einnahmen fließen seit Gründung des Vereins 1988 nur aus der Vergütung der Einsätze in Kita, Schulen und Jugendzentren, für große Projekte wie „Young Stage“,aus dem Musikunterricht, für den freiberufliche Lehrkräfte honoriert werden, und von der Stadt Hilchenbach, die jährlich 5000 Euro zuschießt.
Soziale Arbeit mit Musik
Der Sozialpädagogik-Student Hans-Dieter Klug sah in den 1980er Jahren den Werkbus des Kreises, eine Art mobiles Jugendzentrum mit Kreativangeboten. „Ich habe gedacht, warum macht man so was nicht mit Musik“, erzählt der Hilchenbacher, wie MoMu entstand. Außer ihm mögen auch viele andere die Idee gehabt habe. Wirtschaftlich durchgehalten haben nur wenige. Um die zehn Rockmobile gibt es in ganz Deutschland, in NRW nur noch ein weiteres in Essen.
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Das Rockmobil ist ein Standbein, die Musikschule mit dem Elementarunterricht für die Zwei.- bis Sechsjährigen das andere, größere. „In Spitzenzeiten haben wir wöchentlich bis zu 1200 Kindern erreicht“, berichtet Hans-Dieter Klug. „Wir wollen musikalische Teilhabe ermöglichen", sagt er, „wir erreichen Familien, die sonst nicht erreicht würden.“ Das geht über den Preis, über den Instrumentalunterricht grundsätzlich zu Hause bei den Kindern, über die anderen Wege. Das Rockmobil hält selten an Gymnasien, weil die Kinder dort in der Regel bei den kommunalen Musikschulen gut versorgt sind. „Wir sind ganz bewusst an die Hauptschulen, Gesamtschulen, manchmal Realschulen gegangen. Wir wollen auch die Kinder ansprechen, die üblicherweise nicht mit Musik in Verbindung kommen.“ Bettina Schreiber, Leiterin der Musikschule bei MoMu, betont die Bedeutung des Angebots „gerade für einkommensschwache, bildungsferne Familien“. Und zeigt sich entschlossen: „Wir möchten uns diese Arbeit nicht nehmen lassen.“
Probleme: Zu viel Schule, zu wenig Kinder
Der Anspruch, nicht nur Musik zu unterrichten, sondern auch soziale Arbeit zu leisten, ist ein Markenzeichen für MoMu. Macht das Überleben aber auch schwierig, wenn Fördertöpfe in Kultur- und Jugendhilfebudgets gesucht werden, räumt Hans-Dieter Klug ein. „Wenn wir Pech haben, fallen wir durch alle Raster.“
Allein aus eigener Kraft wird MoMu nicht überleben. Hans-Dieter Klug stellt dar, was anders geworden ist:
Es gibt weniger Kinder.
Die Schule dauert länger, der Ganztags verkleinert das Zeitfenster der Kinder für Freizeitaktivitäten. „Wir sind in Konkurrenz zu Sport- und anderen Musikvereinen.“
Schließlich die Pandemie: „Wir konnten ein halbes Jahr nicht in Kitas und Schulen.“ In manche Kita auch jetzt noch nicht wieder. „Es wird schwierig, wieder bei Null anzufangen.“ Online hat MoMu versucht, den Kontakt zu halten. 110 Videos mit Sing-, Spiel- und Lernangeboten, zwischen fünf und 20 Minuten lang, hat die Musikschule ins Netz gestellt.
Auswege: Vorschlag für Zuschuss kommt
„Ein relativ komplexes Problem“, erkennt Kulturausschussvorsitzender Hermann-Josef Droege (CDU). Und fügt gleich noch eins hinzu: Der Ganztag in den Schulen wird mit Angeboten wie Jekiss unterfüttert, „jedem Kind sein Instrument“ – zum Nulltarif. Auch das verschärft die prekäre Lage von MoMu. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir eine Kreismusikschule gründen“, sagt Bernd Brandemann (CDU). Hoffnungslos sieht er die Lage aber auch nicht: Er verweist auf das entstehende Kulturgesetzbuch des Landes, das erstmals auch eine Förderung von Musikschulen ermöglichen soll. „Eine gewisse Perspektive zeichnet sich an.“ Landrat Andreas Müller kündigt einen „Verfahrensvorschlag“ im Zuge der im Dezember anstehenden Haushaltsberatungen an.
Allzu zaghaft sollte der Kreis nicht sein, mahnt Holger Glasmachers. Kulturring-Vorsitzender und Kulturamtsleiter in Kreuztal: „Natürlich sehe ich den Kreis in der Pflicht. Das ist ein Aushängeschild für uns.“
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