Kreuztal. Am Aktionstag für eine Mobilitätswende machen Klimabündnis und Bürgerinitiativen auf ihren Widerstand gegen die Route 57 aufmerksam.
Durchs Mattenbachtal fährt noch kein Auto. Die rund 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die dem Aufruf des offenen Klimabündnisses Siegen-Wittgenstein zur Fahrraddemo folgen, erleben eine Zeitreise. In Siegen, wo sie am Bahnhof aufbrechen und sich dann auf breiter Straßentrasse neben oder unter der HTS durchs Tal Richtung Kreuztal bewegen, fordern sie eine autofreie Innenstadt und den kostenfreien öffentlichen Nahverkehr. Gut zwei Stunden später machen sie, nun als Fußgänger, auf dem Weg über einer Wiese Mattenbachtal Station. Hier, wo es keinen (Nah-)Verkehr gibt und nur ein paar Pferde vom Hubensgut nebenan den Menschen Gesellschaft leisten, entsteht die Auf- und Abfahrtspindel, die die Kreuztaler Südumgehung mit der HTS verbindet.
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Hoffnung auf den Rechtsweg
„Viele wissen gar nicht, was vor ihrer Nase gebaut werden soll“, sagt Alrun Hoffmann-Krönert, als sie die Fahrraddemo und weitere Mit-Wanderer auf dem Buschhüttener Sportplatz begrüßt. Klimabündnis und Bürgerinitiativen nutzen den bundesweiten Aktionstag, um auf das Kreuztaler Thema aufmerksam zu machen. Vielleicht hat der Widerspruch ja doch noch eine Chance, sagt die Mit-Sprecherin des Bürgerinitiativen-Netzwerks. „Wir müssen ja optimistisch bleiben.“
Das NRW-Oberverwaltungsgericht hat den Planfeststellungsbeschluss nicht aufgehoben, sondern „nur“ für rechtswidrig erklärt - was dazu führt, dass der Landesbetrieb Straßenbau nun andere Ausgleichsflächen für den Eingriff in Natur und Landschaft sucht, die nicht nur einseitig den Reit- und Fahrverein Kindelsberg belasten. Die Kläger haben dennoch Beschwerde eingelegt, so dass möglicherweise das Bundesverwaltungsgericht als nächste Instanz ins Spiel kommt. „Das Urteil ist nur schwer nachvollziehbar“, kommentiert Alrun Hoffmann-Krönert den nur scheinbaren Erfolg der Gegner: Umweltaspekte würden nicht berücksichtigt, und nach wie vor stehe die 2009 in den Planunterlagen festgehaltene Behauptung, der Verein habe ohnehin keine Zukunft. „Dabei existiert er auch 2021 in voller Blüte.“
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Plan mit jahrzehntelanger Vorgeschichte
Auf dem Buschhüttener Sportplatz versammeln sich Radfahrer und Wanderer aller Generationen. Da sind die dabei, die noch die letzten Blütenträume von einer A 4 durchs Rothaargebirge miterlebt haben – die A 4 wäre dann in Krombach einfach weitergebaut worden. Die Älteren kennen auch die Ferndorf-Eder-Lahn-Straße (FELS) noch, die später – nun nicht mehr „Bundesfernstraße“, sondern „Ortsumgehungskette“ – als Route 57“ propagiert wurde und neuerdings als „57 verbinden“ geplant wird. Die Jüngeren brauchen das Infomaterial, das Klimabündnis und Initiativen an Infoständen bereithalten – auch Letztere passen sich stets in ihrer Namensgebung an: Aus „Stopp A 4“ ist über die Jahrzehnte „Natur 57“ geworden. Viele Kreuztaler sind dabei. Ihre Transparente erinnern an die jahrelangen Debatten über eine Tunnellösung und den Ärger über die zu klein dimensionierte Hauptkreuzung – damals so gebaut in der Annahme, dass der Verkehr sowieso über die Südumgehung an der Innenstadt vorbeiziehen wird.
Protest gegen Kreuztaler Südungehung
Klaudia Witte: Kreuztal „von zwei Seiten beschallt“
Prof. Dr. Klaudia Witte, Vorsitzende des Naturschutzbundes Siegen-Wittgenstein, begrüßt die Mitstreiterinnen und Mitstreiter. Immer noch zeige die Straßenplanung den „Zeitgeist der 80er Jahre“. Es sei „völlig unverantwortlich“, Quellgebiete und Eichen- und Buchenwälder zu zerstören. Eine Entlastung bringe die Straße nicht, „die Kreuztaler werden dann von zwei Seiten beschallt“. Dass mehr Straßen nicht mehr, sondern weniger Verkehr erzeugen, habe „noch nie funktioniert“. Güter gehörten nicht auf Lkw, sondern auf die Schiene, so wie jetzt das Borkenkäferholz aus Erndtebrück. Klaudia Witte nennt den Betrag von 250 Millionen Euro Investitionskosten: „Was könnte man dafür alles tun für eine neue, nachhaltige Mobilität?“
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Johannes Remmel: Route 57 „hätte es nie geben dürfen“
„Wir sind viele“, freut sich Grünen-Landtagsabgeordneter Johannes Remmel. Immerhin sei es gelungen, „dass die Straße bis heute nicht gebaut wird“. Wobei Remmel selbst als NRW-Umweltminister seinen Beitrag geleistet hatte, die Ortsumgehungskette auf eine „rote Liste“ nicht weiter zu verfolgender Straßenbauprojekte zu setzen – worüber sich sein SPD-Kollege im Verkehrsministerium und schließlich der Bundestag hinwegsetzen. „Verkehrswirtschaftlich hätte es diese Maßnahme nie geben dürfen“, sagt Remmel im Rückblick auf die Entstehung des Bundesverkehrswegeplans, „die ist politisch da reingedrückt worden.“ Johannes Remmel wagt den Vergleich mit „Und täglich grüßt das Murmeltier“: Mit der Südumgehung als Beginn der Route 57 werde die Region gefangen gehalten – so lange jedenfalls werde die Rothaarbahn nicht beschleunigt, würden keine Bahnübergänge beseitigt und keine batterieelektrischen Triebwagen eingesetzt.
Wanderung zu Eichenwäldern im Mattenbachtal
Die Fahrraddemo geht, in kleinen Gruppen, zu Fuß weiter: Gert Bültermann, Vorsitzender des Reit. und Fahrvereins, und Wolfgang Weber-Barteit von der Aktionsgemeinschaft Naturpark Rothaargebirge erläutern die Stationen oberhalb des Freibades, wo die Auffahrtspindel errichtet werden soll. Friedrich Henstorf vom Bund für Umwelt und Naturschutz wartet an der künftigen Brücke über den Mattenbach, und Rüdiger Becker von der Waldgenossenschaft Buschhütten wird einen Eichenwald vorstellen. „Wunderschöne Ausblicke“ verspricht Alrun Hoffmann-Krönert. Ein paar Ponys kommen auch mit.
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