Die Aufarbeitung von NS-Verbrechen vor dem Siegener Gericht: Viele Täter kommen mit milden Strafen davon.
Prozesse in Siegen: Von Juli 1947 bis Januar 1953 fanden in Siegen 48 Prozesse statt, in denen Verbrechen Gegenstand waren, die NSDAP-, SA-, SS- und Gestapo-Angehörigen vorgeworfen wurden: „lokale Übergriffe“ und „Denunziationen gegen einzelne Personen“, so die Auswertung, die der Siegener Historiker Dr. Ulrich Friedrich Opfermann vorgenommen hat. Beispielhaft genannt wird der Gestaposekretär, der einen italienischen Zivilarbeiter erschossen hat, weil er angeblich eine Flasche Bier gestohlen hatte. Und der Prozess gegen einen Volkssturmführer, der einen schwer verletzten deutschen Zivilisten erschoss, der sich gegenüber den Alliierten ergeben wollte. Und das „Rollkommando“, das der Struthüttener Obersturmbannführer Richard Odendahl geführt hat – er wurde zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt.
Dieter Pfau berichtet im Katalog zur Ausstellung „Kriegsende 1945 in Siegen“, die 2005 im ehemaligen Kaufhof, dem heutigen Krönchen-Center, stattfand, über den Prozess gegen Otto Faust, den stellvertretenden Leiter der Siegener Gestapo-Außenstelle. Er war angeklagt, bei „Verhören“ russische und polnische Arbeiter unter anderem mit einer Peitsche geschlagen zu haben; er wurde 1946 zu drei Jahren Gefängnis verurteilt.
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Heraus ragte der Prozess gegen sechs Synagogen-Brandstifter 1948. Sie wurden zu Gefängnisstrafen von 12 beziehungsweise 14 Monaten verurteilt, drei von ihnen 1949 in der Revision freigesprochen.
In seiner 2001 erschienenen Bibliografie „Siegerland und Wittgenstein im Nationalsozialismus“ führt Ulrich Opfermann weitere Quellen zu Prozessen in Siegen an: gegen einen Polizeiobermeister aus Weidenau, der wegen Beihilfe zum tausendfachen Mord angeklagt war, gegen Gestapo-Beamte wegen Mordes, gegen einen KZ-Wachmann aus Dreis-Tiefenbach, gegen SA-Männer wegen Misshandlung und wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, gegen einen Freikorpsführer, der in Klafeld eine Exekution auf dem Marktplatz veranlasst hat. Oft gehen aus den Schlagzeilen Freisprüche hervor, gelegentlich in Zitaten das Ausmaß von Brutalität: „Aufhängen ist unfair, erschossen hätte ich ihn schon.“
Nürnberg: In Nürnberg als Kriegsverbrecher vor dem alliierten Gericht verurteilt wurden die Industriellen Friedrich Flick (sieben Jahre Haft, nach drei Jahren entlassen) und Bernhard Weiss (zweieinhalb Jahre Haft, nach einem Jahr entlassen), Siegener Architekt Hermann Giesler (lebenslänglich, nach fünf Jahren entlassen) und Wehrmachtsgeneral Karl-Adolf Hollith (fünf Jahre Haftstrafe, nach einem Jahr entlassen).
Danach: Dr. Ulrich Friedrich Opfermann hat 1998 eine Bestandsaufnahme der Texte vorgelegt, die sich mit dem Nationalsozialismus im Siegerland befassen. „Es zeigte sich, dass seit etwa Mitte der fünfziger Jahre das Thema nur noch wenig interessierte.“ Eine Zunahme stellt Opfermann in den 1970er Jahren fest, „die Hochschule vor Ort wirkte sich offenbar zunächst belebend auf die Arbeit am Thema aus“. Auf Dauer aber habe die Uni „zu einer verstärkten Bearbeitung der regionalen Zeitgeschichte kaum geführt“. Zu einem Wettbewerb zum Thema „Alltag in Siegen zwischen 1933 und 1939“, den Stadt und Universität 1991 gemeinsam ausgeschrieben hatten, sei nicht ein einziger Beitrag eingereicht worden. Von insgesamt 1577 Texten, die zwischen 1945 und 1994 veröffentlicht wurden, entstanden 394 bis 1949, weitere 212 bis 1954.
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