Siegen/Eckmannshausen. Video soll Erkenntnisse zur Bedrohung in Eckmannshausen bringen. Anwalt unterstellt Ortsbürgermeister bewusste Provokation
„So was habe ich noch nicht erlebt“, klagt der Ortsbürgermeister von Eckmannshausen nach der Verhandlung. Er ist einer der Geschädigten in dem Strafverfahren, das seit dem 26. Januar vor der 1. Großen Strafkammer verhandelt wird. Er fühle sich mehr und mehr selbst wie ein Angeklagter. Das ist nach dem Auftreten des tatsächlichen Angeklagten und dessen Anwalt durchaus nachvollziehbar.
Der Verteidiger
Am Mittwoch geht es um einen neuen Beweisantrag. Verteidiger Dr. Achim Lüdeke aus Hamburg will mit Hilfe eines Video-Protokolls beweisen, dass der Zeuge seinen Mandanten am 17. Juli 2020 mit einem Stock bedroht habe. Der Angeklagte sei quasi gezwungen worden, sein Messer zur eigenen Verteidigung zu ziehen – und nicht etwa,. um seinerseits den Ortsbürgermeister zu bedrohen.
Noch bevor die Kammer den Saal betritt, kommt es zu einem peinlichen Zwischenfall für den Anwalt. Bisher fand die Verhandlung im Schwurgerichtssaal gegenüber statt, der „Umzug“ verwirrt den Juristen. Er hält Staatsanwalt Markus Bender, der für seinen erkrankten Kollegen Moritz Faßbender eingesprungen ist, unbekannterweise für einen neuen Vorsitzenden Richter und erhebt umgehend Rüge dagegen. Die zieht er auf Benders Erklärung hin zurück, hat aber bereits die Richter irritiert, mit denen er sich auch gleich weiter anlegt, weil er sich mit seinem Beweisantrag auf Aktenteile bezieht, die gar nicht existieren.
Das Video, von dem im Verfahren bereits einmal gesprochen wurde, hat ein Nachbar aufgenommen. Er habe die Akten nicht, versichert der Verteidiger und muss nach einer kurzen Pause etwas zerknirscht den Irrtum seines Mandanten einräumen. „Wir lügen Sie nicht an. Davon nehme ich entschieden Abstand“, betont Vorsitzende Elfriede Dreisbach nach einigen Bemerkungen des Anwalt.
Die Zeugen
Ein Polizist wurde geladen, der die Videos aus technischen Gründen „mit einem Tonband“ aufgenommen und den Inhalt abgeschrieben hat. Die Ehefrau des Nachbarn hat nichts zum Thema beizutragen, nur den „Filmer“ wolle er hören, sagt der Verteidiger, ändert aber wenige Sekunden später seine Meinung. Weil er wissen wolle, wie die Zeugen zum Ortsbürgermeister stünden. Fragen zum Beweisantrag seien zulässig, die Zeugen auszuforschen nicht, warnt die Vorsitzende.
Bereits am Nachmittag sei es zu einem Zwischenfall „direkt vor unserem Haus“ gekommen, berichtet der Nachbar. Angeklagte und Ortsvorsteher trafen dort aufeinander. Sein Nachbar habe ruhig reagiert, der Angeklagte wüste Beschimpfungen ausgestoßen. Als er am Abend wieder Geschrei von gegenüber hörte, habe er mit der Handykamera gefilmt, allerdings sei mehr zu hören, als zu sehen. Die Videos liegen vor. Er habe unterbrochen, weil ihn sein Nachbar, der Ortsbürgermeister, gewarnt habe, berichtet der Zeuge: „Pass auf, der hat ein Messer“. Dann sei zu hören, wie der Ortsbürgermeister wohl mit einem Stock auf den Boden schlage und „Hey“ rufe – wohl, damit der Angeklagte bleibt, bis die Polizei kommt.
Ob er schon vorher von den Problemen gewusst habe, ob es ein normaler Nachbarschaftsstreit gewesen sei, fragt der Verteidiger den Zeugen. Er habe „von Dritten“ davon gewusst, und sagt schließlich, dass eine Auseinandersetzung, die „gefühlt 14 Tage lang“ tägliche Polizeistreifen verursache, sicher mehr sei, als nur ein Nachbarschaftsstreit. Ihm selbst sei „durchaus die Muffe gegangen“, als die Warnung vor dem Messer gekommen sei.
Der Angeklagte
Der Mann gibt eine Erklärung zu seiner Motivation ab. Betrunken und pöbelnd zum Haus des Geschädigten zu kommen, sei sicher unangemessen gewesen. Er habe diesen aber nie ernsthaft schädigen wollen. Der Ortsbürgermeister habe aber bei jeder Begegnung einen Stock dabei gehabt und an jenem Abend auch gegen ihn geschwungen, nicht nur auf den Boden gestoßen. Er habe nur weggewollt, der andere ihn ständig verfolgt und bedroht. Nur deshalb habe er zum Messer gegriffen. In der Hand gehabt habe er es vorher nicht.
Das Verhalten seines Kontrahenten sei nicht in Ordnung. „Das darf ich doch sagen“, findet der Angeklagte. „Sie können bis zum Abend reden“, seufzt die Vorsitzende. Für die Kammer sei das aber nicht ausschlaggebend.
Der Anwalt legt noch eins drauf, bezeichnet den Ortsbürgermeister als „Agent Provocateur“, der seinen Mandanten, der betrunken und krank gewesen sei, in die Falle locken und der Polizei vorführen wollte. Er sei früher Berufssoldat gewesen, Jäger und Waffenbesitzer, da habe er ganz andere Möglichkeiten als sein Mandant – und sich als Ortsvorsteher unmöglich verhalten, das sei doch jedem klar, argumentiert Lüdeke.
Die Nebenklage
Das motiviert den Nebenklagevertreter ebenfalls zu einer Erklärung. Anwalt Tim Timmer findet das ständige Betonen des früheren Berufes seines Mandanten und des Waffenscheins unangemessen. Das geht eine Weile so hin und her. Was Richterin Dreisbach bedauert, aber nach der Strafprozessordnung auch nicht unterbinden könne, wie sie in Richtung Dr. Lüdekes feststellt.
Das Urteil wurde bereits mehrfach verschoben. Am 3. Mai soll erneut plädiert werden, wenn der reguläre Staatsanwalt wieder im Haus ist. Dann will die Kammer auf jeden Fall das Urteil verkünden.
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