Netphen. Netphen macht sich Gedanken um den Hochwasserschutz. In Herzhausen ist der Frust über vergebliche Bemühungen um den Dreisbach groß.

Alfred Oehm und der Dreisbach: Die Auseinandersetzung des Herzhausener CDU-Politikers mit dem über die Ufer tretenden Gewässer geht ins dritte Jahrzehnt.

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Das ist die Lage

Im Stadtentwicklungsausschuss berichtete er jetzt, wie Bemühungen von Stadt und Bürgerschaft ins Leere laufen: Vorschläge aus zwei von der Stadt bestellten Gutachten wurden nicht umgesetzt, weil Anwohner dafür Gärten und Sitzecken „einer Enteignung gleichkommend“ hätten abgeben müssen. Bei einer Überflutung der Wiesen oberhalb des Dorfes spiele die Wasserbehörde des Kreises Siegen-Wittgenstein nicht mit, beim Ausbaggern des versandeten Bachs im Unterdorf auch nicht mehr. „Man kann gar nicht beschreiben, welche Arroganz die Leute an den Tag legten“, berichtete Oehm von einem Ortstermin, „man musste die Herzhausener bremsen, dass die heil davongekommen sind.“

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SPD und UWG hatten nach der Starkregen-Katastrophe im Juli beantragt, die Schutzmaßnahmen in Netphen zum Thema zu machen. „Wir können das nicht mehr wegschieben“, sagte Manfred Heinz (SPD). Die Kartenwerke zeigten, dass die Bebauung in der Netphener Bahnhofstraße und dann ­siegabwärts vom Dreis-Tiefenbacher Telekom-Komplex aus in den Hochwasserzonen liege. Die Folgen eines Starkregens wie an der Erft oder in Hagen seien dort „überhaupt nicht auszudenken“. Der SPD-Fraktionschef erinnerte an ein vor über zehn Jahren vorgelegtes Gutachten zu Unglinghäuser Bach, Breitenbach und Dreisbach: Nur zwei der dort empfohlenen acht Maßnahmen seien umgesetzt worden. Die Stadt müsse entscheiden, ob sie für die gefährdeten Bereiche weiterhin Baugenehmigungen erteile.

Sirenen für alle

Die Alarmierung der Bevölkerung ist im Zusammenhang mit Hochwasser-Katastrophen auch in Netphen Thema. Rüdiger Bradtka (CDU) wies darauf hin, dass es für vier Ortsteile nach wie vor nur mobile Sirenen gebe. Alle Orte müssten wieder mit stationären Sirenen ausgestattet werden.

„Es wird nichts passieren“, sagte Paul Legge (CDU) voraus, beklagte „überwuchernden Bürokratismus“ und zeigte sich „erschüttert“ von der Schilderung aus Herzhausen: „Alfred Oehm hat das Versagen der Behörden detailliert vor Augen geführt.“ Elke Bruch (SPD) steuerte das Beispiel aus Unglinghausen bei. 2012 habe das Wasser aus dem ­Unglinghäuser Bach die Turnhalle geflutet: „Der Boden musste recht teuer saniert werde.“ Im Juni dieses Jahres habe das Wasser erneut vor der Halle gestanden.

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Das kann getan werden

„Hochwasser lässt sich nicht beherrschen“, stellte Tiefbau-Fachbereichsleiter Rainer Schild fest. Zu entscheiden sei, „welchen Hochwasserschutz wir bieten wollen“. Es empfehle sich, das Augenmerk auf die kleineren Bäche zu legen, die im Falle eines Starkregens schnell außer Kontrolle geraten. Prof. Dr. Jürgen Jensen (CDU), selbst Wasserbau-Experte an der Siegener Uni, schloss sich an und lenkte den Blick auf die Hänge von Hainchen und Irmgarteichen: „Wenn dort bei Starkregen das Wasser runter rauscht, bleibt das nicht ohne Folgen.“ Zwar sei die Obernautalsperre, von Rainer Schild als „kleiner Luxus“ bezeichnet, schützender Wasserspeicher – die Staumauer wurde auf 10.000-jähriges Hochwasser ausgelegt. Andererseits kämen von dort, wenn die Sperre gefüllt sei, auch „enorme Abflussmengen“, die von den Unterliegern zu bewältigen seien.

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Prof. Dr. Jürgen Jensen weiß, dass die Katastrophe schnell vergessen wird. „Die Hochwasserdemenz setzt zeitnah wieder ein.“ Deshalb sei es wichtig, „dass jeder sich klar macht, dass Starkregen eine Gefahr ist.“ Leben an Gewässern sei „immer mit Gefahr verbunden“. Ein Teil des Problems in den nun zerstörten Gebieten an der Ahr sei es, „dass man sich dort sicher fühlte“. In Politik und Verwaltung sei eine Veränderung der Prioritäten zu beobachten: vom Hochwasserschutz weg zur Renaturierung. Paul Legge (CDU) wurde konkret: Das Totholz, das zur ökologischen Verbesserung in ein Bachbett eingebracht wird, blockiert im Hochwasserfall den Wasserablauf.

„Wir reden, es wird nichts passieren“, sagte Paul Legge (CDU) ein weiteres Mal. Fachbereichsleiter Rainer Schild bot zumindest einen Ansatz an: Die Stadt will Starkregen-Gefahrenkarten erstellen lassen. Mit digitalen Geländemodellen wird ermittelt, welche Flächen von kleinen Bächen bei Starkregen überflutet werden. Im Etat für 2022 werden dafür 100.000 Euro bereitgestellt.

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