Siegen. Von Michael Jackson zu den Roten Karten: Ehemalige Dezernentin der Kreisverwaltung ist jetzt Rechtsanwältin.

Lange hat der Urlaub nicht gedauert. Helge Klinkert hat die paar Wochen seit ihrem Abschied aus dem Kreishaus genutzt, sich im neuen Beruf einzurichten. Die ehemalige Dezernentin – „Leitende Kreisrechtsdirektorin a.D.“, könnte man sehr förmlich sagen – ist jetzt Rechtsanwältin. „Ich wollte mal was anderes machen“, sagt die 64-jährige Juristin, die ihr Büro in der Kanzlei Menzel & Timmer in der Badstraße bezogen hat. Fast immer noch in Sicht- oder Steinwurfweite vom Kreishaus entfernt. Und doch ganz weit weg davon. „Man sitzt auf einmal auf der anderen Seite.“

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Der Start

Das hätte Helge Klinkert natürlich schon vor vielen Jahren haben können. Im Referendariat nach dem Studium suchte sie Schnittstellen von Recht und Politik, entdeckte bei der Mitarbeit für einen Bundestagsabgeordneten im Rechtsausschuss ihr Interesse am öffentlichen Recht, das sie beim Verwaltungsgericht Kassel vertiefte: „Da habe ich viel gelernt.“ Dass sie niemals Strafverteidigerin würde, stand da längst fest: Unfälle, Kapitalverbrechen, Obduktionen? „Nicht meine Welt.“ Aber deshalb gleich Verwaltung?

Nicht sofort. Helge Klinkert heuerte in Bad Homburg in der Konzertagentur von Fritz Rau an. Festivals wurden ihre Welt, Konzerte mit Prince und Michael Jackson. „Das war mein Einstieg ins Berufsleben“, erzählt sie, „ich wollte nie Beamtin werden.“ Familiäre Gründe waren es, die sie veranlassten, die Rückkehr nach Siegen anzugehen. Als sie die Stellenausschreibung sah, schickte sie Bewerbung los – 1987 wurde sie Rechtsamtsleiterin beim Kreis Siegen-Wittgenstein.

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Das Kreishaus

Eine andere Welt, für sie die Verbindung von Recht und Kommunalpolitik. „Irgendwann wurde das dann auch spannend“, sagt sie im Rückblick, „ich habe das sehr gern gemacht, langweilig ist das nie gewesen.“ Karriere machte Helge Klinkert im Kreishaus: 1992 wurde sie zur Sozialdezernentin ernannt, 2003 zur Bau. und Umweltdezernentin, 2013 wieder zur Sozialdezernentin, 2014 zur Dezernentin für Innere Dienste und 2019 – zum dritten Mal – zur Sozialdezernentin. „Ich wollte nicht als Sozialdezernentin in Rente gehen“, erklärt sie, warum sie den ersten Wechsel angestrebt hat. Dass sie zwei Mal zurückkehrte, hat sie nicht selbst angestrebt.

Sozial- und Jugenddezernat

In der Siegen-Wittgensteiner Kreisverwaltung war Helge Klinkert zuletzt Sozial- und Jugenddezernentin. Zu ihrem Geschäftsbereich gehörten auch das Schulverwaltungsamt, die Volkshochschule und das Amt für Beschäftigungsförderung.Ihr Nachfolger Thomas Wüst wird sein Amt zum 1. Oktober antreten. Er ist derzeit noch Jugendamtsleiter bei der Stadt Wetzlar. Bis 2018 war der Netphener über acht Jahre Sachgebietsleiter im Jugendamt des Kreises Siegen-Wittgenstein.

Helge Klinkert spricht von einem „strukturellen Problem“, wenn sie ihr vielschichtiges Verhältnis zu Verwaltung allgemein und ihrem eigenen Wirkungskreis im Besonderen zu beschreiben versucht – „es ist kompliziert“, bietet Facebook als eigenen Beziehungsstatus. Als Juristin, die von außen in den Verwaltungsapparat einsteigt, bleibt sie für ihre in der Kommunalverwaltung groß gewordenen Kolleginnen und Kollegen immer ein bisschen fremd – vor allem in der Herangehensweise, die den Blick über den Tag und über das aktuelle Problem hinaus fordert: „Ich habe immer versucht, konzeptionelle Ansätze zu finden.“ Dass sie sich damit nicht nur Freunde gemacht hat, liegt auf der Hand: „Kommunalpolitik an der Basis ist persönlich, kleinteilig.“ Und, auch das lässt sie durchblicken, männlich: „In Männerbünde passe ich nicht hinein.“

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Ein bisschen bedauert sie, dass die Verwaltungsleitung nicht mehr bei Stadt- und Oberkreisdirektoren liegt, sondern bei direkt gewählten Bürgermeistern und Landräten – diese neuen, auch sehr repräsentativen Jobs seien nicht ihr Ding, sagt Helge Klinkert. Erfolg dabei gehabt zu haben, ist eine der positiven Erinnerungen an fast 35 Jahre Kreisverwaltung: „Wir haben in der Zeit eine Menge bewegt.“ Wenn es nach ihr ginge, noch mehr: Wenn die Städte und Gemeinden bei der Planung von Windkraftflächen auf Kreisebene zusammengearbeitet hätten, hätten sie sich Ärger erspart, zum Beispiel. Oder: Das Thema einer Katastrophenschutzbedarfsplanung sei heute „aktuell wie nie“. Statt Sirenen zu installieren, hätten Kommunen für mobile Sirenen, die auf Autos montiert werden, „wie sich heute bestätigt, viel Geld in die falsche Technologie investiert.“

Der neue Beruf

Schwerpunkt ihres neuen Berufs wird das sein, was sie auf der anderen Seite auch gemacht hat: öffentliches Recht. Auseinandersetzungen um Baugenehmigungen oder planungsrechtliche Festsetzungen, die privates Eigentum berühren, zum Beispiel, beamten-, disziplinar-, kommunalverfassungsgerichtliche Themen. „Das mache ich wirklich gern.“ Mit ungefähr halber Wochenarbeitszeit – diese Freiheit kann Helge Klinkert sich nun nehmen. Mit ihrer Tätigkeit für Landesjustizprüfungsamt in Hamm – in dessen Auftrag korrigiert sie Klausuren angehender Juristen – bleibt sie überdies nahe am beruflichen Nachwuchs.

Und dann ist da noch der Sport. Helge Klinkert, Mitglied der SG Siegen-Giersberg, gehört schon seit ihrem Jurastudium dem Kreissportgericht des Fußballkreises an, das über rote Karten, Bestrafungen für Spieler und Spielabbrüche befindet. „Dabei habe ich nie Fußball gespielt.“ Aber in der Feuerwehr war sie ja auch nicht, obwohl sie im Kreishaus für den Bevölkerungsschutz zuständig war – allerdings: Der Vater hauptberuflicher Feuerwehrmann und bei der Hamburger Flut von 1962 als Rettungstaucher im Einsatz. Sie wusste, worum es geht.

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