Allenbach. Nina Ehrler hat nach ihrer Corona-Erkrankung mit Langzeitfolgen zu kämpfen. Sie warnt davor, das Virus auf die leichte Schulter zu nehmen

„Ich habe schon Angst vor dieser Krankheit entwickelt“, sagt Nina Ehrler. Lange war das nicht so und Corona für die Allenbacherin weit weg. Doch dann erkrankte die 47-Jährige an Covid-19, genau wie ihr Mann und ihre Schwiegereltern. Auch heute, mehr als sechs Monate später, spürt sie die Nachwirkungen noch. Deshalb appelliert sie, die Krankheit ernst zu nehmen und keine unnötigen Risiken einzugehen.

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An die Regeln hielten sich Nina Ehrler und ihre Familie schon vor der Krankheit. Doch es fiel ihr schwer, sich etwas unter Corona vorzustellen. In ihrem Freundeskreis sollte sie die erste sein, die es erwischte. Sie machte aus ihrer Infektion keinen Hehl, viele Freunde riefen sie danach neugierig an, da sie die erste Infizierte sei, die sie kannten. „Die Ehre brauchte ich gar nicht“, sagt Nina Ehrler.

Gesundheitsamt informiert Nachbarin in Hilchenbach über Corona-Infektion

Ihr Mann brachte die Krankheit mit – aus einem Krankenhaus in Bremen. Er besuchte dort seine Eltern, die zu diesem Zeitpunkt noch kein Corona hatten. Nichtsahnend kehrte er aus Bremen zurück und zeigte anschließend Symptome einer leichten Erkältung. Zu diesem Zeitpunkt dachte sich die Familie noch nicht viel dabei. Doch dann erwischte es Nina Ehrler. Während es ihrem Mann schnell wieder gut ging, lag sie neun Tage lang flach. Auch wenn sie sich schon dachte, dass es Covid-19 sein müsse, war die Wartezeit anstrengend. Sechs Tage wartete sie auf das Ergebnis des PCR-Tests.

Den Anruf mit der Nachricht über das positive Ergebnis bekam schließlich ihre Nachbarin, die sie dann informierte. „Wir hatten halt keine Nummer“, soll das Gesundheitsamt ihr später gesagt haben, wenn sie die Nachbarin nicht informiert hätten, hätte das Ordnungsamt kommen müssen. „Das hätten sie dann machen müssen“, findet Nina Ehrler. Auf diese Weise von dem Testergebnis zu erfahren, war ihr unangenehm.

Vom Pflegedienst mit Corona infiziert

Ihre Schwiegereltern bekamen das Virus dann kurz vor Ostern. Sie wurden durch einen Pflegedienst infiziert. Lange konnten Nina Ehrler und ihr Mann sie nicht besuchen, und lange habe man ihr „verschwiegen, wie schlecht es ihnen ging“. Beide hatten schwere Verläufe, mussten vier Wochen ins Krankenhaus. Zwar mussten sie nicht auf die Intensivstation, jedoch mit Sauerstoff versorgt werden. Bereits davor seien sie leicht dement gewesen, Corona habe ihren Zustand stark verschlimmert. Das Virus suche sich die Schwachstellen, habe ein Arzt ihr den Zusammenhang erklärt, berichtet Nina Ehrler.

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Es war geplant, dass die Schwiegereltern in eine Einrichtung für betreutes Wohnen ziehen, das sei in ihrem jetzigen Zustand nicht mehr möglich. „Ohne Corona wäre alles anders verlaufen“, sagt Nina Ehrler. Immerhin sei die Kommunikation des Gesundheitsamtes bei der Erkrankung der Schwiegereltern viel besser gewesen. In den Monaten seit ihrer Erkrankung habe sich diesbezüglich viel getan, findet Nina Ehrler. Verständnis hat sie ohnehin. „Es ist für alle keine leichte Situation.“

Allenbacherin spürt körperliche und psychische Folgen

Noch immer spürt Nina Ehrler die körperlichen Folgen des Virus. Wenn sie die Treppe in ihrem Haus hochgeht, muss sie sich manchmal hinsetzen, um sich auszuruhen. Wenn sie spazieren geht, ist sie schneller außer Atem als früher, wenn sie dabei telefoniert, fragen die Gesprächspartner oft, ob sie gerade einen steilen Berg hinaussteige. Dabei sehe ihre Lunge laut ihrer Ärztin eigentlich gut aus. Deshalb hat sie mittlerweile ein großes Problem damit, wenn Menschen die Krankheit herunterspielen. „Wenn ihr wüsstet“, denkt sie dann.

Das schlimmste aber sind die psychischen Folgen. Manchmal bekommt sie aus dem Nichts schwere Atemnot, manchmal Panikattacken. Eigentlich sei sie jemand, die viel wegstecken kann, sagt Nina Ehrler. Doch mit den Folgen ihrer Corona-Krankheit wird sie nicht alleine fertig, sie hat deshalb eine Therapie begonnen.

Forschung zu Long-Covid

Über die Langzeitfolgen einer Coronainfektion ist immer noch relativ wenig bekannt, außer dass es sie gibt.

Bei etwa einem Drittel der Patienten treten nach Aussage der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) nach der Akutphase weiterhin Beschwerden auf.

Die DGP arbeitet zurzeit an einer Leitlinie zum Long- oder Post-Covid-Syndrom.

Auch ihre Tochter hat Angst, obwohl sie selbst noch gar nicht infiziert war. Die 13-Jährige geht kaum noch raus. Der schlechte Zustand ihrer Großeltern und ihrer Mutter habe sie geprägt, befürchtet Nina Ehrler. Einmal fand ihre Tochter sie atemlos auf der Treppe, unfähig weiterzugehen. Sie habe die Angst in den Augen ihrer Tochter gesehen, sagt Nina Ehrler. „Das sind die Sachen, die vergisst man auch nicht.“

Hoffen auf die Corona-Impfung

Auch mit der Gesellschaft habe die lange Corona-Zeit etwas gemacht. „Die Leute haben sich verändert, die werden aggressiv und egoistisch“, sagt Nina Ehrler. In ihrer Nachbarschaft gebe es hingegen eine große Solidarität und sie hätte in der Quarantänezeit viel Unterstützung bekommen.

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„Wenn ich es nicht gehabt hätte, hätte ich vielleicht auch eine andere Einstellung“, sagt Nina Ehrler. Sie hat auch Verständnis dafür, dass die Menschen es leid sind, doch es nütze ja nichts. „Es ist noch da“, sagt sie und appelliert, sich trotz der Öffnungen weiter an die Regeln zu halten. Für sie sei ein Bummel in der Stadt oder ein Besuch im Biergarten momentan noch unvorstellbar. Ihre Hoffnung setzt sie auf die Vakzine: „Es kann auf Dauer nur das Impfen helfen.“