Burbach/Siegen. Wer aus einem Krieg flüchte und in einem anderen Land Aufnahme finde, habe sich auch an die Regeln zu halten, sagt der Zeuge im Burbach-Prozess.

„Ich wollte unbedingt aussagen“, erklärt der Zeuge (41), der dafür eine sehr lange Anreise auf sich genommen hat. Er lebt „in den besetzten Teilen Palästinas, für andere Israel“, ist gegen Zusicherung freien Geleits nach Siegen gekommen. Mit seinen Ausführungen sorgt er am Mittwoch, 30. Oktober, für einen der bemerkenswertesten Momente im „Burbach“-Prozess, dessen Beginn sich am 8. November zum ersten Mal jährt.

„Wenn ich hier Vorsitzender wäre, dann würde keiner dieser Leute hier sitzen“, sagt er, zeigt auf die Angeklagten und löst damit Beifallsrufe aus. H. war nach eigenem Bekunden „von Mai bis Juni/Juli 2014“ in der Einrichtung, genauer könne er sich nicht mehr erinnern. Der Mann hatte eine eher ungewöhnliche Doppelfunktion, als Flüchtling und als Dolmetscher, weil er neben Deutsch noch Türkisch, Arabisch, Englisch und Italienisch spreche.

Unterstützung vom Sicherheitsdienst

H. ist in Deutschland geboren, hat aber bereits von 2003 bis 2012 im Westjordanland gelebt, reiste dann „mit einem Schengen-Visum“ wieder ein. Als das im Frühjahr 2014 ablief, habe er Asyl beantragt. In seiner Zeit sei es nie zu übertriebenen Übergriffen gegenüber Bewohnern gekommen, versichert H. mehrfach. Er selbst habe eine sehr gute Zeit in Burbach erlebt, seitens der Sicherheitsleute sehr viel Freundlichkeit und Unterstützung erfahren.

Die seien auch eigentlich gegen die Einrichtung der Problemzimmer gewesen, hätten sich „in meiner Anfangszeit“ sogar mehrfach gegen die Anweisungen der Sozialbetreuer gewehrt, Personen „in die Strafzimmer“ zu bringen. Später nicht mehr, weil es wohl sinnlos gewesen sei. Die Entscheidungsgewalt habe immer bei den Sozialbetreuern gelegen, vor allem bei deren Chef. Aus seiner Sicht hätten viele Sozialbetreuer Dienst nach Vorschrift gemacht, seien oft nicht ansprechbar gewesen. Bei den Sicherheitsleuten habe er immer ein offenes Ohr gefunden.

Wenn Problemzimmer, dann nach heftigen Randalen

In seiner Gegenwart sei niemand grundlos ins Problemzimmer gekommen. Immer seien heftige Randale vorangegangen und der Versuch, die Betroffenen anders zu beruhigen. Wenn diese sich selbst oder andere gefährdet hätten, sei dann die Entscheidung für das Strafzimmer gefallen. Alles völlig gerechtfertigt, findet der Zeuge. Wer aus einem Krieg flüchte und in einem anderen Land Aufnahme finde, der habe sich auch an die Regeln zu halten. Seine Einschätzung sei, dass mancher Bewohner in Burbach Dinge getan habe, „für die er in unseren Ländern nicht mal mehr die Sonne sehen würde!“ Und viele der Migranten kämen ja „aus unseren Ländern“.

Aufgrund des Videos, das er selbst nur aus den Medien kenne, sei in der Öffentlichkeit ein falscher Eindruck entstanden. Wer vor Ort gewesen sei, wisse die Dinge besser einzuschätzen. Die Wachleute seien 24 Stunden lang täglich bespuckt, geschlagen und angegangen worden. Er selbst hatte Deutschland wieder verlassen, um einer Ausweisung zuvorzukommen, nachdem er vom Dortmunder Amtsgericht wegen Drogenbesitzes verurteilt worden war. Weitere Ermittlungen laufen. Aus diesem Grund wurde ihm für diese Aussage freies Geleit zugesagt.

Kaum Details in Erinnerung

An viele Einzelheiten erinnert sich H. nicht mehr. Aber sicher ist er sich, dass jeder, der in Burbach war, von den Strafzimmern gewusst habe.

Auch der Vertreter der Bezirksregierung, mit dem er selbst darüber gesprochen habe, bestätigt er dem Anklagevertreter. Vorher hat er den Mann unter den Angeklagten identifiziert. Er selbst habe genug Probleme mit dem Recht gehabt, um zu wissen, dass die Problemzimmer nicht legal gewesen seien. Richtig findet er den Einsatz dennoch.

„Ich war stellvertretender Leiter der Einrichtung in Bad Laasphe“, erzählt der Zeuge weiter. Ihm sei wegen einer Verurteilung aus dem Jahre 1997 gekündigt worden. Danach habe er den Lebensunterhalt auf strafbare Weise verdienen müssen, „meine fünf Kinder in Palästina fragen nicht, wo das Geld herkommt!“ Aber er respektiere den deutschen Staat und habe immer gehofft, einen richtigen Job zu bekommen.

Bewohner grundlos ins Gesicht geschlagen?

Diesen Respekt hätten viele Bewohner in Burbach überhaupt nicht gehabt. Wer sich hingegen vernünftig verhalten habe, dem sei nichts geschehen. Das könne er zu 100 Prozent bezeugen. Christian Kuhli erinnert an eine Aussage bei der Polizei, wo H. gesehen haben wollte, dass ein Bewohner grundlos einen Schlag ins Gesicht bekommen habe.

Das wisse er nicht mehr, sagt der Zeuge, fragt sich aber, ob es da nicht doch vorher eine Provokation oder einen Schlag vom Bewohner gab. Ansonsten ändere er seine Aussage eben, „dass es so etwas zu 99,9 Prozent nicht gegeben hat“.


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