Siegen/Netphen. Angeklagter aus Netphen wird nach Verurteilung zu zwei Jahren und zehn Monaten Haft auf freien Fuß gesetzt
Ein Vierteljahr hat es gedauert bis zum Urteil: Der Angeklagte, der sich unter anderem für mehrere Fälle der Bedrohung gegen den Ortsbürgermeister von Eckmannhausen und dessen Familie verantworten musste, wird am Montagmittag zu zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt.
Das entspricht dem Antrag von Staatsanwalt Moritz Faßbender. Die Unterbringung in einer Entziehungseinrichtung hat das Gericht allerdings nicht ausgesprochen. Schuldig ist der 35-jährige Mann aus Netphen des schweren räuberischen Diebstahls, Diebstahls mit Waffen, weil er mehrfach Messer und auch einmal eine PTB-Pistole mit sich führte, der Körperverletzungen und Bedrohungen.
Verteidiger: Angeklagter wurde provoziert
Verteidiger Dr. Achim Lüdeke hielt am Morgen noch ein zweites Plädoyer. Nach den Aussagen der Zeugen am vorherigen Verhandlungstag sei klar, dass der Verletzte seinen Mandanten buchstäblich habe „ins Messer laufen lassen“, diesen mit seinem Stock provoziert und in Angst versetzt und damit praktisch gezwungen habe, sein eigenes Messer zur Selbstverteidigung zu ziehen. Der Anwalt spricht von einer Notwehrsituation des Angeklagten und von einem Ortsbürgermeister, der als „agent provocateur“ alles getan habe, um aus einem Nachbarschaftsstreit mehr zu machen, diesen zu eskalieren und sich damit seines Amtes unwürdig zu erweisen.
Dr. Lüdeke zitiert einen von ihm bis vor den Bundesgerichtshof gebrachten Fall, als ein anderer Mandant eine geschlossene Einrichtung verließ, von einem Pfleger gestellt und zurückgebracht werden sollte, diesen mit einem Messer angriff. Auch dort sei es der Angeklagte gewesen, der sich habe wehren dürfen, gegen einen Pfleger, der seine Kompetenzen überschritten und die Lage eskaliert habe.
Das Gericht nimmt die Ausführungen zur Kenntnis, verurteilt aber trotzdem in fünf Fällen der Bedrohung. „Ich möchte sagen, dass wir weit davon entfernt sind, den Zeugen als ‚Agent Provocateur’ zu bezeichnen“, ist die direkte Antwort der Vorsitzenden Richterin Elfriede Dreisbach in Richtung des Hamburger Verteidigers. Sie betont mehrfach den Begriff Psychoterror, dem der Geschädigte und seine Familie ausgesetzt gewesen seien.
250 Euro Schmerzensgeld
Die Richterin macht dem Angeklagten auch deutlich, dass seine Entschuldigung gegenüber dem Ortsbürgermeister kurz nach dem letzten Vorfall und seiner anschließenden vorläufigen Unterbringung nur bedingt angerechnet werden könne, „angesichts Ihres Verhaltens in der Hauptverhandlung“. Trotz allem kommt ihm gerade für diese Zeit im Juli 2020 zugute, dass er nach einer schweren Kopfverletzung aus Sicht des Sachverständigen nur eingeschränkt schuldfähig gewesen ist. Der Gutachter habe eine psychische Störung diagnostiziert, die aber mit der Kopfverletzung verbunden gewesen und inzwischen nicht mehr akut sei. Gleichzeitig stünden weder die Bedrohungen noch die anderen Taten unbedingt mit der Alkohol- und Medikamentensucht des Angeklagten in Verbindung. Dieser hat bereits neun Monate in Untersuchungshaft verbracht.
Mit Bezug auf die Verbüßung eines knappen Drittels der verhängten Strafe wird der Haftbefehl gegen den nunmehr Verurteilten aufgehoben. Eine Fluchtgefahr bestehe nicht mehr. Der Ortsbürgermeister bekommt daneben noch 250 Euro Schmerzensgeld zugesprochen. Auch andere Geschädigte erhalten ähnliche Summen.
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