Grissenbach. Dreieinigkeitsgemeinde gibt ihr Gotteshaus in Grissenbach auf. 1778 als Schule gebaut. Beinahe wäre ein Feuerwehrgerätehaus daraus geworden.

Wieder ein Gotteshaus weniger: Nach Werthenbach im Jahr 2013 und Nenkersdorf im vorigen Jahr verliert nun auch Grissenbach seine evangelische Kapelle. Sie wird am Samstag, 5. Juni, im Rahmen eines Gottesdienstes entwidmet. Wer daran nicht teilnehmen kann, hat in dieser Woche Gelegenheit, noch einmal in die Kapelle zu gehen und Abschied zu nehmen. Sie ist bis einschließlich Freitag immer von 15 bis 17 Uhr geöffnet.

Der Grissenbacher Wilfried Lerchstein hat die Geschichte der Kapelle aufgezeichnet.

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Stationen

1778 stiftet Prinz Wilhelm V von Oranien ein Legat für den Bau von Schulen. In Grissenbach werden die katholische St. Elisabeth-Kapelle und die evangelische Kapelle errichtet. „Die Grissenbacher reformierte Gemeinde hat mich lassen gießen, zu Afholderbach habe ich müssen fließen“, lautet die Inschrift der Glocke, die nun einen neuen Platz finden wird, wahrscheinlich auf dem Friedhof. Die ebenfalls 1791 in Afholderbach gegossene katholische Glocke wurde im ersten Weltkrieg eingeschmolzen.

Reppels Fachwerkhaus hinter der Kapelle, davcir plätschert die Sieg.
Reppels Fachwerkhaus hinter der Kapelle, davcir plätschert die Sieg. © Nachlass Leni Schmick | Nachlass Leni Schmick

1902 wurde am Ortsrand von Grissenbach eine neue Volksschule eröffnet, mit getrennten Klassen für die katholischen und evangelischen Kinder aus Grissenbach und dem benachbarten Nenkersdorf. Damit ist die Zeit der Wechselschule vorbei, die mal im einen, mal im anderen Dorf stattfand. Als Schule wurde die Kapelle nicht mehr gebraucht. Als Volksschule bestand die neue Schule in der Luisenstraße übrigens bis 1968, 1982 wurde sie abgerissen.

1907 wurde die Kapelle Eigentum der evangelischen Bürger Grissenbachs. 110 Mark bezahlten sie dafür. Sie hatten den Gemeinderat aufgefordert, die Kapelle für gottesdienstliche Zwecke bereitzustellen und sie nicht, wie 1902 zunächst erwogen, als Feuerwehrgerätehaus zu nutzen.

1939 übertragen die Grissenbacher ihre Kapelle an die evangelische Kirchengemeinde Deuz. Damit verhinderrn sie, dass die Nazis das Gebäude beschlagnahmen.

1961 wird die katholische St.Elisabeth-Kapelle abgerissen, 1962 wird an ihrer Stelle ein Neubau eingeweiht.

 Die Sonntagsschule fand 1944 zuerst im Wohnzimmer von Helene Schmick statt.
Die Sonntagsschule fand 1944 zuerst im Wohnzimmer von Helene Schmick statt. © Nachlass Leni Schmick | Nachlass Leni Schmick

1967 wird der Erweiterungsbau der evangelischen Kapelle, in der zu dieser Zeit auch Sonntagsschule, Bibelstunden und Übungsabende des Posaunenchors stattfinden, seiner Bestimmung übergeben. Bei dieser Gelegenheit wird die Kapelle entkernt und von Grund auf erneuert. Für den Anbau werden Eichenbalken von Fachwerkhäusern aus Obernau verwendet, die dort der Talsperre weichen müssen. 50.000 Mark investiert die Gemeinde.

2007 findet erstmals der Mittwochstreff in der Kapelle statt, eine Zusammenkunft für ältere Bürgerinnen und Bürger, mit Spiel, Gesang und Vorträgen zu aktuellen Themen. Die Initiative hatten Ortsbürgermeisterin Annette Scholl und Helga Moczalaergriffen. Die ehrenamtliche Küsterin leitet auch die Frauenhilfe, die 1908 gegründet und 2007 mit der Nenkersdorfer Frauenhilfe zusammengelegt wurde,.

2017, am 21. Mai, wurde in der Grissenbacher Kapelle der letzte Gottesdienst gefeiert, von Pfarrerin Helma Land, die in Grissenbach wohnt, und dem Deuzer Pfarrer Tim Winkel.

Besondere Tage

Am 10. Juli 2011 zierte die Kapelle den Sonderstempel der Deutschen Post zur 700-Jahr-Feier von Grissenbach.

Zusammen mit dem „Hälsper Hus“ bildete die Kapelle ein ortsbildprägenden Fachwerkensemble – bis zum 29. Oktober 1967. An diesem Tag ist dieses repräsentative Fachwerkhaus des Bauernhofes Reppel abgebrannt.

2018 probt der Posaunenchor hier zum letzten Mal, sein neues Zuhause ist in Beienbach.

2020, im März, fanden in der Kapelle, die auch Schauplatz beim Herbstmarkt, bei den Ferienspielen und anderen dörflichen Veranstaltungen war, die letzten Treffen statt. Dann kam Corona.

2021, zum 1. Januar, trat die Fusion der evangelischen Kirchengemeinden Deuz, Dreis-Tiefenbach und Netphen in Kraft. Die neue evangelisch-reformierte Kirchengemeinde Dreieinigkeit, dien zeitgrößte im Kirchenkreis Siegen, hat rund 9200 Gemeindeglieder, vier Hauptkirchen (eine in Rudersdorf) und drei Pfarrer. Der Bevollmächtigtenausschuss, der die Gemeinde an der Stelle des noch zu wählenden Presbyteriums leitet, legte den Termin für den Entwidmungsgottesdienst fest. „Für die spätere Nutzung des Gebäudes gibt es auch bereits einen Interessenten, der das Grundstück in Erbpacht übernehmen möchte“, berichtet Wilfried Lerchstein.

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