Siegen. 23-Jähriger ohne Führerschein flieht mit mehr als 100 vor der Polizei von Weidenau nach Kreuztal. Vor Gericht gibt er alle Vorwürfe zu
„Was Sie sich da geleistet haben, das sucht schon seinesgleichen“, sagt Oberamtsanwältin Judith Hippenstiel zu dem Angeklagten S., er müsste „auf den Knien danken“, dass alle Beteiligten überhaupt noch am Leben seien. Der 23-Jährige nickt und gibt alle Vorwürfe zu, was ihm am Schluss der Verhandlung zu Gute kommt.
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Der angesprochene Vorfall ereignete sich am 28. Juni 2019 und gehört tatsächlich nicht zu den alltäglichen Geschehnissen im Siegerland. Es gab eine wilde Verfolgungsjagd „mit mehr als 100“ vom Bismarckplatz in Weidenau zu einem Industriegebiet in Kreuztal, mit diversen überfahrenen roten Ampeln, mehrfachen Vollbremsungen anderer Verkehrsteilnehmer, die Frontalzusammenstöße verhinderten und damit wohl tatsächlich Leben retteten, riskanten Überholmanövern und einem am Ende „geschrotteten“ Auto, das dem Angeklagten nicht einmal gehörte. Ja, er habe wohl den Verkehr gefährdet, „aber ich hatte auch das Gefühl, immer die Kontrolle zu haben“, erinnert sich der junge Mann.
Angeklagter flieht ohne Führerschein im Auto vor der Siegener Polizei
Anklagevertreterin und Gericht wollen wissen, wie S. ohne Fahrerlaubnis zu dem Wagen kam. Er sei mit einer Freundin unterwegs gewesen, mit dieser in jenem Auto nach Hause gefahren. „Ihre Mutter hat sie mit einem Krankenwagen in eine Therapieeinrichtung gebracht“, erzählt er weiter. Er selbst habe „drei oder vier Stunden gewartet“, keine Lust mehr gehabt und sei schließlich mit den Fahrzeug losgefahren. Das sei keine gute Idee gewesen, „aber irgendwie noch verständlich“, findet die Anklagevertreterin: „Aber dann mussten Sie am Abend noch einen draufsetzen!“ Sie hätten sich mit Freunden am Bismarckplatz getroffen, ein komisches Gefühl bekommen, seien losgefahren und hätten plötzlich die Polizei hinter sich gehabt, erinnert sich S.: „Ich konnte nicht mehr aufhören. Bei der Sirene stellten sich mir die Nackenhaare auf.“
Wenn ich eine Sirene höre, halte ich an“, schüttelt Amtsrichterin Müller den Kopf. Die Oberamtsanwältin glaubt, er habe eher seinen beiden Mitfahrern imponieren wollen. Heute wisse er, wie dumm er sich verhalten habe, sagt der junge Mann. „Waren Sie jemals in einer Fahrschule“, fragt Judith Hippenstiel. Er habe die Ausbildung begonnen, „aber die Lust verloren“. Fahren habe er allerdings in der Lehre zum Kfz-Mechatroniker gelernt. Zeugen müssen nicht gehört werden. Der Eigentümer des Wagens fordert aber 3000 Euro, „die will ich wiederhaben!“ Darüber wird er sich zivilrechtlich auseinandersetzen müssen. Dagegen zieht der Staat die Summe von 4499,95 Euro automatisch zu Gunsten eines Zeugen ein, dessen EC-Karte S. im März 2019 geklaut hatte.
Oberamtsanwältin honoriert Geständnis des Angeklagten in Siegen
S. entschuldigt sich damit, seinerzeit mit Drogen zu tun gehabt zu haben. Seit drei oder vier Monaten sei er aber weg davon. Das findet die Richterin problematisch und rät S. dringend, sich Hilfe zu holen. Die Oberamtsanwältin honoriert das Geständnis, ohne das S. garantiert mit einer Freiheitsstrafe aus der Angelegenheit herausgekommen wäre. Da er nun aber „mit dem Kopf unter dem Arm“ seine Taten gestanden habe, hält sie eine Geldstrafe für ausreichend. Sie beantragt 1500 Euro und eine Sperre von einem Jahr für die Fahrerlaubnis. Beides wird von der Vorsitzenden bestätigt. Anwalt Daniel Nierenz hatte es beim Wunsch nach einer „angemessenen und milden Strafe“ belassen. Das Urteil wird direkt rechtskräftig.
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