Stachelau/Wenden. Bernd Hesse aus Wenden und Weltenbummler Eugen Bareis planen eine Serienproduktion ausgefallener Segelboote. Einen Prototyp gibt es schon.
Wer sich eine Weile mit Eugen Bareis und Bernd Hesse über ihr gemeinsames Projekt unterhält, dem wird schnell klar: Da haben sich zwei gesucht und gefunden. Bareis (69), technisch versierter schwäbischer Weltenbummler auf der einen Seite, und Bernd Hesse (73), Unternehmer-Urgestein (SIBO) aus dem Wendschen, auf der anderen. Während man Hesse hierzulande als Verpackungs-Unternehmer und meinungsstarken Kommunalpolitiker kennt, ist der Schwabe eher unbekannt. Was sich aber jetzt ändern könnte, denn die beiden setzen eine auf den ersten Blick spleenige Idee handfest in die Realität um: Sie wollen eine Segelboot-Produktion aufbauen.
Skepsis mit Blick auf ihr fortgeschrittenes Alter lassen beide nicht gelten: „Ich werde 102“, grinst Hesse, und Bareis setzt noch einen drauf: „Ich bin Schwabe, und Schwaben sterben ungern, wenn sie Rente bekommen.“ Scherz beiseite, der eigentliche Grund für seinen Kraftakt ist wohl das, was den Witwer und Vater zweier Töchter am ehesten mit Hesse verbindet: „Ich kann nicht still sitzen.“
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Meinen dennoch ungläubigen Blick kontert Hesse mit seinem unverwechselbaren Macher-Charme: „Glauben Sie mir, wir werden Boote in Serienfertigung bauen, schon ab dem kommenden Sommer. Das hier ist erst der Anfang.“
Glänzendes Aluminium
Mit „das hier“ meint Hesse den Prototyp eines stattlichen Katamarans aus strahlend glänzendem und seefestem Aluminium, den Bareis entworfen und mit Hilfe Hesses in dessen Werkshalle im früheren Metallwerk Imhäuser (Stachelau) aufs Gerüst gestellt hat: „Was mich besonders an der Idee gereizt hat, war die Möglichkeit, etwas zu machen, das noch keiner gemacht hat“, versichert Bareis. Denn das 9 Meter lange und fast 5 Meter breite Segelboot vereine gleich mehrere Vorteile in sich: „Dadurch, dass es komplett aus Aluminium ist, rostet es praktisch nicht und ist verhältnismäßig leicht. Es hat konstruktionsbedingt einen irre Auftrieb, einen minimalen Tiefgang und kann, wenn es dann doch mal verschrottet werden sollte, komplett für alles mögliche wiederverwendet werden, vielleicht für die Produktion von Millionen von Getränkebüchsen.“
Das Boot sei zudem quasi unsinkbar, das Dach über Salon und Schlafkabine könne in wenigen Minuten abmontiert werden, wodurch es sich spontan in ein Wasser-Cabrio verwandele.
Klappmechanismus der Clou
Der absolute Clou sei aber etwas anderes: Die für einen Katamaran so unverwechselbaren Seitenteile könnten komplett eingeklappt werden.
Bareis zeigt mir die fünf Drehpunkte auf jeder Seite und die Öse in den Seitenteilen: „Ein Stahlseil wird über eine Umlenkrolle am Hauptmast an der Öse befestigt und kann dann mit Hilfe einer Anhängerkupplung von einem Auto angezogen werden, wodurch das Seitenteil hochklappt.“ Fast wie ein Klappbett, geht mir durch den Kopf.
Wenn der Schwabe einmal in Fahrt ist, ist er nicht mehr zu bremsen, als er mir die Vorzüge der von ihm erdachten Konstruktion erklärt: Gemeinsam mit dem geringen Gewicht von rund 2,5 Tonnen, könne das eingeklappte, nur noch 2,50 Meter breite Boot (von 4,90 Meter) problemlos wie ein Wohnwagen transportiert werden. „Wer es ganz schnell mag, kann drei Außenbordmotoren von je 200 PS dranhängen, dann hat er ein Rennboot“ lacht Bareis, „und dennoch ist es hochseetauglich.
Für seinen „Stapellauf“ braucht der Alu-Katamaran diese Fähigkeit aber noch nicht: „Ich denke, wir können es zum 1. Mai auf unserem Biggesee mal ausprobieren“, freut sich Bernd Hesse jetzt schon unübersehbar. Zweite Station könnte der Balaton (Plattensee) in Ungarn sein, wo Hesse bekanntlich einen Firmen-Standort mit rund 160 Leuten hat: „Und von da aus ist es dann nicht mehr weit bis nach Kroatien ans Mittelmeer“, sagt Hesse, womit sich ganz zufällig ein Kreis in dieser originellen Geschichte schließt.
Weltenbummler auch in Kroatien
Denn an der kroatischen Mittelmeerküste entdeckte Eugen Bareis vor vielen Jahren seine Leidenschaft fürs Segeln. Allein die Lebensgeschichte des Weltenbummlers würde schon einen Roman füllen. Der aus Stuttgart stammende Schwabe stammt aus einer Sägewerksfamilie, lernte den Beruf des Holztechnikers und geriet über Holzgeschäfte in der Ukraine nach Osteuropa und Kroatien: „Dort habe ich oft gesegelt und das Interesse ist geblieben.“ Nach beruflichen Stationen in Kuba, Liberia, und Ecuador landete er schließlich bei einem Münchener Maschinenhandel, der auch Maschinen für den Palettenbau verkaufte. „Und eine solche Maschine haben wir hier ins Sauerland nach Olpe für Bernd Hesse geliefert.“ Irgendwann habe er Hesse dann später mal angerufen und gefragt: „Wollen Sie nicht noch mal etwas ganz Neues machen und in den Bootsbau einsteigen?“ „Die Antwort kam prompt, wie man das vom Wendschen Unternehmer nicht anders erwartet hätte: „Hier hast Du Platz. Mach!“
Dass die Idee einer Serienproduktion nicht abwegig ist, wird durch einen ganz wesentlichen Umstand realistisch: „Für die Segelbootbranche wird das kein Luxusartikel. Der Preis wird vermutlich im Bereich eines größeren Mittelklassewagens liegen. Und wegen der problemlosen Transportmöglichkeit, bleibt einem Bootsbesitzer der kostspielige Liegeplatz erspart.“ Ganz abgesehen davon, so versichert Bareis, „dass man in fast ganz Europa kaum noch Boots-Liegeplätze bekommt.“
Fast hätten wir es vergessen: Einen Namen hat sich Bernd Hesse in Anlehnung an sein Unternehmen SIBO schon ausgedacht: „Siboot“.