Kreuztal. Den Zuschlag für die neue Mitte soll das beste Konzept bekommen. Diskutiert wird, ob die Stadt an die Stelle eines privaten Investors tritt.
Die Pläne für die Wohnbebauung auf dem bisherigen Sportplatz haben Wirbel gemacht – fast so viel wie die Diskussion um den daneben entstehenden Dorfplatz und die Sorge um fehlende Flächen für den jährlichen Triathlon: zu viele Menschen, zu viel Verkehr. Und wohl nicht nur das. Im Infrastrukturausschuss spricht Vorsitzender Andreas Müller (SPD) Klartext: Menschen mit kleinem Einkommen seien nicht „asozial“ – das Attribut gehöre eher den Bewohnern der „Wohlfühloasen“, der „unerträgliche Diskussion“ gegen die erwarteten Mieter. „Asozial ist, wer Hilfe verweigert, obwohl er sie leisten könnte“, so Müller. „Wir möchten da kein Armenghetto sehen, aber auch kein Reichenghetto.“Hier gibt es mehr Artikel und Bilder aus dem Siegerland
An Projekten, „die nicht für den kleinen Geldbeutel geeignet sind“, mangele es in Kreuztal nicht, stellte Müller auch fest und nannte beispielhaft die Wohnviertel am Heugraben und im Deichwald-Quartier. Der Ruf nach bezahlbarem Wohnraum soll nun gehört werden. 13 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Siegen-Wittgenstein müssten mit weniger als 2200 Euro brutto im Monat auskommen, „Tendenz steigend“.
Dorf- und Sportplatz
Losgelöst von der Planung für das Wohnviertel auf dem Sportplatz hat der Rat im Dezember über den Dorfplatz mit angrenzender Kleinsportanlage beschlossen, der zwischen Wohnbebauung und Turn- und Festhalle entsteht. Hierfür und für den Gießpfannenplatz an der Schulstraße investiert die Stadt etwa 1,7 Millionen Euro. Um eine zusätzliche, auch für den Triathlon erforderliche Grünfläche zu gewinnen, wurde die für die Wohnbebauung vorgesehene Fläche verkleinert. Im vorigen Jahr hatte der TV Germania Buschhütten, Ausrichter des Triathlon, ein eigenes Konzept für das „Wohnen am Sportpark“ in die Diskussion gegeben. Auch jetzt wird die Stadt das Wohnviertel nicht völlig fremder Finanzierung überlassen können, stellte Bürgermeister Kiß klar: Die Kosten für die Grünflächen und die Öffnung des Mattenbachs, der künftig über den ehemaligen Sportplatz plätschern wird, wird die Stadt tragen müssen.
Für wen wird gebaut?
In das neue Wohnquartier – Ein- und Zweifamilienhäuser an der Buschhüttener Straße, drei- bis viergeschossige Mehrfamilienhäuser am Bahndamm und zum Dorfplatz hin – sollen junge Familien, Paare, Alleinerziehende, Alleinstehende und Wohngemeinschaften einziehen können. „Ein vernünftiges Maß an Durchmischung“ wünscht sich Andreas Müller für die Zusammensetzung der Bewohnerschaft, „eine Blasenbildung wollen wir verhindern“. Ein festzulegender Anteil der Wohnungen – die Verwaltung nennt 20 Prozent – soll „bezahlbar“ zu mieten sein. Gemeint sind damit in Kreuztal höchstens 8 Euro Kaltmiete.
Wie werden Mieten bezahlbar?
Die Stadt will das Grundstück an den Investor verkaufen, der das beste Konzept für die formulierten Ziele anbietet. Bei der Auswahl könnte der gebotene Kaufpreis nur eine untergeordnete Rolle, etwa 30 Prozent, spielen, die Idee an sich dagegen zu 70 Prozent in die Bewertung einfließen. Ob die Stadt daraus ein regelrechtes Vergabeverfahren macht und die eingereichten Entwürfe auch dotiert, wird erst der Rat am 1. Juli entscheiden.
Bürgermeister Walter Kiß weiß, dass es für die „topografisch bevorzugte Lage“ mitten im Ort großes Interesse gibt. „Ich glaube aber nicht, dass wir übermäßig viele Entwürfe bekommen.“ Denn die Ideen müssen mit Geld verbunden sein. „Noch so schöne Konzepte helfen uns nicht, wenn nicht ein Investor dahintersteht, der es auch verwirklicht.“
Raum für „sozialromantische Luftschlösser“ biete das Vorhaben nicht, sagte der Bürgermeister weiter. „Man darf nicht verteufeln, dass jemand Geld damit verdienen will – es sei denn, wir machen es selbst.“ Letzteres, so Hubertus Brombach (Grüne), „sollten wir ganz entschieden überlegen.“ Denn die 8-Euro-Marke für die „bezahlbare“ Kaltmiete sei noch „ganz entschieden zu hoch“. Angestrebt werden müsse ein „deutlich niedrigerer“ Mietzins, außerdem müsse die Stadt den Anteil von jetzt vorgeschlagenen 20 Prozent preiswerter Wohnungen „deutlich erhöhen“. „Für 5 bis 6 Euro ist derzeit kein Gebäude zu erstellen“, sagte Bürgermeister Kiß. Dann müsste öffentliche Förderung zum Zuge kommen, mit der Mieten von 5,80 bis 6 Euro realisiert werden könnten. Für Investoren, die sich über 25 Jahre an die Sozialbindung halten müssten, sei das aber „völlig unattraktiv“.
„Wir müssen einen Weg finden, dass das auch das Prädikat bezahlbarer Wohnraum verdient“, forderte Ulrich Schmidt-Kalteich (Grüne). Harald Görnig (CDU) war skeptisch: „Ich bin gespannt, ob das gelingen wird“ – wenn, dann wäre das „sicherlich toll“.
Worauf kommt’s an?
Hubertus Brombach (Grüne) mahnte, auch an behindertengerechte Ausstattung zu denken. Anke Hachtmann (UWG) regte an, die Mehrfamilienhäuser auf drei Geschosse zu begrenzen und – trotz höherer Kosten – auch eine Tiefgarage vorzusehen. Felix Viehmann (FDP) riet, nicht zu viele Bedingungen zu stellen, die Investoren am Ende abschrecken könnten. So könne es auch Sinn machen, nicht auf der Aufteilung auf mehrere nebeneinander stehende Mehrfamilienhäuser zu bestehen. Ein geschlossener Riegel mit Torbogen könne ein geeigneter Übergang zum Dorfplatz sein („wenn man mal alte italienische Städte ansieht“). An der Bahn könnte ein geschlossener Wohnblock, zum Beispiel für studentisches Wohnen, das Viertel gegen Lärm abschirmen.
„Wir wollen pfiffige Ideen haben“, forderte Jochen Schreiber (SPD). Zudem könne auch über eine zentrale Energie- oder Wärmeversorgung nachgedacht werden, in die später auch der Komplex mit der Turn- und Festhalle einbezogen werden könne. Das Quartier, sagte Bürgermeister Kiß, werde den Stadtteil „wesentlich verändern“ – und, so SPD-Fraktionschef Schreiber, für die nächsten Jahrzehnte prägen. „Wir werden das nicht übers Knie brechen“, sagte Walter Kiß. Es gehe darum, „verdichtete Bebauung sozialverträglich zu gestalten“. Es werde wichtiger sein, „ein sozialadäquates Konzept umzusetzen, als den letzten Euro aus dem Grundstück herauszuquetschen.“ Nach einem Entwurf aus der ersten Beratungsphase könnten auf dem Gelände 50 bis 60 Wohnungen entstehen.
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