Deuz. Fahrlehrer Jens Schiller aus Netphen berichtet über seine Erfahrungen mit E-Mobilität und die Situation der Fahrschulen in der Corona-Pandemie

Die Fahrschule Jens Schiller in Netphen ist die erste und einzige Fahrschule im Siegerland, bei der die Fahrschülerinnen und Fahrschüler derzeit in einem E-Fahrzeug unterrichtet werden und ihre praktischen Fahrstunden ableisten können. „Viele meiner Kollegen haben den Kopf geschüttelt und mir abgeraten, ein E-Auto als Fahrschulwagen anzuschaffen, aber nach nun zwei Wochen, in denen wir schon damit unterwegs sind, konnten wir nur positive Erfahrungen sammeln“, sagt Fahrschullehrer Jens Schiller, „und durch den Einsatz von E-Fahrzeugen gibt es eine Förderung“.

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Die Fahrschule in Netphen-Deuz

Jens Schiller feiert am 1. Mai seinen 47. Geburtstag. 2001, mit 26 Jahren, fing er in Netphen-Deuz mit der Fahrschule an. Damals war er einer der jüngsten Fahrschullehrer im Kreisgebiet. „In den vergangenen Jahren hat sich fahrschulmäßig vieles geändert. Waren vor 20 Jahren noch sieben Fahrschulen in der gesamten Stadt Netphen auch in anderen Ortsteilen vertreten, so sind wir nun die einzige Fahrschule“, so Schiller, „auch unsere Fahrschüler sind erfreut über die neue Technik mit der wir ausbilden.“

Die Zukunft gehöre allerdings nicht der Elektromobilität, glaubt Jens Schiller. „In einigen Jahren wird sich wasserstoffmäßig mehr tun“, sagt der Fahrlehrer, „das Geld, das hier in die Entwicklung und den Bau der E-Autos hineingesteckt wurde, hätte man besser in die Entwicklung von Wasserstofffahrzeugen investiert.“ Mit dem Laden der Batterien eines E-Fahrzeuges müsse man sich beschäftigen, in Siegen sei das aber normalerweise problemlos umsetzbar. „Zuhause habe ich eine Wallbox und in Siegen gibt es derzeit genügend Ladesäulen. Bei nur Stadtfahrten reicht eine Batterieladung den Tag über“, erzählt Jens Schiller.

Die Schüler und das E-Auto

Auch die Gesetzeslage habe sich geändert, denn seit 1. April dieses Jahres haben die Fahrschülerinnen und Fahrschüler die Möglichkeit, ihre Führerscheinprüfung Klasse B (Pkw) auch mit Automatik abzulegen und trotzdem später dann Schaltwagen zu fahren. Voraussetzung jedoch ist, dass sie zehn Fahrstunden mit jeweils 45 Minuten in einem Wagen mit Schaltung nachweisen müssen, dies gilt dann auch für Fahrten im Ausland. „Beim Fahren mit Automatik oder auch nun mit dem E-Fahrzeug haben meine Mitarbeiter und ich festgestellt, dass die Fahrschüler mehr Augenmerk auf die Verkehrssicherheit legen“, erläutert Jens Schiller. Dennoch hätten viele, vor allem jüngere Fahrschüler, Probleme mit den Technik-Abläufen. Auf der einen Seite könnten sie ein Smartphone blind in allen Lagen blitzschnell bedienen, aber beim Schaltwagenfahren kapierten viele die Abläufe nicht. Gas wegnehmen, Kupplung treten, Schalten, Kupplung langsam kommen lassen, dabei noch Lenken und gleichzeitig auf die Verkehrssicherheit achten – das sei für viele problematisch.

Netphen plant eigene Ladesäulen

Die Stadt Netphen möchte die Infrastruktur für die E-Mobilität verbessern und plant deshalb zunächst vier Ladesäulen.

Die Standorte für die geplanten Ladesäulen sind der Jung-Stilling-Platz in Dreis-Tiefenbach, der Wanderparkplatz Obernautalsperre in Brauersdorf, der Alte Bahnhof in Deuz und die Wasserburg in Hainchen.

Teilweise muss das Stromnetz für die Anforderungen der Ladesäulen noch ausgebaut werden. In Deuz und Brauersdorf gibt es noch gar kein Niederspannungskabel, in Dreis-Tiefenbach muss ein stärkeres her.

„Bis jetzt habe ich noch jeden zur Prüfung gebracht und alle haben einen Führerschein bekommen. Mein ältester Fahrschüler war 72-Jahre alt, es hat zwar ein wenig gedauert, aber er konnte nach einer gewissen Zeit seinen Führerschein in Händen halten“, so Jens Schiller.

Die Corona-Pandemie und die Fahrschulen

Dennoch hätten die Fahrschulen nicht nur im Kreis Siegen-Wittgenstein, sondern in ganz Deutschland, Probleme – und die Situation werde immer schlimmer. Durch den Corona-Lockdown gibt es einen erheblichen Stau in der Abarbeitung von Schülerinnen und Schülern. Lange Wartezeiten entstehen, teilweise dauere es über sechs Monate, bis ein Fahrschüler mit der Ausbildung anfangen kann. Hinzu kommt dann noch die Anzahl der Fahrstunden, denn im Schnitt braucht ein Fahrschüler bis zu 40 Stunden und nicht selten mehr. Somit liegen die Führerscheinkosten mindestens bei rund 3000 Euro.

Neben der Pandemie gibt es dafür aber auch noch einen anderen Grund: In Deutschland fehlen rund 2500 Fahrlehrer. Früher hat die Bundeswehr Fahrlehrer ausgebildet und nach Beendigung ihrer Dienstzeit gingen sie als Fahrlehrer in die private Wirtschaft. Heute kann sich jemand die Ausbildung zum Fahrlehrer von den Kosten her fast nicht mehr leisten und der Fahrlehrer-Beruf ist schon seit Jahrzehnten überaltert. Weitere Gründe sind Engpässe in der Zuteilung von Prüfungen beim TÜV, und auch hier gibt es wochenlange Wartezeiten. „Es gibt einen erheblichen Fachkräftemangel an Fahrlehrern und das wird sich noch verstärken. Und auch ich suche schon seit Monaten zwei Vollzeitkräfte für unsere Fahrschule“, berichtet Jens Schiller.

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