Siegen-Wittgenstein. Demografieforscher Frank Luschei ist entspannt: „So groß ist die Sprengkraft nicht“ – wenn Strukturen angepasst werden

Fast 300.000 Einwohner hatte der Kreis Siegen-Wittgenstein 1996. Im Jahr 2003 kam die Prognose von Paul Klemmer auf den Tisch: 2015 würde der Kreis nur noch 288.000 Einwohner zählen. „Ich kann mich noch gut erinnern, welches Aufsehen das erregt hat", sagt Dr. Frank Luschei im Wirtschaftsausschuss des Kreistages. Dort stellt er seinen eigene Demografiebericht vor: 2039 leben im Kreisgebiet nur noch knapp 270.000 Menschen.

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Von 1975 bis 2019 hat sich der Anteil der unter 20-Jährigen an der Bevölkerung des Kreises verringert: von 31,1 auf 18,4 Prozent – annähernd jugendlich ist somit nicht mehr fast jeder Dritte, sondern noch nicht einmal jeder Fünfte. Die Zahl der 16- bis 20-Jährigen habe sich „praktisch halbiert“, berichtet der Demografieforscher aus Hilchenbach. Dafür hat sich der Anteil der über 80-Jährigen von zwei auf 6,9 Prozent mehr als verdreifacht. Frank Luschei lenkt die Aufmerksamkeit auf eine weitere Zahl: die Berufseinsteiger und -aussteiger. Um die 1100 macht die „Ausstiegslücke“ im Jahr 2019 aus: 1100 Menschen mehr, die aus dem Arbeitsleben ausscheiden, als junge Menschen, die nachrücken.

Auf Leerstände achten

Wilnsdorf und Freudenberg waren die beiden Kommunen im Kreis, die in den 1960er Jahren besonders stark gewachsen sind – davon zehren sie auch heute noch, weil sie deutlicher von langjährigen Mittelwerten nach oben abweichen als andere Städte und Gemeinden. In den letzten zehn Jahren, so Frank Luschei, war allerdings „Siegen die einzige Stadt, die relativ stabil war“.

„Die Sprengkraft in diesem Papier ist enorm“, meint Martin Achatzi (CDU), „daraus müssen Konsequenzen gezogen werden.“ „Man muss halt ein Auge drauf haben“, rät Dr. Frank Luschei, nicht nur bei der Planung von Kitas und Schulen. So könne es passieren, dass in Ortskernen Leerstände entstehen, wenn die alten Bewohner nicht mehr da sind, während gleichzeitig junge Familien in neuen Siedlungen an Ortsrändern bauen. „Städtebauer sprechen dann von einem Donut-Effekt.“

Im übrigen sei der Bevölkerungsrückgang weniger dramatisch als in Altena, wo seit den 1960er Jahren die Hälfte der Einwohnerschaft abhanden gekommen ist, oder in Gelsenkirchen mit einem Rückgang um ein Drittel. „So groß ist die Sprengkraft gar nicht“, sagt Frank Luschei, „demografische Veränderungen gab es schon immer, und es ist uns immer gelungen, uns daran anzupassen.“

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