Hilchenbach. Peter Neuhaus deckt den Tisch auf dem Hilchenbacher Marktplatz: „Mahnmal für die geknechtete Gastronomie“.

Marktplatz, kurz nach Mittag. Ein weißer Pavillon, ein gedeckter Tisch. „Dinner for (N)one“ steht mit Kreide auf der Schiefertafel. Ein paar neugierige Blicke. Und dann wird aus dem None (für niemand) ein One (für einen). Dr. Peter Neuhaus hat sein bestelltes Essen am Fenster einer der Gaststätten auf dem Marktplatz abgeholt. „To go“ heißt heute nicht zu Hause. Sondern im vorgeschriebenen Abstand von mindestens 50 Metern von der Verkaufsstelle am gedeckten Tisch. Und damit es gar kein Vertun gibt, hat der Hilchenbacher Grünen-Vorsitzende sein Dinner direkt im Rathaus angemeldet: als Demonstration. Am „Mahnmal für die geknechtete Gastronomie“.

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Vorspeise

Zur Vorspeise die Botschaft: Nein, sagt Peter Neuhaus, er sei kein Leugner oder Verharmloser – auch das Altenheim, für das er arbeitet, sei von er Pandemie „heftigst“ betroffen gewesen. Aber: Bei den Schutzmaßnahmen werde zu viel über einen Leisten gezogen. „Ich sehe nicht ein, warum man sich nicht in kleinen Gruppen hier hinsetzen darf“, sagt Peter Neuhaus, „Menschenansammlungen sind hier nicht zu befürchten.“ Und selbst wenn es die Selbst-Schnelltests noch nicht gibt, ist die Nachverfolgung im Ernstfall kein Problem, sagte er: „Hier kennt jeder jeden.“

Hauptgang

Der einsame Gast packt aus, Besteck und Geschirr hat er von zu Hause mitgebracht, wo gerade noch eine von unendlich vielen Videokonferenzen läuft. Homeschooling und so. Der Salat kommt auf den Glasteller, der eben noch Untersetzer für die vorn im Blumenladen besorgte Primel war. Die Pommes werden neben das Jägerschnitzel drapiert. „Guten Appetit“ wünscht ein Passant. Ein paar junge Leute erkundigen sich, wo man das leckere Essen bekommt. „Prost“ ruft eine Fahrradfahrerin. Das hat ein bisschen was von Loriot. Macht nichts. „Beim Essen bin ich ziemlich ungehemmt.“

Adressen

Wer in seiner Nähe Abhol- oder Lieferdienste von Gaststätten und Restaurants sucht, wird auf verschiedenen überregionalen Plattformen fündig, zum Beispiel wir-kochen-weiter.de oder dein-lokal-nebenan.de.

Eine lokale Initiative ist der Online-Gastroführer gastroguide-siegen.de. Und wer nicht sofort essen will: visitsiegen.de/gutscheine

Der Pizzabäcker schaut vorbei, er ist der Neue auf dem Marktplatz, neben den beiden Gasthäusern, der Eisdiele und dem griechischen Restaurant um die Ecke. Peter Neuhaus muss die Einladung ablehnen, nicht nur wegen des Jägerschnitzels. 50 Meter sind das nun mal nicht zwischen Lokal und Tisch. Dazu braucht es den Zollstock nicht. Den hat Peter Neuhaus für den Fall mitgebracht, dass jemand auf dem anderen Stuhl am Tisch Platz nehmen möchte. Abstand.

Der Kommunalpolitiker, der bis voriges Jahr auch im Rat war, schwärmt: von der Mittagssonne, die auf den Marktplatz scheint, von der geplanten Neugestaltung mit mehr Bäumen, Wasserlauf und Sitzgelegenheiten, vom Café Herzstück - ja, das kommt auch wieder: die ehrenamtliche Initiative, die den Versuch 2019 gewagt hat, will im Sommer wieder aufmachen in der Gerbergasse. „Die scharren schon mit den Hufen.“ Die fehlenden Toiletten werden eingebaut, und dank des neuen Leerstände-Förderprogramms ist das Vorhaben für die ersten zwei Jahre fast mietfrei. „Das wird von der Stadt sehr positiv begleitet.“

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Auf den Bänken über den Stufen lassen sich die jungen Leute von eben nieder. Ihr Mittagessen kommt aus dem Supermarkt in der Herrenwiese. „Hier geht man nicht zum Shoppen und Schaufensterbummeln hin“, stellt Peter Neuhaus zutreffend fest. Welche Schaufenster auch. Auf den Hilchenbacher Marktplatz kommen Menschen zum Sich-Treffen und Miteinander-Reden, zum Essen und Trinken. Womit man, sozusagen auf die letzten Champignons, wieder beim Thema wäre. Gastronomie gehört zu dieser „tollen Kulisse“ dazu. „Die darf nicht in die Knie gehen. Was einmal weg ist, kommt so schnell nicht wieder.“

Dessert

In seiner Mittagspause schlendert Christoph Ermert vorbei, der Kämmerer von nebenan aus dem Rathaus, richtet Grüße vom Bürgermeister aus. Das Gespräch kommt schnell auf den städtischen Haushalt. Das Glockenspiel von der Sparkasse schlägt einen Choral an. Nachtisch gibt es nicht mehr.

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